Wir anderen Viktorianerinnen

Erzählung zum Thema Romantik

von  toltec-head

ADJ  priggish | more priggish | most priggish 

priggish {adj} [snobbish]

eingebildet [snobistisch]
hochnäsig affektiert

priggish {adj}

selbstgefällig
moralinsauer [pej.] [auch hum.]

https://www.dict.cc/englisch-deutsch/priggish.html

Wort, das öfters in des Essays von Wilde auftaucht. Auf viktorianische Industriellengattinnen gemünzt, die sich in ihrer Freizeit zusammenrotten, um Ligen zur Abmilderung von Übeln wie Kinderarbeit, dem Alkoholmissbrauch von Minenarbeitern oder dem furchtbaren Schicksal von sich selbst in Manchester oder Bristol überlassenen armen Negern zu gründen, danach Nachhause gehen und Gedichte schreiben oder Blumenaquarelle malen.

Zur  Illustration hier drei Fotos:

[exturl= https://www.google.de/search?q=katrin+g%C3%B6ring-eckardt+plakat&hl=de&rlz=1T4SVEA_deDE426DE426&tbm=isch&source=iu&ictx=1&fir=ySAjVAS3-mcVpM%253A%252CNkYpFSzkV_hlTM%252C_&usg=__7GwN5VKwQZ7BC9F0NDg3jiJhFAY%3D&sa=X&ved=0ahUKEwiVibyLxPjbAhXLaVAKHTcfC5gQ9QEILDAB#imgrc=ySAjVAS3-mcVpM:]priggish[/exturl]

 more priggish

Die Arme beides Mal elegant in die Hüften gestützt. Was das wohl zu bedeuten hat? Genau: Die Arbeit machen die anderen!

 most priggish

Wahre Bedeutung der Raute? Lust, kaputt zu machen und verschwinden zu lassen, was andere aufgebaut haben und sich dafür als Hochschulprofessor für Dekonstruktion oder eben als Kanzlerin ein Staatsgehalt zahlen lassen.

***

Krise des Vers. Wir sind Zuschauer eines außergewöhnlichen Vorgangs, der in der Geschichte der gesamten Literatur einzigartig ist: jeder Dichter verzieht sich in seine kleine Ecke im Internet und spielt auf seiner ganz individuell gezimmerten Flöte eine zutiefst idiosynkratische Melodie; zum ersten Mal, seit Anbeginn, singen die Dichter nicht mehr von einem Rednerpult oder einer Kanzel herab. Bis jetzt brauchte man zur Instrumentalbegleitung seiner selbst  die großen Orgeln offizieller Metren, nicht wahr?  Nun ja, man hat zu viel auf ihnen gespielt, und jetzt ist man ermüdet.

Was statt dessen geschehen ist: Jeder ist auf seine kleine Ecke im Internet reduziert, statt der Situation gemäß zu improvisieren, gebrauchen aber feiste Tantchen oder ein Herr Grünbein einfach ganz dreist die großen Orgeln offizieller Metren weiterhin zu ihrer Selbstbegleitung, ohne sich darüber auch nur im geringsten Rechenschaft abzulegen, dass nicht nur das Medium, in dem sie schreiben, hierzu nunmehr wirklich überhaupt nicht mehr passt, sondern dass das laute Orgeln aufgrund ihrer rein inhaltlichen Armseligkeiten auch einfach nur lächerlich wirkt. Es hat sich nicht der Traum vom Nuba-Krieger verwirklicht, den man von weitem an seiner persönlichen Duftnote hört, wie er einen besuchen kommt, sondern wir sind Zuschauer des abscheulichen Spektakels von Angestelltenexistenzen und Rentnern, die sich gegenseitig  durch lautes Orgeln zu übertönen versuchen.

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