Reis

Text

von  Mondscheinsonate

Reiskochen erinnert mich immer an meine Kindheit. Als ich krank im Bett lag, kochte die Mama den Reis, nahm den Topf vom Herd, wickelte ihn in ein Handtuch ein und steckte ihn unter die Decke zu meinen Füßen, das wärmte. "Der Reis muss ziehen," sagte sie. 

Mit dem "Päckchenreis" ging die Kunst des Reiskochens verloren, aber heute gibt es offenen Wildreis, er zieht, aber mit Deckel auf dem Topf am Herd. 

Heute bin ich überhaupt sensibel, der Krebs ist bei dem Mann meiner Freundin wieder ausgebrochen und ich musste unwillkürlich an die verblödeten Trinksprüche der Primitiven denken:"Prostata!"

Bei Trost fehlen mir die Worte. 

Ich glaube, das ist etwas, das man lernen muss, bei uns gab es das nie - Trost - das kannten sie nicht. Es gab nie Trost:"Du hast dir weh getan? Warum bist du so bescheuert?" - "Liebeskummer? Ah geh, der hat dich verlassen, weil du so bist wie du bist!"

Wenn ich eines habe, dann Beziehungen, wir strickten uns alle ein enges Netzwerk. Ich schickte meiner Freundin die Kontaktdaten einer der besten Urologen Österreichs. "Sag ihm schöne Grüße!"

Trost gibt es nicht, stets nur Hilfestellungen, ich weiß sonst nicht, was ich machen soll. 

Ich habe Reis für eine ganze Kompanie gemacht, das sagte der Großvater immer. Tatsächlich. Manchmal koche ich noch für Zwei. Ich habe mir das niemals abgewöhnt. Vielleicht tröstet mich das.

Während ich esse, sehe ich zu dem Regal mir gegenüber. Da stehen neue Grabkerzen, die waren in Aktion. Der Tod bringt Veränderung mit sich. Was bleibt, das ist eine Lücke. 

Ich habe verlassen, es ist kein Verlust. Ich wurde nicht gespürt. Der Reis ist allerdings schön warm, immerhin. 

Die Mutter war stets nüchtern, wenn ich krank war, dann gab es nicht nur Reis, sondern auch Essigpatscherln. Die habe ich letztens meiner Schwester gemacht, das Fieber sank. 

Es ist schrecklich, wenn man sich nicht verabschieden kann. 

Zurück zur Tagesordnung, die Kriminologie steht am Programm: "Delinquentes Verhalten ist erlerntes Verhalten." 

Manche und manches waren und sind wirklich Scheiße, trotz Reis, der ist gut. 


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Kommentare zu diesem Text


 AchterZwerg (23.04.24, 17:00)
"Essigpatscherln" hören sich jetzt nicht sonderlich begehrenswert an, aber scheinen in deinem Fall doch ein Zeichen liebevoller Zuwendung zu sein.
Gestern schlug mir eine Lady vom Lauftreff vor, ich solle täglich auf nüchternen Magen einen Esslöffer Apfelessig zu mir nehmen. Das wäre sehr gut!

Also ich weiß nicht. Dann doch lieber ein Glaserl Hochriegl, nicht wahr?

 Mondscheinsonate meinte dazu am 23.04.24 um 20:10:
https://kurier.at/wellness/hausmittel-wickel-topfen-zwiebel-und-co-was-wickel-wirklich-bringen/225.870.727#:~:text=Auch%20Essigwickel%20werden%20bei%20Fieber,Dar%C3%BCber%20kommen%20trockene%20Str%C3%BCmpfe.&text=Bei%20Halsweh%20werden%20traditionell%20Topfenwickel%20empfohlen.

 Krakel (24.04.24, 14:17)
Reis ist pretentiös und auch die Protagonistin ist es. Eine Leidschichte, traurig. Von der nur der Reis bleibt- kein Trost.
Berührend. Es grüßt Krakel

 Mondscheinsonate antwortete darauf am 24.04.24 um 14:37:
Dankeschön. Der wärmt.
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