Löserin

Pantun

von  monalisa

Ganz anders war sie, schön auf mädchenhafte Art.
Als sie die Mühsal seines hohen Alters spürte,
verharrte sie, zu ihm gebeugt, und küsste zart
die Stirn, die sie in dunkler Mission berührte.

Als sie die Mühsal seines hohen Alters spürte,
mit seinen Ängsten, seinen Nöten so vertraut,
die Stirn in ihrer dunklen Mission berührte,
da ging sie ihm besonders nah – unter die Haut.

Mit seinen Ängsten, seinen Nöten so vertraut,
nahm sie den müden Leib in ihre festen Hände,
da ging sie ihm besonders nah – unter die Haut,
ersehnte er, nun mürbe, seines Tagwerks Ende.

Nahm sie den müden Leib in ihre festen Hände,
verharrte still, zu ihm gebeugt, und küsste zart,
ersehnte er, nun mürbe, seines Tagwerks Ende:
Ganz anders war sie, schön auf mädchenhafte Art.

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Kommentare zu diesem Text

Aron Manfeld (48)
(13.03.18)
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 monalisa meinte dazu am 14.03.18:
Über Vernunft und Unvernunft lässt sich streiten, und jeder darf sich wünschen, was er will. Hoffentlich bekommt er 's auch 😉, Aron. LG Mona
Aron Manfeld (48) antwortete darauf am 15.03.18:
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 Isaban (13.03.18)
Hallo Mona,

die Gedichtform musste ich eben erst nochmal nachschlagen - Formschön und gelungen würde ich sagen.

Zum Inhalt:
Sorry, ich hatte heute eine unerwartet langen Tag und irgendwie ist meine Interpretationsbüchse grade leer, vielleicht muss ich mir das Ganze morgen noch einmal ganz in Ruhe ansehen, um herauszufinden, wer oder was diese mädchenhafte LyrSie ist - für heute scheint mein Brett vorm Kopf einfach zu dick zu sein. Sei mir nicht gram.

Liebe Grüße

Sabine

 EkkehartMittelberg schrieb daraufhin am 13.03.18:
Man kann sich über die Struktur des Pantuns bei Wikipedia leicht informieren. Was bringt es, diese malaiische Dichtform nach Europa zu transportieren? Ist es nur ein modischer Gag? Für mich ist ein Pantun zunächst einmal ein sinnliches Erlebnis. Die durch Wiederholungen ineinander verschlungenen Verse eines Pantuns unterstreichen dessen Rhythmus und die Musikalität. Und was passiert inhaltlich? Die ersten vier Verse der ersten Strophe, gleichsam das Präludium des Gedichts, sind zu einer Lösung geführt worden: Der Leib, in festen Händen, zärtlich geküsst, ersehnt nun mürbe seines Tagwerks Ende. Doch sie ist bei ihrem Lösungswerk auf mädchenhafte Art schön geblieben.
Sehr schön, Mona, ein Genuss es zu lesen.
Liebe Grüße
Ekki

 monalisa äußerte darauf am 14.03.18:
Liebe Sabine,
das hätt ich jetzt nicht gedacht, dass es so schwer fällt, diese 'SIE' zuzuordnen, besonders, da mich deine Charlotte dazu angeregt hat, diese Pantun auszugraben. Muss wirklich ein harter Tag für dich gewesen sein. Umso mehr darf ich mich darüber freuen, dass du 's noch geschafft hast, den Text zu lesen und dich mit der Form zu beschäftigen.
Hab vielen herzlichen Dank dafür!

Liebe Grüße
mona

_________________


Lieber Ekki,
ich glaube, wir haben uns schon einmal darüber unterhalten, dass diese Gedichtformen, in denen sich nach strengen Vorgaben ganze Verse wiederholen, gar nicht leicht so umzusetzten sind, dass sie nicht leiern und als langweiliges Wiederkäuen empfunden werden. Meiner Meinung nach eigenen sie sich besonders, um 'Übergänge' zu beschreiben, wie das ja auch im meinem Pantun 'Wurbulenzen' der Fall ist.
Ich freue mich sehr, dass du diese Zeilen als Genuss bezeichnest und sie dir gar zwei Sternchen wert waren. Herzlichen Dank!

