Das Chthonische II: Formlosigkeit

Betrachtung zum Thema Horror

von  Terminator

Je höher das Lebewesen, umso klarer die Form. Damit steigt auch der Grad der Schönheit. Säugetiere sind am Schönsten, allerlei Formloses im Tierreich löst Ekel aus. Das kontradiktorische Gegenteil des Schönen ist das Ekelhafte, nicht das Hässliche. So gibt es das eine oder andere hässliche Reptil, das durch seine bizarre Form begeistert. Der Wurm, der Darmparasit, der Schleimpilz sind nur eklig.


Die Phantasie muss beim real Existierenden nicht aufhören, und so haben die Buddhisten ihre Hungergeister und Höllenwesen und wir unseren geschätzten H. P. Lovecraft. Seine und von ihm beeinflusste Phantasiewesen treiben das Grauen der Formlosigkeit auf die Spitze: lebende tote Masse, strukturlos wächst alles von überall; Fleisch, Schleim, Tentakel. Das Ding aus einer anderen Welt (1982) vollendet das Prinzip des Formlosen, das horribelstenfalls jede Form annehmen kann.


Aus der Sicht der neuplatonischen Emanationslehre oder der dharmischen Weltanschauung befindet sich der formlose Bereich karmisch so weit unten, dass ihm das Annehmen fester Formen nicht möglich ist. Und so entstehen Monstrositäten, die sich gewaltsam in Dreck und in Totem materialisieren.


Materie ohne Form ist im ästhetischen, nicht physikalischen Sinne, degenerierte Materie, wobei das Prinzip gleich ist: beliebige Dichte und Schwere. So atmen die unterirdischen Wesenheiten den Erdmantel wie wir die Luft. Sie sind so schrecklich, dass sogar am Hintereingang der Hölle noch Wachen stehen, die die Verdammten in der Hölle vor den chthonischen Monstern schützen. Was lockt den Menschen am Chthonischen? Träger welche Karma-Zustände werden von Cthulhu heim ins Reich geholt?


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Kommentare zu diesem Text

Taina (39)
(08.08.22, 08:46)
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 Terminator meinte dazu am 08.08.22 um 21:39:
Das ist die Kulturaufgabe des Mythos: Das unsagbar Schreckliche in der Fiktion zu verwahren.

 LotharAtzert (08.08.22, 09:45)
Keine Kritik, nur Ergänzung:
Buddha spricht auch von den formlosen Göttern, welche auf keiner niedrigen Stufe "stehen", sondern einfach keinen Bock auf Verkörperung und deren Folgen haben.

 Terminator antwortete darauf am 08.08.22 um 21:38:
Wichtiger Punkt! Chthonisch ist die verkörperte (sich gewaltsam verkörpernde) Formlosigkeit. Reine Form ohne Materie ist zwar nicht verkörpert, aber nicht deswegen formlos.

 Regina (08.08.22, 14:34)
Das mit den Stufen ist so eine Sache, die man anzweifeln könnte. Sehr schön stellen sich doch die farbigen Edelsteine dar. In der Meditation steckt in ihnen ein hochstehendes, reines Engelwesen, wo sie als dem Mineralreich angehörend doch auf unterster Entwicklungsstufe stehen. Dann das Pflanzenreich, da gibt es doch auch sehr viel Schönheit und sogar Heilkraft, auf der anderen Seite heimtückisches Gift. Die Tiere, hm, manchmal verhält sich der Mensch ethisch-moralisch so, als stünde er unter dem Tier. Der Mensch, ja, schwingt er sich nun auf in Richtung Gott oder nicht? Schöner Mensch heißt auch nicht dasselbe wie guter Mensch. Also da bleiben viele Fragen offen.

Kommentar geändert am 08.08.2022 um 14:35 Uhr

 Terminator schrieb daraufhin am 08.08.22 um 21:41:
Der Mensch kann sicherlich noch unter das Tier fallen (moralisch). Aber karmisch ist die Geburt als Mensch nunmal wertvoller als als Tier geboren zu werden.

Im Dharma gibt es eine klare Hierarchie; die sechs Bereiche im Buddhismus sind hierarchisch geordnet.

Zum Schönen und Guten muss auch an Nietzsche gedacht werden. "Gut" sollte nicht nur im asketischen Sinne interpretiert werden (Selbstaufopferung, Entsagung usw.), sondern auch im Sinne der Vortrefflichkeit.

Antwort geändert am 08.08.2022 um 21:43 Uhr

 harzgebirgler (09.08.22, 08:50)
auch teleologie spielt da mit rein
denn die gestalt kann vorbestimmt schon sein.
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