Blütendampfer nach Dewa Chen, aber vorher noch Wien

Kurzgeschichte zum Thema Unsterblichkeit

von  LotharAtzert

"Lassen Sie mich erzählen, wie es dazu kam, daß ich diese eigenartige Praxis mache", begann mein Gast nach einer Weile, die zuvor von Yogapraktiken handelte und fuhr fort: "Schon als ich davon hörte, war ich Feuer und Flamme. Der Gedanke, aus jedem Zwischenzustand zaubern zu können, gefiel mir so gut, daß ich einen von ihnen mehrfach aufsuchte, um die Ermächtigung für eine Praxis zu erhalten. Nicht irgendeines Bönpolamas, sondern einen, der die Lehre des Buddha über viele Inkarnationen befolgte: Mitgefühl mit allen Wesen und höchste befreiende Weisheit. Rinpoche gab uns, etwa hundert Personen in der Nähe von Kassel dann irgendwann die Initiation zu diesem Yoga vom kurzen Pfad, nachdem er ihn noch einmal ausführlich erläutert hatte.
Einige Dinge sind geheim, Herzstücke sozusagen, damit Unberufene ihn nicht willkürlich zu ihres Egos Gunsten "umarbeiten", um beispielsweise einen "erfolgreichen" Feinstoff-Superhero aufzubauen. In Internetzeiten ist so etwas wichtiger denn je. Aber um die Idee dahinter zu verstehen, kann ein Mitteilen des Restes nicht verkehrt sein. Wenn es aus einem Restaurant lecker duftet, ist das immer eine gute Werbung.
Die Idee hinter allem ist die Auflösung des illusorischen Egos und seines Leidens in Samsara, was die Überwindung von Leben und Tod einbezieht, - freiwerden von Kommen und Gehen - komme, was da wolle; und gehe in Frieden, was andere Ziele hat.

In der Andacht, die mit Atemübungen beginnt, die ich Ihnen vorhin ausführlich schilderte, und sich fortsetzt über Anrufung und Zuflucht zu Buddha, der Lehre und den Praktizierenden, gelangt man dann zum Kern: man ergründet den grundlosen tiefblauen Raum - kein Anfang hat er, kein Ende, keine Mitte, keinen Rand. Und doch streitet niemand jemals seine Wirklichkeit ab. In ihm oder aus ihm erhebt sich der äußerst subtile Ursache-Wirkungswind, der einen Raum im Raum kreiert, in dem er ihn umkreist und also eine leere Mitte erschafft. Wirkwind ist grün, wie  Wald, Baum, Blatt, Moos.
Und wo eine Mitte entsteht, ist ein Rand auf der abgewendeten Seite des Windes, als Emanation tropft sie heraus, an dessen äußeren Enden sich klares Wasseräther zum Umkreis sammelt, wo sich seitwärts wiederum rotes Feuer zum Antrieb vergnügt und sein verbranntes Außen zum gelben Erdelement wird.
In einem nächsten Akt senden wir aus dem Herzen Licht zum Fünfelementering, der davon aktiviert wird, ein jedes Element in seiner Eigenart, zusammen zum transparenten Regenbogenkörper. Diesen opfern wir dem Buddha, der sich darauf ins weisses Licht auflöst, welches von unserem Herzen aufgenommen wird - unsere eigene Buddhanatur.

Wie das dann weiter geht, also da müssen Sie sich zu meinem Lehrer aufmachen, ich bin nur ein Wegweiser, der die Richtung zeigt und habe selbst keinerlei Ermächtigung zur Initiation. Sowieso hab ich Ihnen viel zuviel preisgegeben, doch aus Mitgefühl und nicht wegen eines Zugewinns an Achtung. Der Meister ist schon immer ganz nah. Nein, noch näher. Alles durchdringend ist die Präsenz.

Nach diesen Worten versank er in tiefes Schweigen. Auch ich schwieg, aus Ehrerbietung vor der Aura, die ihn umgab. Und als ich irgendwann die Augen wieder öffnete, war er nicht mehr da. Das war eine Demonstration von Siddhi - magischer Kraft.
Und nun sitze ich und würde so gern den Rest diesesr Praxis von der Überführung des Bewußtseins in den Wahrheutszustand hören, die er als "Dharmakaya-Phowa" bezeichnet hatte.
Ich habe diesen seltsamen Gast leider nie wieder getroffen.
Es ist spät geworden, Trink aus, wir sind gleich da, ich will abschließen.


Anmerkung von LotharAtzert:

 Moria Chappell "Bones & Sinew"

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Kommentare zu diesem Text

Hannah (72)
(08.10.19)
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 LotharAtzert meinte dazu am 08.10.19:
Ich war doch der zweite Gast und lauschte dem Kapitän. In solchen Kreisen pflegt man eher die ausgestreckten Hände vor dem Herzen zusammenzulegen und sich zu verneigen.

Dankesgruß
Lothar

(Das mit dem Anklopfen ist in Beethovens 5. Symphonie)

Antwort geändert am 08.10.2019 um 10:54 Uhr

 Regina (08.10.19)
Hübsche orientalische Geisteswelt. LG Gina

 LotharAtzert antwortete darauf am 08.10.19:
Nicht mehr lange. Der Dharma ist in Europa angekommen.
Kassel war nur eine erste Station.

Danke und dir ein langes Leben
Lothar
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