woher das Blau

Gedicht

von  juttavon

Gegenwart ungefragt
ist Licht und Gegenstand
zart flügelzart

das Blau dringt ein
gibt sich auf
ein Engel wartet
kein Blick kein Mienenspiel

das Blau hebt uns auf
löst uns
bewahrt
erhebt
ein Himmel der geboren ist

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Kommentare zu diesem Text


 Perry (12.10.19)
Hallo Jutta,
Blau steht ja für einiges, wie Treue, Kühle, Reinheit und Tiefe aber auch wie in deinem Text für Spiritualität.
Gern Gelesen und LG
Manfred

 juttavon meinte dazu am 19.10.19:
Danke, Manfred, das freut mich.
HG Jutta
Agneta (62)
(12.10.19)
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 juttavon antwortete darauf am 19.10.19:
Eine stimmige Konnotation. Danke!

HG Jutta

 AchterZwerg (12.10.19)
Ebenso wie Agneta ist mir sofort das Meer eingefallen. :) -
An einem schönen Tag zerfließt der Horizont, Himmel und Ozean werden eins.

Gruß
der8.

 juttavon schrieb daraufhin am 19.10.19:
Das freut mich. Danke.

HG Jutta

 BeBa (12.10.19)
Hallo Jutta,

auch ich sehe hier einen spirituellen Text, in den ich mich vermutlich nicht völlig hinein versenken kann.
Aber Blau, zumindest das dunkle, ist meine Lieblingsfarbe. Und wo ist dieses Blau lebendiger, packender und schöner als am Meer, wenn das Blau das Wassers zusammenfließt mit dem des Horizonts (wenn das Wetter es erlaubt).
Dieses Bild habe ich vor allem vor mir, wenn ich deinen Text lese. Und ich habe ihn gern gelesen.

LG
BeBa

 juttavon äußerte darauf am 19.10.19:
Danke! - Ja, das Meer und sein Blau... !

HG Jutta

 Habakuk (16.10.19)
Liebe Jutta,

ein spirituelles Gedicht, ich könnte mich auch auf die Physik oder Philosophie berufen, das Ergebnis wäre das Gleiche.
Die Natur von allem ist energetisch-geistig.“. Dem Grundsatz folgend ist Materie im Grunde reine Illusion. Aber wer möchte schon in einer Illusionsblase leben.

„Gegenwart ungefragt / ist Licht und Gegenstand“.

Zwischen diesen beiden Begriffen, Licht/Geist/Energie und Materie/Gegenstand, findet dein Gedicht m. E. statt.
Max Planck, Wegbereiter der Quantenphysik, bekundete bereits 1944 in einem Vortrag über "Das Wesen der Materie": "Als Physiker sage ich Ihnen nach meinen Erforschungen des Atoms: Es gibt keine Materie an sich. Alle Materie entsteht und besteht nur durch die eigene Kraft, welche die Atomteilchen in Schwingung bringt und sie zum winzigsten Sonnensystem des Atoms zusammenhält. Wir müssen hinter dieser Kraft einen bewussten intelligenten Geist annehmen. Dieser Geist ist der Urgrund aller Materie. Nicht die sichtbare, vergängliche Materie ist das Wahre. Da es aber Geist an sich alleine ebenfalls nicht geben kann, sondern jeder Geist einem Wesen gehört, müssen wir zwingend Geistwesen annehmen."
Nach Hans-Peter Dürr, gleichfalls ein wegweisender Quantenphysiker, sind Materie und Energie geronnener, erstarrter Geist. Wir seien ein Meer, das selbst nicht materiell sei, aber die Wellen auf diesem Meer, darauf türme sich die Materie wie die Schlacke des Geistes.
Werner Heisenberg könnte ich u. a. anführen, ebenso Einstein, usw. Die Philosophen Fichte, Schelling, Hegel seien noch erwähnt. Wen wundert, dass all dies im Kern schon in der indischen Brahman-Atman Lehre vorweggenommen wurde.
Im Folgenden werde ich das Augenmerk auf die Stilistik legen und mich einer weiteren Interpretation der Verse enthalten. Sie sprechen für sich.

