Ein Heiligabend

Text zum Thema Glaube

von  Fridolin

Wie in den meisten Familien gab es auch bei uns eine klassische Zweiteilung von „Heiligabend“.  Zunächst wurde eine gemeinsame Mahlzeit eingenommen, und nach Beseitigung aller Spuren davon konnte das Glöckchen geläutet werden, das den Beginn der Feierlichkeiten signalisierte. Quasi die Kleinausgabe der Kirchenglocken.
Unverzichtbares Element vor jedem näheren Kontakt mit welchen Geschenken auch immer stellte dann aber das Absingen mehrerer einschlägiger Lieder dar, was sich in unserer Familie mit den Jahren immer schwieriger gestaltete, da sich außer meiner Mutter niemand so recht als talentiert in diesem Felde empfand. Mehr oder weniger ersatzweise führte sie dann die Lesung des Johannesevangeliums ein. Dessen erste Worte lauteten wie folgt:
          "Am Anfang war das Wort,
          und das Wort war bei Gott,
          und Gott war das Wort."
Irgendwie brachte ich das nicht auf die Reihe. Die erste Zeile schien mir ganz vernünftig, klar, vieles fängt mit reden an. Aber wenn darin tatsächlich Gott steckte, wenn er das Wort war, wie Zeile drei behauptete, was sollte die zweite Zeile dann bedeuten? Warum musste man das betonen, dass er bei sich war? War das vielleicht auch manchmal anders, wie man ja manchmal die Handlungen eines Menschen, der sich seltsam benahm, damit entschuldigte, er sei nicht ganz bei sich gewesen? Oder drastischer; er sei „von Sinnen“ gewesen. Das passte so gar nicht zu dem, was man mir sonst über Gott erzählt hatte.

So wurde dieser Dreizeiler mit den Jahren einerseits ein interessanter Grundpfeiler meiner Gottesvorstellung; ganz sicher war ja Sprache etwas höchst Bedeutsames, um nicht zu sagen Göttliches im Leben. Andererseits war da aber auch gleich Anlass, am Glauben zu zweifeln. Ist man da vielleicht nicht ganz bei Trost dabei?
Die Jahre gingen dahin.
Und mit den Jahren wurde daraus: Gott ist ja letztlich nur ein Wort. Ein Wort, von dem die Menschheit zwar regen Gebrauch macht, aber zu höchst unterschiedlichen Zwecken. Man müsste das mal systematisieren etwa in dem Stil, wie Willibald in „Gott kümmert sich“ das macht ...


Anmerkung von Fridolin:

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Kommentare zu diesem Text


 LotharAtzert (10.11.21)
Da haben wir einiges gemeinsam. Vor dem Geschenke auspacken stand das Weihnachtslieder singen. Ich hasste das, weil ich zu dem Zeitpunkt (ich war da etwa 6 Jahre alt) meine Stimme unschön und die Texte als zu sentimental fand. Also bewegte ich nur die Lippen und tat, als sänge ich.
Und was machte mein Vater? - Er hielt sein Ohr vor meinen Mund und sagt dann: "Wer nicht singt, kriegt auch keine Geschenke". So ist auch heute noch "Heiligabend" für mich mit unangenehmen Erinnerungen voller Zwänge besetzt.

Das "Wort" verstehe ich als Ursprung zur Bestimmung in der Zeit. Vor aller Zeit (am Anfang) war alles noch unbestimmt und eins mit Gott.
Aber ich bin ja, als Buddhist, nur wenig bewandert in Bibelworten.

Gruß
Lothar

 Fridolin meinte dazu am 18.11.21:
Danke für die Geschichte.
Und auch einen Gruß von mir

 Willibald (17.11.21)
Eine schöne Impression, habe einen Jesuiten erfunden, der möglichst clever und nicht dumm seine Punkte mit finetuning und Logos machen will.

 Bluebird antwortete darauf am 30.11.21 um 21:19:
Gott ist mehr als nur ein Wort:  Von Wundern und dem wahren Gott
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