Aufgespießt

Unverschämtheiten aus Politik, Promiszene und Alltag


Die Kolumne des Teams " Aufgespießt"

Sonntag, 13. Juli 2014, 23:49
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Für die Gemeinschaftstierchen zum Finale

von  Matthias_B


Es scheint zwar sehr unwahrscheinlich, dass dies jemandem noch unbekannt ist, trotzdem wird - um zugleich eine relativ schmucke Einleitung für diese eher banale Kolumne zu kreieren - darauf verwiesen, dass am heutigen Abend das Spiel um den Weltmeistertitel zwischen Deutschland und Argentinien stattfindet. Nun folgt die Stelle, die für Empörung sorgen soll: Ich hoffe, dass die DFB-Elf verliert. Es gibt gewichtige Argumente, die diese Möglichkeit als sinnvollsten wie gerechtesten Ausgang des Turniers erscheinen lassen: Zunächst wäre hierbei zu nennen, wie das argentinische Team agiert, was mittels des postmodern-esoterischen Begriffs "Coolness-Faktor" umschrieben werden kann: Argentinien spielt stets abgezockt unspektakulär, aber erhaben effektiv, ganz gleich, wer der Gegner ist, trotzdem werden die Tore gekonnt wie ästhetisch ansprechend erzielt (man denke an das flexibel eingeleitete und zugleich spielerisch durchdachte 1:0 gegen Belgien). Die Mannschaft führt somit ein Plädoyer für überzeugtes wie vernünftiges Handeln auf dem Platz auf - ein angenehmes Antidoton zu unserer gewollt lautstark konzeptlosen Zeit. Des Weiteren hat es - oh, holt doch die (Discounter-)Tomaten! - die deutsche Nationalmannschaft nicht verdient, den Titel zu erlangen, da in jener charakterliche wie fachliche Defizite großgeschrieben werden: Der Trainer, z.B., ist eher ein egozentrischer Blender, der lediglich Fortuna auf seiner Seite hat. Wir erinnern uns an einige recht unverständliche wie schon von Inkompetenz zeugende Entscheidungen, z.B. den Einsatz Mustafis, der in den Spielen das Risiko, eine Niederlage zu erleiden, unnötigerweise erhöhte; aber revidierte Löw den Entschluss, der (natürlich wieder) für Aufsehen sorgte? Nein, er beließ es dabei und gefährdete somit den sportlichen Erfolg. Letztendlich hatte er erneut Glück durch dessen Ausfall, der ihn seine Sturheit überwinden (müssen) ließ. Glaubt hier jemand ernsthaft, dass der Bundestrainer den 7:1-Sieg gegen Brasilien in dieser Form geplant hat? Vorher sah man sich leichten Gegnern gegenüber, über die man fast stolperte (wobei Portugal in dieser Hinsicht die Ausnahme darstellte), nun sog man fuseltrunken am üppigen Busen des Massels. Müller wird für seine Tore gefeiert – etwa ebenfalls für sein kritikwürdiges Verhalten? Gegen Pepe, den er nicht wie ein Sportsmann provozierte, stürzte er nach einer leichten Berührung, als hätte jener ihn mit Handfeuerwaffen angegriffen wie drangsaliert - und hinterher fragte der unsportliche Thomas sichtbar besorgt im Interview nach, ob das einen komischen Eindruck gemacht hätte. "Fair play"? Zumindest ein hübscher Begriff. Weitere Unsympathen (Neuer, Mertesacker) und triviale Standfußballer (Khedira, Kroos, Boateng), die sich nicht zu schade sind, sich der Kanzlerin, die mehrfach auf unsere Kosten zur WM fliegt und dies auch noch als "Dienstreise" absetzt, wie die kleinsten Kinder anzudienen ("Reich und reich gesellt sich gern?"), müssen wohl nicht detailliert angeführt werden. Einen dritten Grund, warum die "Gauchos" den Triumph erringen sollen, kann man aus gesellschaftlichen Faktoren hierzulande ableiten: Bei uns haben in jedem Bereich die vorlauten Durchschnittsgeister, die sich ungerechtfertigt als kompetent inszenieren, das Sagen, angefangen von der in vielen Belangen abwesenden Kanzlerin, der lobbygeprüften Regierung, quirligen BWL-Absolvent_innen, die die nächste Bankenkrise spätestens in zwei Jahren herbeiführen, selbstherrlichen und fachlich auf Sparflamme brütenden Deutsch-Seminarlehrern an der hinterwäldlerisch-niederbayerischen Realschule, die dir wie üblich jandalös unterstellen, Zitate, die du zwecks Beachtung wissenschaftlicher Gütekriterien als Belege deiner Referendariatshausarbeit anbringst, ohne eigenes Verstehen angeführt zu haben, um dir die Note zu geben, die sie schon vorher für dich bilden wollten, "Geisteswissenschaftler_innen", die soziologische Gequasselmetaphysik mit selbstbewusster Trivialität verquicken, bis hin zu den Fans, die ihre gemeinschaftliche Billig-Katharsis mit Alkohol und Gesang "liken". Das findet selbstredend die Mehrheit in diesem Dampfgeplauder-Land sehr gut, ist - wie gerade an ein paar Beispielen ausgeführt wurde - ihr Verkümmergeist, der sich in latenter Abstiegsgefahr befindet, doch ebengleich beschaffen - somit stützt sich die Mediokratie aus sich selbst und gebiert immer neue Anhänger_innen, die man auch auf den Fanmeilen beobachten kann, wie sie den Blender, die Schnösel auf dem Sambarasen und sich selbst bar kulturellen Grundes übermäßig feiern. Ein Sieg der DFB-Mannschaft würde dafür sorgen, dass sich alle noch mehr in ihrer Kognitions- und Espritinsuffizienz suhlen - und das wollen wir doch lieber nicht hoffen, oder? (Natürlich weiß ich, dass ihr diese Hoffnung hegt.)

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