Erich Fromm: Haben oder Sein
Limerick zum Thema Lebensbetrachtung
von Terminator
Kommentare zu diesem Text
Wenn ich mich recht erinnere (ist schon eine Weile her), nimmt Hegel mit bedenkenswerten Argumenten für das Haben Stellung. Irgendsoetwas wie erscheinendes Wesen oder das Für-andere-Werden des An-sich-Seins. Jedenfalls hält er es für falsch, das Haben isoliert vom Sein zu sehen. Ein Wohlstandsbürger ist ein Wohlstandsbürger, ein Gelehrter mit einer großen Bibliothek ist ein Gelehrter. Und selbst Diogenes von Sinope ist charakterisiert durch das Haben - im Modus der Negation.
Ja, die Dialektik ...
Ja, die Dialektik ...
Ich bin ja mit meinen Inglehart-Verweis noch radikaler: erst im Wohlstand hat man die Wahl, eine Entscheidung für das Sein zu treffen. Vorher will man erstmal haben, vor allem was zu essen, ein Dach über dem Kopf usw.
Besitz und Bildung scheint mir, kann eine Einheit bilden: Im Mann ohne Eigenschaften von Robert Musil ist dieses Thema hervorragend herausgearbeitet; siehe die Kapitel mit der Figur Paul Arnheims (Walther Rathenau war Musils Vorlage).
So wird Fromm oft verkürzt wiedergegenen: Besitz oder Bildung. Aber er macht ja selbst eine Dichotomie auf: Freude oder Vergnügen. Das Haben vergnügt kurz, das Sein ist die Quelle der währenden Freude. Die Verführung, das Nichthaben zu etwas besserem, zum Sein, zu verklären, ist für Habenichtse (for obvious reasons) und Professoren (hohes kulturelles Kapital, aber nur mittleres Einkommen/Vermögen) immer vorhanden.
Die, welche sich für das Haben entschieden haben, versuchen immer wieder zu erklären, dass es nötig sei, um glücklich zu sein. Einsichten, wie man das Haben auf das Notwendige begrenzen kann, können glücklich machen.
Es gilt aber, so Fromms Aussage, in der kapitalistischen Gesellschaft: "Du bist, was du hast". Insofern ist der Kapitalismus ein Existentialismus: wir sind nichts, aber wir können etwas haben (d. h. uns frei für das Haben entscheiden, und uns über das, was wir haben, definieren).