Wie Patrick

Text

von  atala

Ich sage Hannah nicht, dass sie nicht mehr dieselbe ist, seit sie wieder zur Arbeit kommt. Sie blickt einem nicht mehr direkt an, sondern immer leicht an einem vorbei. In den Pausen sitzt sie auf der Treppe neben den Säcken, in denen die Plastikflaschen gesammelt werden und raucht eine nach der anderen, ihr Blick im Nebel.

Hannah trägt ein Kreuz um den Hals, seit sie wieder hier ist. Es ist klobig und goldig, sie sagt, es habe Patrick gehört. Sie trägt es über ihrer Uniform und manchmal reflektiert es sich im Neonlicht.

Hannah raucht erst, seit sie wieder zurück ist. Ich frage sie nicht, weshalb. Sie dreht sich die Zigaretten selbst, sie sind dick und unförmig und ständig muss sie Hannah wieder anzünden.

Hannah erzählt, Patrick sei mit dem Fahrrad ans Schwarze Meer gefahren, und das obwohl er jeden Tag zwei Packungen geraucht habe. Er sei den ganzen Tag gefahren und manchmal auch die halbe Nacht unter Sternen. Durch die dichten Wälder Transsilvaniens, hinter jedem Busch warteten Augenpaare und von weitem das Wolfsgeheul. In Rumänien hätten ihm die Frauen zugewinkt, deren Röcke den Boden streiften. Gegessen hätte er, was die Leute ihm gaben und getrunken von den Seen und Flüssen. Und die ganze Zeit über hätte er die Kopfhörer in den Ohren gehabt und immer dasselbe Lied gehört. Nach Wochen auf dem Fahrrad sei er ans Schwarze Meer gelangt. „Und wisst ihr was?“, sagt Hannah, „es war so schwarz wie er es sich schon immer vorgestellt hat. Er hat die Hand ins Wasser gehalten und es war, als würde er in einen Eimer Pech fassen“.

Thomas sagt, Hannah sei durchgedreht, seit es geschehen ist. Er tippt sich mit dem Zeigefinger an die Schläfe, „sie ist ein wenig guckguck“.

Hannah erzählt uns in der Pause, dass Patrick sieben Sprachen konnte und tanzen wie kein anderer. Dann steht sie auf und rollt die Hüften. „So“, sagt sie mit der Zigarette im Mundwinkel, sie setzt sich wieder hin und bläst den Rauch in die Luft.

Hannah trägt ihr Haar nicht mehr in einem dicken Zopf, sie kämmt es nun zurück mit viel Gel. Manchmal fährt sie mit der flachen Hand über die glänzenden Strähnen.

Die anderen sagen, Patrick sei in den Wald gegangen und habe sich an einer Eiche erhängt. Weshalb an einer Eiche, frage ich und die anderen zucken mit den Schultern.
Ich frage Hannah nicht, ob es stimmt, was man sich erzählt. Ich sehe nur manchmal ein Bild von Patrick an der Innenseite von ihrem Schliessfach, wenn sie ihre Arbeitskleidung herausnimmt und sie über ihr Shirt zieht. Ich versuche zu erkennen, ob er eine goldene Kette trug, aber Hannah lässt die Tür nie lange offen. Nur dass er seine langen Haare nach hinten frisierte, konnte ich sehen.

Thomas zeigt uns in der Pause Fotos von seinem Kampfhund und Hannah sagt, Patrick habe Hunde gehasst, aber die Hunde hätten Patrick geliebt. Immer wenn er nach draussen ging, seien alle Hunde zu ihm gelaufen und hätten seine Hand geleckt. Thomas raunt mir später zu, Hannah phantasiere doch. Ich habe dann mit den Schultern gezuckt, doch ich glaube Hannah jedes Wort.

Hannah muss oft an der Kasse sitzen, die gegenüber von mir liegt. Ihre Miene ändert sich bei keinem Kunden, weder bei der Begrüssung noch bei der Frage nach der Quittung. Nur wenn ein bestimmter Song läuft, höre ich sie aufschreien. „Das ist Patricks Song!“, ruft sie dann und wirft die Hände noch oben. Manchmal steht sie auf, so gut es geht zwischen dem klobigen Bürostuhl und der Kasse und rollt mit den Hüften, bewegt den Kopf.

Ich denke Frau Bürkli hat sie dabei noch nie gesehen. Die fände das nicht gut, sie hatte schon bedenken, Hannah wieder zurückzulassen. Doch möglicherweise hat es ihr jemand erzählt, denn sie kommt in letzter Zeit öfters zu uns an die Kassen und schaut uns prüfenden an.
Heute hat mir Frau Bürkli gesagt, ich soll die Stimme heben, wenn ich mit Kunden spreche. Ich solle mehr auf meine Tonlage achten, etwas netter sein. Ich habe genickt und nichts gesagt. Hannah getraute sie das nicht zu sagen, sie blickte sie nur streng an.

Thomas sagt in der Pause, „Frau Bürkli muss heute früher gehen, komm wir machen einen drauf“. Wir setzen uns auf die Treppe und öffnen die Wodkaflaschen nach Kassenschluss. Thomas erzählt uns von seinem Auto, dass er abbezahlen muss und Hannah sagt, Patrick habe ein viel besseres Auto gehabt. Während sie sich zanken, lasse ich das Lied auf dem Handy laufen, das Patrick während der Reise gehört hat und Hannah so mag. Ich drehe mich im Kreis und rolle mit den Hüften. Dann ziehe ich Thomas zu mir nach oben, er wankt von der einen Seite zur anderen. Auch Hannah winke ich zu, doch sie bleibt sitzen und schaut uns an. „Genau wie Patrick“, sagt sie und tritt die Zigarette mit dem Schuh aus.

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Kommentare zu diesem Text

Ingrid. (38)
(26.02.18)
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fdöobsah (54)
(26.02.18)
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 keinB meinte dazu am 26.02.18:
@fdöobsah: Ich find, viel von dem, was du da syntaxmäßig bemängelst, grade gut, weils halt mal was anders ist. Falsch ist das meiste nicht, eher ungewohnt halt. ;)

@atala:
Mir gehts wie Ingrid, der Schluss versaut es mir irgendwie, wird zu belanglos, zu alltäglich. Vorher ist Hannah jemand, den jeder überall kennen könntr, später is sie halt irgendeine irgendwo an irgendeiner Kasse (sorry, die Schicksale von Kassenkräften interessieren mich nicht sonderlich) und es wird irgendwie ... schal. Fad. Ohne Würze. Mir hätts bis „jedes Wort“ gereicht.
Überarbeitung hinsichtlich Rechtschreibung und Grammatik wäre wünschenswert.

Gruß
Kb

 Dieter_Rotmund antwortete darauf am 27.02.18:
Ich stimme födöbösah zu; gefällt mir gut, aber zu viele Fehler. Manches könnte man als schnoddrigen Stil stehen lassen, aber nicht alles. Ich würde keine Prosa-Text mit "ich" beginnen, das ist eigentlich immer schlechter Stil. Das offene Ende gefällt mir, verstehe nicht, was die anderen da vermissen. Ein Happy-End, bei dem geheiratet wird? Ach, nööööö.
fdöobsah (54) schrieb daraufhin am 27.02.18:
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 Dieter_Rotmund äußerte darauf am 05.07.18:
Text gefällt mit weiterhin gut und er hat weiterhin diese unerfreulichen, beim Lesen lästigen Fehler, z.B. " bedenken".
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