Zum 300. Geburtstag unseres Chefaufklärers KANT

Text

von  filosofa



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Zum 300. Geburtstag :

 

Kant und das Dingsbums-an-sich

 

 

 

Mutter Natur hält mit ihrem Dingsbums ganz an sich. Der Zwangsneurotiker Immanuel Kant war das vierte Kind von elf Kindern eines armen Sattlers und einer strengen Pietistin. Er war et­wa 1,60 m groß (wie Heidegger), schmächtig und sehr mager, seine Brust war eingedrückt und seine rechte Schulter höher als die linke. Durch pedantische Lebensführung vor allem in späteren Jahren suchte der ewige Hypochonder seine ziemlich schwächliche Konstitution zu kompensieren, aber auch sein seelisches Gleichgewicht zu halten. Nach den Spaziergängen des älteren Kant konnten die Leute ihre Uhren stellen. Seine grillenhafte Hypochondrie schrieb das kleine Buch: „Von der Macht des Gemüts, durch den bloßen Vorsatz seiner krankhaften Gefühle Meister zu sein.“

    Wie er selbst aus seiner Geburtsstadt Königsberg so wenig je her­ausgekommen ist wie aus seinem Junggesellenstand, so kommt das Erkenntnissubjekt in seiner Philosophie nie aus sich selbst heraus, um das ,Ding an sich' der Welt zu erreichen. Mit 46 Jahren wurde der Hauslehrer adliger Familien endlich Philosophieprofessor und konnte sich ein kleines Haus kaufen. Erst mit 63 Jahren richtete er sich einen eigenen Haushalt ein, vorher hatte er in Hotels gegessen. Als männliche Jungfrau starb der Marast im Alter von 80 Jahren mit den Worten: „Es ist gut". Zu oft betonte er, von den Eltern nie etwas Unanständiges und Unwürdiges gehört und gesehen zu haben, als dass nicht das Gegenteil wahrscheinlich wäre. „Die Metaphysik, in die verliebt zu sein mein Schicksal ist", machte ihm physische Liebe unmöglich. In seiner pragmatischen „Anthropologie“ bezeugte er die Angst, von Frauen unterdrückt zu werden, und ließ von daher den männlichen Verstand der Mutter Natur die Gesetze vorschreiben.

(An sich hält Mutter Natur ,an sich' und ist ,nicht für mich' da, sondern biblisch gesprochen ,unerkennbar' für den jungen Adam. Vor jeder Erfahrung mit ihr stellen wir sie in der reinen Einbildung uns vor, müssen aber sinnliche Erfahrung machen, um sie auch wirklich zu ,erkennen'.) Der Gipfel der deutschen Aufklärung war ein ewiger Jüngling, ohne jede Erfahrung mit dem anderen Geschlecht, der die ,reine Pflicht' über Neigung, Leidenschaft und Begehren ,siegen' ließ.

Der spätere „Alleszermalmer" (M. Mendelssohn) hing als Kind we­niger an seinem wirtschaftlich glücklosen Vater, der in Königsberg den russisch-englischen Handelsaufschwung gar nicht zu nutzen wusste, als an seiner literarisch gebildeten Mutter, die er im Alter von 13 Jah­ren verlor. Alle Motive seines Denkens verdankte er ihr: „Nie werde ich meine Mutter vergessen, denn sie pflanzte und nährte zuerst den Keim des Guten in mir, sie öffnete mein Herz den Eindrücken der Natur, sie weckte und erweiterte meine Begriffe, und ihre Lehren ha­ben einen immerwährenden, heilsamen Einfluss auf mein Leben ge­habt." Kant und Hegel waren beide Musterschüler, deren Begabung von ihren gebildeten pietistischen Müttern entdeckt und gefördert wurde, die sie beide mit 13 Jahren verloren. Kants Mutter wurde in einem Armengrab beigesetzt.

