meist erhasche ich einen zipfel ruhe
in den dämmrigen nischen sind kleine nester noch
aus weihrauch, kerzen flackern auf versteckten tischen,
vielleicht auch ein gemurmeltes vaterunser,
und das dunkel tut nicht weh, irgendwo von oben
stürzt sich ein heiligengesicht auf mich und man friert
im winter, und doch kann ich mich auskoppeln
für eine sekunde oder eine minute, bis
der lärm des tages und mein kreuz mich wieder hat,
jesus geht seinen kreuzweg wie er ihn vor
zweitausend jahren begann und vielleicht ist er
irgendwo angekommen, ich bin es nicht, ich nicht,
ich trete hinaus und das heute hat mich wieder,
ich weiß es wird einmal ein wunder geschehen,
aber nicht in diesem leben, in meinem leben,
ich weiß, er liebt mich und wenn es das ist,
was mich am leben erhält, dann ist es er, den ich liebe,
aber ich trete hinaus und der tag und die woche
haben mich wieder, der bettler aus osteuropa
vor galeria kaufhof, der so freundlich guten tag sagt,
und der asphalt, die autos, die werbeslogans,
dieses leben, das immer künstlicher wird, diese
künstliche freude, diese künstliche intelligenz,
diese sintfluten an apps, an klicks, an dauerreizen,
der hauptbahnhof, die menschenmassen wie kleine
roboter, verwundbarer wie frisch gefallener schnee,
diese warenhausketten, diese vermüllten seitenstraßen,
dieses zugepisste bahnhofsklo, diese anzeigetafeln,
dieses blitzlichtgewitter, das eigentlich nur nacht erzeugt,
alles umarmt mich und zielt auf mich und greift nach
dem in mir, das am verwundbarsten ist, das alles
verscheucht das wesentliche, es sucht mein herz
oder meine seele oder was immer in mir ist, was wahr
und lebendig ist, und setzt an mit einem radiergummi
um alle liebeserklärungen dieser welt zu tilgen,
und darum bin ich diese eine sekunde bei diesem
fernen gott, imagination, unsichtbar für alle zeiten,
bis irgendwann einmal ein wunder geschieht,
weil sonst nichts wäre, und alles umsonst