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Das Wiedersehen

Kurzgeschichte zum Thema Gedanken

von  Jolie

Dort steht er. Seine Haare fallen ihm in die Stirn, dunkel und lang, er streicht sie sich mit einer lässigen Handbewegung nach hinten. Eine Bewegung die ich so gut kenne.
Er sah anders aus und doch gleich. Seine braun-grünen Augen umrahmt von dichten Wimpern, geschmückt mit dunklen Augenbrauen. Seine grade Nase, seine hohen Wangenknochen. Seine Muttermale auf den Wangen überdeckt von Drei-Wochen-Bart. Der ist neu. Seine vollen Lippen leicht geöffnet. Ich starre ihn an wie in Trance. In meinem Kopf dreht sich alles. Er starrt zurück. Stille.
Einige Sekunden vergehen, ich öffne meinen Mund, schließe ihn wieder und gehe einen Schritt auf ihn zu. Er tritt zur Seite und lässt mich in sein Zimmer, hinter mir schließt er die Türe. Mein Herz schlägt wild, ich spüre es pulsieren als hätte ich grade einen Sprint hingelegt. Fühle mich benommen.
Ich drehe mich um und sehe ihn an. Keiner von uns spricht ein Wort. Von ihm kommt unerwarteter Weise kein: „Was willst du hier“ oder „Ist das dein Ernst hier aufzutauchen“.
Ich vergesse alle Worte die ich mir nicht zurechtgelegt hatte. Versuche mich nicht zu bewegen und frage mich im selben Augenblick wovor ich Angst habe. Er ist kein fucking Reh, dass ich verschrecken könnte wenn ich unüberlegte Bewegungen mache. Ich öffne meinen Mantel, streife ihn mir von den Schultern, lasse ihn meine Arme hinunter gleiten und hinter mir auf den Boden fallen. Ein altbekannter Rausch überkommt mich, ergreift Besitz von mir, nimmt mir die Kontrolle, während ich wortlos auf ihn zugehe bis ich die Wärme spüre, die von ihm ausgeht. Sein Geruch ist noch derselbe, betörend, einladend.
Er macht keine Anstalten mir auszuweichen und ich lege sanft meine Lippen auf seine. Er lässt es zu.
Er lässt es zu. Warum?
Ist mir egal. Er lässt es zu.
Ich öffne meine Lippen und spüre seine Zunge an meiner. Sanft, warm, perfekt. Wie eine Droge schießt sein Geschmack durch meine Adern und ich verliere den Verstand. Vergrabe meine Hände in seinen Haaren. Weich.
So weich. Immer noch. Wie Seide.
Ich atme ihn ein.



„Was machst du hier?“ Seine Worte reißen mich zurück in die Realität.
Er steht vor mir. Meilenweite Distanz zwischen uns. Blut schießt mir in die Wangen und ich starre an ihm vorbei während ich versuche eine Antwort auf seine Frage zu finden, eine Frage die ich mir selber gestellt hatte und nicht beantworten kann. Er vermisst dich nicht. Er denkt nicht an dich. Ihm geht es gut ohne dich. Ja vielleicht sogar besser. Was machst du hier eigentlich?
„Ich...“ ich halte inne.
„Ich hab keine Ahnung“
Ich will ihn schlagen. Ihm ins Gesicht speien wie sehr ich ihn hasse. Ihn anschreien. In seine Gedanken einbrechen und herausfinden was er fühlt.

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Kommentare zu diesem Text


 TrekanBelluvitsh (15.01.18)
Man kann und sollte sich darauf vorbereiten - und erwarten, dass alles ganz anders kommt.

Der düstere Grundton bleibt erhalten. Hier stimmen Sprache und Aussage. Eine überraschende Wende zum Guten ist kaum vorstellbar. Und auch wenn dem Leser das klar ist, will er die Geschichte bis zum Ende auskosten - denn für ihn ist es ja nur eine Geschichte...

 Dieter_Rotmund (02.06.22, 17:33)
P.S.:

Eine BewegungKOMMA die ich so gut kenne.

von Drei-Wochen-Bart.
-> vom Drei-Wochen-Bart.

Fast schon ein Fehler-Klassiker ist der "Weise". Oft ein "fälschlicher Weise", hier ein unerwarteter.

Es fehlen übrigens wieder Kommas, dies nur am Rande. 

Der Text wirkt extrem unabgeschlossen, ohne ein echtes offenes Ende zu haben. 


 Xenia (25.11.22, 01:15)
Find ich sehr schön und berührend.
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