Opa

Kurzgeschichte zum Thema Liebe und Vertrauen

von  Krakel

 

Mein Opa war ein stiller Mann, in sich gekehrt. So wie ich. Aber mit mir sprach er und wurde mir zur Leitfigur.

Meinen Vater kannte ich nämlich nicht, weshalb Opa oftmals meine Mutter anpolterte: Wenn ich den in die Finger kriege, breche ich ihm alle Knochen! Da war ich sechs. Und ziemlich erschrocken.

Ein Mann muss seine Fäuste gebrauchen, um ein Mann zu sein! bekräftigte er.

Ich vergaß es nie. Stellte aber fest, dass ich meine Fäuste nicht gebrauchen konnte. Scheute mich, mich zu prügeln. Ich war nicht so wie Opa und hatte Angst, deshalb seine Zuneigung zu verlieren. Mutter sagte: Du bist genau so richtig wie du bist. Ich atmete auf, würde also doch wahrscheinlich ein Mann aus mir werden. Opa schalt Mutter: Du machst aus dem Jungen ja eine Schwuchtel. Und ich wusste, dass das etwas Schlimmes war, denn das benutzten viele auf dem Schulhof als Schimpfwort.

Mit zehn schenkte er mir die Hündin, die ich mir so sehr wünschte. Eine niedliche, winzige Promenadenmischung, die zu einem riesigen, am ehesten Collie, heranwuchs. Jetzt hast du eine Lessie, die dich beschützt, sagte er und tippte mir auf die Nase.

Und irgendwann war Opa uralt. All die Jahre hatte er zu mir gestanden. Stundenlang Monopoly mit mir gespielt, wenn Mama arbeiten musste, Fußball und Holzschwerter-Fechten. Er hatte mir beigebracht, wie man sich rasiert und wie man mit Mädchen flirtet. Und das alles, obwohl ich mich nicht ein einziges Mal geprügelt hatte!

Mit dreißig traute ich mich, ihm zu sagen: Opa, ich bin immer gut ohne Schlägerei ausgekommen und bin dennoch verheiratet und bekomme bald einen Sohn. Opa lächelte und nickte anerkennend. Junge, brummte er, ich habe so oft Schläge von meinem Alten bekommen - ich kannte es eben nicht anders. Du hast nicht mal eine Ohrfeige kassiert. Und das war gut so.

Als Opa mit neunzig starb, heulte ich mir die Augen aus dem Kopf. Heimlich. Denn ein Mann weint nicht in der Öffentlichkeit, hatte Opa immer gesagt.

 



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Kommentare zu diesem Text


 EkkehartMittelberg (22.04.24, 16:55)
Eine Kurzgeschichte, in der vom Knochen brechen die Rede ist. Gleichwohl ist sie sehr zärtlich.
Gruß
Ekki

 Krakel meinte dazu am 23.04.24 um 14:31:
nicht immer ist jeder wie er wirkt...Danke. Es grüßt Krakel

 Moja (22.04.24, 17:35)
Gefällt mir sehr, wie es geschrieben ist, Krakel, voll aus dem Leben, berührend. 
Gruß, Moja

 Krakel antwortete darauf am 23.04.24 um 14:32:
ja, so war er , mein Opa. Danke. Es grüßt Krakel

Antwort geändert am 23.04.2024 um 14:36 Uhr

 harzgebirgler (22.04.24, 18:51)
toll erzählt! :D

 Krakel schrieb daraufhin am 23.04.24 um 14:34:
Danke! Ich bin ganz überrascht von der Reaktion hier zu meiner kleinen Anekdote. Motiviert mich doch, weiter zu schreiben.
Es grüßt Krakel

Antwort geändert am 23.04.2024 um 14:36 Uhr

 AchterZwerg (23.04.24, 07:28)
Sehr anrührend! <3

 Krakel äußerte darauf am 23.04.24 um 14:35:
danke. Es grüßt Krakel

 Krakel ergänzte dazu am 23.04.24 um 14:36:
Danke an euch alle für die Empfehlungen, die ich nicht erwartet hätte.

