Immer wenn mein Herz..

Short Story zum Thema Trauer/Traurigkeit

von  Ultano

Die Story basiert auf dem Lied "Meine Soldaten" von Maxim.
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„Ich bau eine Mauer und sprenge die Brücken.
Will systematisch jeden Gedanken an dich unterdrücken.
Die Fotos verbrennen und die Lieder zensieren.
Komme was wolle, ich darf die Kontrolle nie wieder verlieren.“


Als die vertraute Melodie sich langsam in ihr Bewusstsein schlich, kamen mit ihr all die vergrabenen und verschlossenen Gedanken an die Oberfläche. Die längst verschütteten Bilder und Emotionen sprudelten aus dem Inneren ihres Herzens nach oben. Selbst die lange Zeitspanne konnte die großen Gefühle nicht verwischen. Nie hätte sie für möglich gehalten, dass sie diese Zeit so lange und klar in Erinnerung behalten würde. Die Tage und Nächte mit ihm waren intensiv genug gewesen um sich für alle Zeit in ihre Gedanken und ihr Herz zu brennen. Doch die Narben, die diese lodernden Flammen in ihr hinterlassen haben, werden niemals wieder heilen. 
Stumm saß sie am Ufer des Meeres und versank mit jeder kommenden Welle immer tiefer in den verworrenen Gedanken von damals.

„Alles was sich bewegt, lass ich streng überwachen.
Verdächtige Elemente sofort unschädlich machen.
Es reicht ein Zeichen der Schwäche, ein Zittern der Finger.
Ich brauch kühles Blut, denn es tut mir nicht gut, mich an dich zu erinnern.
Es tut mir nicht gut, mich an dich zu erinnern.“


Erinnerungen an die Zeiten mit ihm stiegen regelmäßig in ihr empor, doch so intensiv wie jetzt regnete das Erlebte schon lange nicht mehr auf sie ein. Seine sanften Hände auf ihren Zitternden, hatten ihr jedes Mal aufs Neue die Scheu genommen und jeden Zweifel entschärft. Doch, dass sie mit ihren Zweifeln am Ende Recht behalten sollte, hätte sie sich in ihren schlimmsten Träumen nicht ausmalen können. Viel zu gut tat es, wenn er all diese Zweifel nur für ein paar Stunden von ihr nahm und auf sich lud, damit sie schweben konnte. Sie schenkte ihm Vertrauen, ihren Glauben und ihr reines Herz. Sie wiegte es bei ihm in Sicherheit, als könnte ihm niemals wieder jemand etwas anhaben. Ihr Herz war stolz und schön. Mit geschwellter Brust stellte es sich allem und jedem in den Weg, der ihm Leid zufügen wollte. Er hatte nicht vorgehabt es zu zerbrechen, war sich nicht mal bewusst, dass er es konnte. Doch seine Willkür und Dummheit hatten ihr später alles genommen, was ihr lieb war.

„Und immer wenn mein Herz nach dir ruft
und das Chaos ausbricht in mir drin,
schicke ich meine Soldaten los,
um den Widerstand niederzuzwingen.“


Der Tag, an dem er sie zum ersten Mal anrief schleicht sich so schmerzhaft in ihre Erinnerung, wie der letzte. Die dazwischen liegenden vier Wochen waren das Intensivste, dass sie in ihren jungen Jahren bisher erlebt hatte. Seine Stimme, sanft wie ein Sommerregen, hatte sie eingewickelt und umhüllt mit Tuch und Samt. Das sie jemals ihre kleine, unberührte, Welt zum Einsturz bringen würde konnte sie selbst dann nicht glauben, als es bereits geschehen war. Mit jedem einzelnen seiner Worte hatte er sie in der Hand gehabt, konnte sie lenken. Er bestimmte so einfühlsam über ihr Leben, dass sie ihm gutgläubig alles überließ was sie hatte und was sie war. Wenn er rief, dann war sie zu Stelle um sich von ihm aus ihrer festgefahrenen Welt entführen zu lassen. Diese Stunden mit ihm waren für sie so unsagbar wertvoll. Wenn sie sich trafen blieb ihr turbulenter Alltag stehen, der so oft drohte sie zu überrennen. Es fühlte sich an, als könnte er sie mit sich in die Höhe ziehen. In den kleinen Himmel, in dem er permanent zu schweben schien. Er trug sie nach und nach immer weiter nach oben, so dass sie den Sturz beinahe mit dem Leben bezahlt hätte. 