Liebe Grüße
mona

 Irma (14.03.18)
Zur Form kann ich nur sagen: Wow, dass du dich daran gewagt hast. Es ist ja auch nicht ganz einfach, beim Pantun (ähnlich wie bei der Villanelle) trotz ständiger Wiederkehr der Zeilen die Spannung aufrecht zu erhalten. Das ist dir aber gelungen!

Es scheint hier um das Schicksal eines alten Greises zu gehen, dem, vielleicht schon lange bettlägerig und pflegebedürftig, das Weiterleben schwer fällt und sich nach dem Tod sehnt („ersehnte er, nun mürbe, seines Tagwerks Ende“). Und um eine weibliche, einfühlsame Person, die „mit seinen Ängsten, seinen Nöten so vertraut“ ist. Erst dachte ich an die Ehefrau, die an diesem speziellen Tag plötzlich „ganz anders“ ist, „schön auf mädchenhafte Art“. Es könnte sich aber auch um irgendeine andere Angehörige oder einfach um eine vertraute Pflegerin handeln, die jetzt die Initiative ergreift („nahm sie den müden Leib in ihre festen Hände“).

Es geht hier um das Thema Sterbehilfe („in ihrer dunklen Mission“) aus Erbarmen. Mitfühlend wird Nähe gesucht („zu ihm gebeugt“, noch einmal über die Stirn gestrichen, ein zarter Kuss gegeben (wobei Letzteres vielleicht doch eher für eine nähere Angehörige spricht.) Den Satz „da ging sie ihm besonders nah – unter die Haut“ lese ich so, dass dem Greis ein Gift gespritzt, eine tödliche Injektion verabreicht wird. Der Anfangssatz, der jetzt am Ende nochmals wiederholt wird, zeigt, dass der Alte beim Sterben die Mildtätigkeit zu schätzen weiß und ihm die Handelnde schön erscheint. Ich würde mir wünschen, dass diese Art von Sterbehilfe allgemein akzeptiert und rechtmäßig anerkannt wäre, um todkranken Menschen zu einem würdigen Tod zu verhelfen. "Löserin" = "Erlösung Bringende".

Ein bisschen gestolpert bin ich beim Lesen von V.4: „in ihrer dunklen Mission“. Man muss hier statt Miss-ion (der nach meinem Sprachempfinden und auch nach Duden üblichen Form) Miss-i-on lesen, um im Rhythmus zu bleiben. Ansonsten: Sehr schön! LG Irma

Kommentar geändert am 14.03.2018 um 15:32 Uhr

 monalisa ergänzte dazu am 15.03.18:
Wow, Irma, dankeschön, dass du dich so eingehend mit meinem Pantun beschäftigt hast. Deine Interpretation ist wie immer hervorragend. Ich hatte es ursprünglich nicht im Sinne von Sterbehilfe angelegt, aber das steht natürlich vordergründig im Raum.

Mein Ansatz war, dem Tod selbst ein anderes Gesicht zu geben als das übliche: Kapuzenmann mit Sense. Der Tod nicht als Schreckgespenst, sondern durchaus willkommen und ersehnt, als (Er-)lösung. Da war es für mich naheliegend dem schwerkranken alten Mann ein "Todin" zur Seite zu stellen. Bei meiner ehrenamtliche Tätigkeit im Alten/Pfegeheim konnte ich immer wieder beobachten, wie Schwerstkranke auf junge, hübsche Frauen immer noch überaus positiv reagieren.
"Ganz anders war sie ..." - Der Tod wird schließlich ganz anders erlebt als, als sich der alte Mann früher vorgestellt hat, als der gängige Vorstellung entspricht.

Dieses Betonungsproblem bei 'Mission' habe ich selbst gar nicht wahrgenommen, wahrscheinlich werden die Vokale auch regional etwas unterschiedlich mehr oder weniger 'verschliffen'. Denkst du, dass es den Fluss so sehr stört, dass man es austauschen sollte? Hier ein adäquates Wort zu finden wird aber schwierig, denke ich. Ich gestehe, dass ich an der Mission schon ziemlich hänge 😊.

Vielen Dank, Irma!
Liebe Grüße
mona
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