Auffallend die häufigen Alliterationen, Assonanzen und Konsonanzen in deinem Gedicht, explizit in den Versen der ersten Strophe, aber in den folgenden Versen gleichfalls. Ich werde an dieser Stelle nicht jeden Einzelfall anführen, da ich unterstelle, dass der geneigte Leser mit diesen Begriffen etwas anzufangen vermag.
Stilistisch erwähnenswert auch der dritte Vers der ersten Strophe: „zart flügelzart“. Ob ich nun in diesem Zusammenhang das Stilmittel „Repetitio“, „Hyperbel“ oder aber „Epitheton“ als semantisch redundantes Beiwort mit rein schmückender Funktion und insofern als reine Wiederholungsfigur aufzufassen, durch die der Wortsinn nicht erweitert, sondern lediglich akzentuiert wird, anführen sollte, darf jeder für sich entscheiden.

„kein Blick kein Minenspiel“.

Eine Anapher, ein rhetorisches Stilmittel; sie bezeichnet die einmalige oder mehrfache Wiederholung eines Wortes oder einer Wortgruppe am Anfang aufeinander folgender Verse, Strophen, Sätze oder Satzteile. So dient sie der Rhythmisierung, aber auch der Verstärkung.

„das Blau dringt ein /gibt sich auf“.

Hier erkenne ich das Stilmittel „Epiphrase“, bei der ein syntaktisch bereits vollständiger Satz einen Nachtrag in Form eines Wortes oder einer Wortgruppe erhält.

„das Blau hebt uns auf / löst uns / bewahrt / erhebt / ein Himmel der geboren ist.“

In diesem Versen erkenne ich ebenfalls das Stilmittel „Epiphrase“, bereits oben erwähnt.
Ich könnte aber auch das Stilmittel „Asyndeton“ heranziehen, eine rhetorische Figur aus der Gruppe der Wortverbindungen. Hierbei wird die eigentlich zu erwartende Konjunktion weggelassen. Die ohne Konjunktion aufgereihten Wörter oder Satzteile sind grammatikalisch und inhaltlich gleichgestellt und nicht gesteigert. Sehe ich zumindest so. Muss ja nicht jeder so sehen.

„ein Himmel der geboren ist.“ In diesem Abschlussvers sehe ich „Metonymie“, eine rhetorische Stilfigur, bei der ein sprachlicher Ausdruck nicht in seiner eigentlichen wörtlichen Bedeutung, sondern in einem nichtwörtlichen, übertragenen Sinn gebraucht wird.

Klingt jetzt alles reichlich „technokratisch“ und weit hergeholt an, liebe Jutta. Aber ich erinnere mich noch gut daran, als die Sonne sich um die Erde drehte. Nun ja, meinem Alter geschuldet. Ich hätte natürlich auch kurz und bündig in der mir ab und an zu eigen seienden sarkastischen Art schreiben können: „Zart, flügelzart umfängt uns die Illusion dermaßen, dass wir uns wohl darin fühlen und sie ums Verrecken nicht aus der Hand legen wollen. Schön. Gefällt mir.“

Das wäre aber deinen Versen nun wahrlich nicht gerecht geworden.

HG
H.




Kommentar geändert am 16.10.2019 um 08:19 Uhr

Kommentar geändert am 16.10.2019 um 08:36 Uhr

 juttavon ergänzte dazu am 19.10.19:
Danke Dir, lieber H., für Deinen reichen Kommentar.

Das Spiel mit der Illusion macht diese erträglicher, oder? Und im Spiel steckt Bewusstheit.

"Licht und Gegenstand" - auch unser Erkennen ist (nur) Abbild und das Leben ein Tanz zwischen Widersprüchen...; da schließen sich kulturelle Kreise von Dürr bis zu den alten indischen Weisen. Schön, dass Du diesen Horizont ansprichst.

HG Jutta

 Teichhüpfer (16.10.19)
Gefallt mir auch, ich dachte gerade, das ganze Leben ist ein abgeholzter Baum auf einer endlosen Wolken gefärbter Fläche.

 juttavon meinte dazu am 19.10.19:
Danke Dir, das freut mich.

HG Jutta
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