„Immer wenn mein Herz nach dir ruft
und es brennt in den Straßen in mir drin,
befehle ich meiner Armee alles zu tun,
um es wieder zum Schweigen zu bringen.
Bis es geknebelt, gebrochen ist und weggesperrt
und mir endlich gehorcht, mein armes Herz.“


Ihr Herz schlug schneller. Es rebellierte gegen den Schmerz, die Wut und die Trauer. Es wollte ihn nicht hassen, so wie es der Kopf ihm befahl. Es war zerrissen, als wäre es aus reinem Papier. Und trotzdem stand auf jedem einzelnen Fetzen noch immer sein Name. Als wäre er eingebrannt und für immer darauf verewigt. Immer und immer wieder puzzelte sie die Teile innerlich zusammen. Sie ging die schönen Momente so oft im Kopf durch, dass sie all die Gefühle für immer in sich eingeschlossen hatte. Schloss sie ihre Augen sah sie ihn vor sich. Sein zartes Gesicht, das leichte Lächeln, dass sie, selbst in ihren Gedanken, die Zeit vergessen ließ. So schmerzhaft der Fall auch war, sie erinnerte sich viel öfter an die schönen Momente. Ihr Kopf befahl ihr immer wieder die Gedanken zu überschreiben und all die Erinnerungen an ihn über Bord zu werfen. Und ihr treues Herz rettete die lieb gewonnenen Erinnerungen jedes Mal aus dem Meer von Tränen und Wut, bevor sie darin versinken konnten. 

„Doch ich brauch nur einen Verräter, eine undichte Stelle,
einen winzigen Stein für eine gewaltige Welle,
ein Funken im Zunder und alles steht wieder in Flammen.
Die ganze Fassade klappt wie ein Kartenhaus in sich zusammen.
Klappt wie ein Kartenhaus in sich zusammen.„


Auf einmal sah sie wieder das Bild ihrer besten Freundin vor sich, die neben ihm im Bett lag und schlief. Nur langsam fügten sich damals alle Puzzelteile zusammen. So klar sie auch sah und verstand, ihr Herz wehrte sich so vehement gegen den drohenden Aufprall, dass es eine Weile so schien, als bliebe es absichtlich stehen. Es traute ihrem Verstand und den Augen nicht. Es hüllte sich in der Sicherheit seiner Stimme ein und wollte für immer dort bleiben. Als es aufschlug brachen alle Dämme in ihr. All die Gefühle und Emotionen überschwemmten ihre Welt und sie drohte zu ertrinken. Ihre Sinne wurden nur langsam wieder klarer, nachdem sie von einer Welle aus Tränen überrollt wurden. Wie eingefroren betrachtet sie heute die Situation. Sie gab ihm alles was sie hatte nur damit er es von seiner Wolke aus fallen ließ. Damals prallte sie so unsanft auf den Boden der Tatsachen, dass sie wochenlang so zu liegen schien. Ihr Herz verstand die Welt nicht mehr, und tut es bis heute nicht. Das riesige „Warum“ schwebt seither in ihr wie ein Schwert. Es schmerzt in jedem Moment, in dem Sie wieder einen Gedanken daran verschwendete.

„Und immer wenn mein Herz nach dir ruft
und das Chaos ausbricht in mir drin,
schicke ich meine Soldaten los,
um den Widerstand niederzuzwingen.
Immer wenn mein Herz nach dir ruft
und es brennt in den Straßen in mir drin,
befehle ich meiner Armee alles zu tun,
um es wieder zum Schweigen zu bringen.
Bis es geknebelt, gebrochen ist und weggesperrt
und mir endlich gehorcht, mein armes Herz.“


Das schlimmste waren die Gedanken danach. Oft malte sie sich aus wie es wäre ihn wieder zu treffen. Ihm nach all den Jahren noch ein letztes Mal gegenüber zu stehen. Damals beteuerte sie, dass sie niemals wieder ein einziges Wort an ihn verschwenden würde. Und heute musste sie sich eingestehen, dass sie es doch tun würde. Und nicht nur das. Sie war sich bewusst über die Kontrolle, die er noch immer über sie und ihre Gedanken hatte. Und sie wusste, dass ein einziges Wort von ihm sie wieder in seinen Bann ziehen würde. Ihr Herz war bereit den selben Schmerz noch einmal zu erleben. Für ein paar Wochen mit ihm, für ein paar Stunden ohne die quälenden Gedanken und für Minuten in denen Sie sich in seinen Augen verlieren konnte.. würde sie alles geben. Sogar ein zweites Mal ihr treues Herz. Sie würde es wieder in seine fürsorglichen Hände legen. Und sie würde am Ende wieder weinend die Puzzlestücke zusammensuchen, die er hinterließ.
Sie würde es wieder tun.

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