 Judas (23.04.24, 20:22)
Gute Kurzgeschichte. Gefällt.
Einzig die Doppelung von "Er hatte mir beigebracht, wie man sich rasiert und wie man mit Mädchen flirtet." - war die gewollt?

 Krakel meinte dazu am 24.04.24 um 14:07:
warum fragst du?

 Judas meinte dazu am 24.04.24 um 17:42:
Weil es sich wie eine ungewollte Dopplung liest, nicht wie eine gewollte. Kann also sein, dass dir da einfach ein Fehler passiert ist. War es aber Absicht, find ich die Dopplung hier etwas unpassend.

 Agnetia meinte dazu am 24.04.24 um 22:48:
ach so Judas, wer scheibt denn unbewusst... ? Also, ich nie. ;)
Die Geschichte ist gut geschrieben, finde ich.

Antwort geändert am 24.04.2024 um 22:50 Uhr

 Krakel meinte dazu am 25.04.24 um 10:11:
was meinst du mit Doppelung? Es ist eine Aufzählung

 Judas meinte dazu am 25.04.24 um 12:07:
Ach Agnetia... seufz.
Der Satz. Der Satz kommt doppelt im Text vor.


Er hatte mir beigebracht, wie man sich rasiert und wie man mit Mädchen flirtet.Und irgendwann war Opa uralt. All die Jahre hatte er zu mir gestanden. Stundenlang Monopoly mit mir gespielt, wenn Mama arbeiten musste, Fußball und Holzschwerter-Fechten. Er hatte mir beigebracht, wie man sich rasiert und wie man mit Mädchen flirtet.

Antwort geändert am 25.04.2024 um 12:08 Uhr

 Agnetia meinte dazu am 25.04.24 um 13:14:
ups-stimmt, Judas. Habe ich nicht gesehen.  ;) ja, da sollte Krakel eines rausnehmen.

 Krakel meinte dazu am 25.04.24 um 14:18:
das ist peinlich. :( Ich habe wohl vergessen, meine Korrektur vom Blatt zu übertragen und die Kritik von Judas auf die "Und- Aufzählung " bezogen. Hab es nun bereinigt.
Hat aber sonst niemand gesehen ;) 
Danke Judas. Es grüßt Krakel

 Judas meinte dazu am 25.04.24 um 22:03:
Ich les halt aufmerksam :p
gern geschehen :)

 Saira (23.04.24, 23:42)
Hallo Krakel,

deine Kurzgeschichte zeigt, dass Kinder sehr stark von ihrem engeren Umfeld geprägt werden. Das kann gut aber auch schlecht sein. Wichtig ist, dass man in der Lage ist, seine eigene Persönlichkeit zu entwickeln und das ist dir offenbar sehr gut gelungen!

Liebe Grüße
Sigrun

 Krakel meinte dazu am 24.04.24 um 14:08:
das ist richtig, seine eigene Persönlichkeit zu entwickeln, das ist die Basis fürs Leben. Danke, es grüßt Krakel

 lugarex (24.04.24, 07:36)
super!

gruss luga

 Krakel meinte dazu am 24.04.24 um 14:09:
danke :D  es grüßt Krakel

 Dieter_Rotmund (28.04.24, 10:21)

 Opa, ich bin immer gut ohne Schlägerei ausgekommen und bin dennoch verheiratet und bekomme bald einen Sohn.



Verwegener Kausalzusammenhang!
Ich hatte noch nie eine Anzeige wegen Falschparkens und bin dennoch Briefmarkensammler und meine Frau hat sich ein chinesisches Teeservice gekauft!

 Krakel meinte dazu am 28.04.24 um 10:54:
im Gesamtkontext ist es nicht verwegen, Dieter Rotmund. Man müsste es halt verstehen :D  Es grüßt Krakel
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