     Der begabte Achtjährige besuchte acht Jahre lang das Collegium Fridericianum und erinnerte sich zeitlebens mit „Bangigkeit und Schrecken" an die „Jugendsklaverei", die „fromm, gelehrt und höf­lich" machen sollte. Lateinische und griechische Grammatik und mehrere Andachten täglich waren wichtiger als Deutsch und Natur­wissenschaften. Der arme Student bewohnte mit Kommilitonen ein Untermietzimmer in einer Gütergemeinschaft, mied aber studentische „Belustigungen" und übliche „Schwärmereien" für das andere Ge­schlecht. Gerühmt an ihm wurden Witz und Belastbarkeit durch Ar­beit. Newton war ihm die „personifizierte Wissenschaft". In seiner ersten (von Lessing verspotteten) Schrift gab er zu bedenken, ob Gott nicht mehr Raumarten als die euklidische geschaffen haben könnte. Nach sechs Jahren verließ er die Universität ohne Abschluss und brachte sich fast ein Jahrzehnt lang in wechselnden Familien als Hauslehrer durch. Die Gräfin Keyserling brachte dem Handwerkersohn feinere Manieren bei. Er meinte, es habe wohl niemals einen schlechteren Pädagogen mit besseren Grundsätzen als ihn gegeben. „Da ich eine Frau brauchen konnte, konnte ich keine ernähren, und da ich eine ernähren konnte, konnte ich keine mehr gebrauchen."

Kant promovierte mit einer Schrift „Über das Feuer" und wurde mit 31 Jahren Privatdozent für Logik und Metaphysik. Das Erdbe­ben von Lissabon erschütterte nachhaltig seinen metaphysischen Optimismus wie den Voltaires. Die „Allgemeine Naturgeschichte und Theorie des Himmels" sah in den „Abgrund der Ewigkeit" und lehrte die ganz natürliche Weltentstehung in Anziehung und Abstoßung der Atome zu ,Klumpen' durch ,Urwirbel'. Gottvater war überflüs­sig: „Gebt mir Materie, und ich will euch eine Welt bauen." Kant dachte sich „die meisten unter den Planeten gewiss bewohnt" von Wesen umso intelligenter, je sonnenferner lebend. „Im Anfang aller Dinge" war nur Mutter Natur und ihre Gesetze. Seines Interesses für den Okkultismus des „Erzphantasten" Swedenborg schämte sich Kant später in den „Träumen eines Geistersehers", und die „Kritik der reinen Vernunft“ begrenzte die Reichweite der Einbildungskraft. Ohne sinnliche Erfahrung sei Vernunft nur Phantasie.   Der Stuben­hocker sprach von seinem „kleinen Anteil an Lebenskraft". Der Phi­losoph „verachtete den Pöbel, der von nichts weiß. Rousseau hat mich zurechtgebracht ... ich lernte die Menschen ehren und würde mich unnützer finden wie den gemeinen Arbeiter, wenn ich nicht glaubte, daß diese Betrachtung allem übrigen einen Werth verleihen könnte, die Rechte der Menschheit herzustellen."

    15 Jahre lang hauste der schlechtbezahlte Privatdozent in wech­selnden Mansarden, immer auf der Flucht vor Lärm. Seine Biblio­thek musste er sogar verkaufen, um nicht zu verhungern, und ersetzte sie später nie mehr. 16 Jahre lang las er dann als kaum weniger schlecht bezahlter Ordinarius für Logik und Metaphysik, bevor der Berühmte eine Gehaltserhöhung von 300% erhielt. Erst im letzten Jahrzehnt vor seiner Emeritierung konnte er sorgenfrei leben.

Sein Diener musste ihn morgens um fünf Uhr aus dem Bett werfen. Mit der Schlafmütze auf dem Kopf trank er genau zwei Tassen schwachen Tee und rauchte eine einzige Pfeife Tabak. Bier und Kaf­fee liebte er über alles, trank das aber nicht, weil er es für ungesund hielt. Um sieben Uhr las er zu Hause vor zwei Dutzend Studenten, aber nie seine kritischen Schriften, sondern über konventionelle Philoso­phie. Sein Haus war spartanisch eingerichtet. In der Studierstube hing nur ein Bild Rousseaus. Um 13 Uhr zog er den Schlafrock aus und empfing zum Mittagessen eine Männergesellschaft von Kauf­leuten, Kriminal-räten und Offizieren, mehr als die drei Grazien und weniger als die neun Musen. Kant bereitete die Speisen so gut, dass er immer wieder um eine ,Kritik der Kochkunst' gebeten wurde. Er trank eine Flasche Wein pro Tag. Zum Mittagsschlaf nach heiter ge­selliger Runde versammelte man sich im Garten. Um 16 Uhr setzte sich Kant einen Dreispitz auf die weißgepuderte Rokokoperücke und ging rasch spazieren. Durch Bettler fühlte der Promeneur sich ebenso belästigt wie durch Mitbürger, die ihn ansprachen: Aus Angst vor Erkältung hielt er nämlich die Lippen beim Gehen zusammenge­presst. Er war so lärmempfindlich, dass er sich einmal erfolgreich beschwerte über die „zudringliche Kunst" der „Heuchler im Gefängnis", die abends fromme Choräle ins Freie sangen. Sein Diener Lampe, für den er nach Heines Vermutung wieder Gott in die praktische Philo­sophie zurückgeholt hat, nachdem er ihn aus der theoretischen Phi­losophie vertrieben hatte, trank so viel, daß Kant ihn entlassen muß­te. Gegen seine Skrupel notierte er dann auf Zetteln: „Der Name Lampe muss nun völlig vergessen werden!“

