Das drahtige Hutzelmännchen

Erörterung zum Thema Zerrissenheit

von  loslosch

Rudis indigestaque moles (Ovid, 43 v. Chr. bis ~17 n. Chr.; Metamorphosen). Eine rohe und ungeordnete Masse.

Die erste Französischstunde mit dem Neuzugang aus Dierdorf begann so: "Mein Name ist Jock, J-O-C-K." Der Giftzwerg schien unter einem Minderwertigkeitskomplex zu leiden, suchte stets die totale Aufmerksamkeit. Übliche Unruhe kurz nach dem Pausenende kränkte ihn sehr. Dann rauschte er heran und schrie (für die Primaner kaum verständlich), phonetisch dunkel: "Diese gesta quä moles." Fragen nach dem Sinn wich Jock stets aus.

Es brauchte etliche Jahrzehnte und den Einzug von Google in die Wohnzimmer der Ruheständler, bis das Geheimnis gelüftet war (siehe oben). Gemeint sind die Elemente in ihrem Urzustand, bevor Erde, Himmel und Meer entstanden. Schüler als rohe Masse also. Jahre später war aus dem Saulus ein Paulus geworden. So jedenfalls erzählten mir übereinstimmend zwei Konabiturienten, die als Junglehrer am gleichen Gym unterrichteten. Außenstehende würden vermuten, dass die Wandlung des Kotzbrockens zur Engelszunge trügerisch ist; denn unter Kollegen, sofern keine Animositäten bestehen, sind die Umgangsformen gepflegtere. Nein, sein Umgang mit der Schülerschaft war ebenfalls von einer natürlichen Freundlichkeit geprägt. Woher nun dieser Sinneswandel?

Jock war wenige Jahre, nachdem wir das Pennal verlassen hatten, Witwer geworden - und hatte kurz darauf die Schwester der Verstorbenen geehelicht. Für Spekulationen ist jetzt ein weites Feld geebnet.

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Kommentare zu diesem Text

ZUCKERBROToderPEITSCHE (60)
(18.12.17)
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 niemand (18.12.17)
Hier könnte man in der Tat spekulieren. Selten wird es vorkommen [ich denke sogar: garnicht] dass sich ein Mensch charakterlich vom Saulus zum Paulus, sozusagen, wandelt. Charaktere sind in ihren Hauptzügen schon irgendwie fundamentiert. Aus Deiner Eröterung kann man jedoch schließen, dass eine Wandlung aufgrund vom Wegfall eines Druckes, durchaus stattfinden kann. Besagter schien mir doch ziemlich unterm [Pantoffel?] seiner Geehelichten gestanden zu haben, gleichzeitig warf er ein Auge [hormonbedingt?] auf eine zweite Frau, so dass seine mürrische Art wohl auf einem Zweispalt basierte, der da hieß: Die eine will ich zwar, bekomme aber nicht, die andere habe ich, würde sie aber gerne loswerden Losgeworden ist er sie dann auch, somit fiel
der Druck und die permanente Giftigkeit bald weg.
Kehrt der Friede in die Lenden, wird der Kampf im Kopf auch
enden könnte man da spekulativ-frivol sagen und ihm wünschen, dass seine zweite Verbindung harmonisch und dauerhaft bleibt. LG Irene

 loslosch meinte dazu am 18.12.17:
ich denke auch, dass er durch die 2. ehe ein seelisches gleichgewicht fand. das alles passierte vor rd. 50 bis 60 jahren. jock ist nicht sonderlich alt geworden. lo
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