Die Pubertät war überstanden. Meine Hirnanhangdrüse sandte regelmäßig und zuverlässig hormonelle Signale in die dafür zuständigen Organe, um Testosteron ins Blut zu transferieren. Meine alleinerziehende Mutter sagte:
„Jetzt bist du groß und kannst vernünftig werden.“
In ihrer Stimme lag eine gewisse Schärfe, die vermuten ließ als wäre das ein ehernes Gesetz, das unbedingt eingehalten werden musste. Von wegen „Du kannst.“ Ich musste! Dabei hatte ich mich gerade in meine Klassenkameradin Estella verliebt. Ich glaubte zu spüren, dass sie auch für mich etwas übrig hatte.
Estella war ein großes brünettes Mädel, etwas breitschultrig, eher wie ein Junge in meinem Alter. Sie hatte hellgrüne Augen mit braunen Sprengseln in der Iris und Aquarellspuren von Traurigkeit darin. Sie war beliebt bei den Jungs meiner Klasse, vor allem auch wegen ihrer Sportlichkeit und Fairness, und wurde bei all´ den Dingen, die sie tat, umlagert. Ich galt als schüchtern, doch in diesem Fall wusste ich, dass es geschehen musste. Ihre sinnliche, aber unlenkbare Mädchenhaftigkeit spornte mich an, sie zu erobern. Und es geschah.
Eines schönen Sommertages hatten wir uns zu einem Spaziergang im nahegelegenen Wald unseres kleinen Städtchens verabredet, um gegenseitig Vokabeln für den morgigen Englischtest abzuhören. Das erledigten wir schnell und schmerzlos, denn wir waren gute Lerner in Sprachen.
Als wir in der Sonne auf der weichen Decke, die Estella in ihrem Rucksack mitgebracht hatte, saßen, erlebte ich zum ersten Mal das Gemisch aus Erregung, Verliebtsein und Verlangen, wonach ich im späteren Leben immer wieder gesucht habe. Estella hatte kleine feste Brüste, die auf ihrem fliederfarbenen T-Shirt klare Konturen zeichneten, so dass ich meinen Blick nicht entlassen konnte. Ihr entging das nicht. Ein unerklärliches Lächeln versuchte sie mit ihren Augen zu unterdrücken, doch es gelang nicht. Sie vermittelte plötzlich das sichere Wissen, dass ich ganz in Ordnung sei, wobei ihr Körper damit kaum etwas zu tun hatte. Ich spürte ihre Seele, die mich anstrahlte, genauso wie ihre Augen aufleuchteten.
Unsere Körper öffneten sich und wir taten es.
Bei Sonnenuntergang gingen wir schweigend Hand in Hand zurück in unser Städtchen.
Der Sommer wurde eine Folge sinnlicher Strudel, die wir vor der Außenwelt geheim halten konnten. In Worte waren sie nicht zu fassen, denn ein völlig neues Vokabular wäre dazu notwendig gewesen. Ich hatte nicht die leiseste Ahnung, weder auf Deutsch, noch auf Englisch, wie es hätte aussehen können. Körper-Seelensprache wäre wohl der treffendste Ausdruck für das Ping-Pong unserer Austauschvorgänge gewesen. Ich spürte nur, dass ich bei jeder Begegnung etwas Neues entdeckte, was mich rührte, erregte oder faszinierte. Die sanfte Linie ihrer Hüfte, die vorwitzigen, absurd schönen Schlüsselbeine, die zarten, fast durchsichtigen Härchen in ihren Achselhöhlen und die Straffheit ihrer Pobacken. Und die erigierten Brustwarzen, die sich wie aufmüpfige Rosinen, die wieder zu großen ursprünglichen Weintrauben werden wollten, erhoben, wenn ich sie zart streichelte. Und nicht zu vergessen ihre betäubend nach Vanille duftende Haut.
Nach diesem Ausflug in den Sommer der ersten Liebe wurden Frauen zu Sternen meiner Obsession, zum eigentlichen Wesen der Dinge, wie die Erde, die sich um die Sonne dreht.