Vor dem Schlafengehen las er, der nie reiste, Reisebücher. Um 22 Uhr schlug er das Betttuch so geschickt um sich, daß er wie ein Em­bryo in einem Kokon lag, und schlief aus Angst vor Ungeziefer stets bei geschlossenen Fenstern.

    Als der ,alleruntertänigste Knecht' Friedrichs des Großen und Sympathisant der amerikanischen und der französischen Revolution des Atheismus angeklagt wurde, parierte er sofort: „Wenn alles, was man sagt, wahr sein muss, so ist darum nicht auch Pflicht, alle Wahrheit öffentlich zu sagen."

Dieser republikanische Verfechter einer konstitutionellen Monarchie hielt Demokratie für Despotismus und Aufstand gegen Tyrannei für Ty­rannei. Zweimal stand Kant kurz vor der Verlobung mit ,würdigen Frauenzimmern', zögerte aber so lange, bis sie von anderen wegge­heiratet waren. Gelehrte Frauen haßte er; eine Frau sollte „Professo­rin im Hause" sein.

„Das Weib ist da ein Haustier. Der Mann geht mit Waffen in der Hand voran, und das Weib folgt ihm mit dem Gepäck des Hauses be­laden."

 

„Denn in der Gleichheit der Ansprüche zweier, die einander nicht entbehren können, bewirkt die Selbstliebe lauter Zank. Ein Teil muss im Fortgang der Cultur auf heterogene Weise überlegen sein: der Mann dem Weibe durch sein körperliches Vermögen und seinen Mut, das Weib aber dem Manne durch seine Naturgabe, sich der Neigung des Mannes zu ihr zu bemeistern."

„Ob mit Maul oder Zähnen, oder der weibliche Teil durch Schwängerung und daraus vielleicht erfolgender, für ihn tödlicher Niederkunft, der männliche aber durch von öfteren Ansprüchen des Weibes an das Geschlechtsvermögen des Mannes herrührende Er­schöpfungen aufgezehrt wird, ist bloß in der Manier zu genießen verschieden."

 „Wer soll dann den oberen Befehl im Hause haben? denn nur Ei­ner kann es doch sein, der alle Geschäfte in einen mit diesen seinen Zwecken übereinstimmenden Zusammenhang bringt. Ich würde in der Sprache der Galanterie (doch nicht ohne Wahrheit) sagen: die Frau soll herrschen und der Mann regieren; denn Neigung herrscht, und der Verstand regiert."

„Er liebt den Hausfrieden und unterwirft sich gern ihrem Regi­ment, um sich nur in seinen Geschäften nicht behindert zu sehen; sie scheut den Hauskrieg nicht, den sie mit der Zunge führt und zu wel­chem Behuf die Natur ihr Redseligkeit und affectvolle Beredtheit gab, die den Mann entwaffnet."

    „Ein sehr verfeinerter Geschmack dient zwar dazu, einer unge­stümen Neigung die Wildheit zu benehmen und, indem sie solche nur auf sehr wenige Gegenstände einschränkt, sie sittsam und anstän­dig zu machen; allein sie verfehlt gemeiniglich die große Endabsicht der Natur, und da sie mehr fordert oder erwartet, als diese gemeinig­lich leistet, so pflegt sie die Person von so delikater Empfindung sehr selten glücklich zu machen ... Daher entspringt der Aufschub und endlich die völlige Entsagung auf die eheliche Verbindung."

„Man schätzt manchen viel zu hoch, als daß man ihn lieben kön­ne. Er flößt Bewunderung ein; aber er ist zu weit über uns, als daß wir mit der Vertraulichkeit der Liebe uns ihm zu nähern getrauen."  Ein transzendentaler Ödipuskomplex?

Der unaufgeklärte Aufklärer Kant lebte nicht nach seinem ,kategorischen Imperativ': Wenn nun alle so lebten wie er als Junggeselle, könnte niemand so leben, auch er selbst nicht; er würde nie geboren, um auch nur diesen Imperativ aufzustellen.

 


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Kommentare zu diesem Text


 Dieter_Rotmund (03.05.24, 16:00)
Sorry, aber mit diesem kuriosen Zeilenumbruch ist das komplett unlesbar.

 filosofa meinte dazu am 03.05.24 um 16:33:
Ist es so besser?

 Dieter_Rotmund antwortete darauf am 06.05.24 um 10:17:
Ja, Danke.

 Dieter_Rotmund schrieb daraufhin am 06.05.24 um 10:19:
Der Text ist eine polemisch-persönliche Hassrede gegen Kant.

 filosofa äußerte darauf am 06.05.24 um 12:31:
Ganz im Gegenteil, Dieter : Der Text rollt Kants Idealismus einmal von einer ungewohnten Seite auf, um ihn besser zu verstehen. 🤗

 Dieter_Rotmund ergänzte dazu am 06.05.24 um 14:44:
Neee, sorry, aber das ist dir misslungen.

 filosofa meinte dazu am 06.05.24 um 15:56:
Ich ging aus von Sigmund Freud : "Philosophie ist eine der anständigsten Formen der Sublimierung verdrängter Sexualitaet, nichts weiter." Wirft das nicht auch ein Licht auf den unaufgeklärten Aufklaerer Kant?

 Dieter_Rotmund meinte dazu am 06.05.24 um 16:19:
Ja, (d)ein offenbar sehr hasserfülltes Licht,

 filosofa meinte dazu am 06.05.24 um 20:52:
Unfug. 
Ich halte Kant für einen der ganz grossen Denker.
Aber das Unbewusste philosophiert halt immer mit.
🤗

Antwort geändert am 06.05.2024 um 20:55 Uhr

 AchterZwerg (03.05.24, 17:06)
Bildschöne, ironische Beschreibung des Götterbefunkten!

Zwar bemühen wir Zwerge uns ständig, "vom eigenen Verstand ohne Leitung eines anderen Gebrauch zu machen", jedoch gelingt es nicht immer.
Umso lieber hören wir deshalb von den unendlich Klugen - die zuweilen sogar im Osterhasenkostüm das Licht der Forenwelt erblicken ...

Kommentar geändert am 03.05.2024 um 17:06 Uhr

 filosofa meinte dazu am 03.05.24 um 17:41:
Herzlichen Dank für deinen wohlwollenden Comment! 😊

 Augustus (04.05.24, 12:50)
Fein das wesentliche zu Kant ausgearbeitet und darüber sein verhältnis zu Frauen dekoriert. Sehr aufschlussreiches präsent für jeden philosophieliebhaber.

 Hans (05.05.24, 09:59)
Kritisch, aber nicht hämisch. Informativ. Geistreich. Witzig.
Was will man mehr?

 autoralexanderschwarz (06.05.24, 12:51)
Liest sich wirklich gut, wobei ich (persönlich) die ersten zwei Drittel (in denen du die Zitate kommentierst und in deinen eigenen Text einbettest) deutlich besser finde als das letzte, in dem du eigentlich nur noch Zitate aneinanderreihst. Ergänzen ließe sich vielleicht noch was zum "Ewigen Frieden".

Gruß
AlX

 filosofa meinte dazu am 07.05.24 um 11:02:
Kants ewiger Weltfriede ist eine schoene Vernunftutopie, aber der Krieg wird ewige Ultima Ratio bleiben, wie die Bibel prophezeit - und auch Sigmund Freud.

Antwort geändert am 07.05.2024 um 11:03 Uhr
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