I: Brautschau

Märchen zum Thema Märchen

von  kaltric

Es war einmal ein richtig netter, großer, kräftiger Nashornkäfer. Er liebte es in der sonne spazieren zu krabbeln und jagte furchtbar gern hinter winzigen Insekten her. Eigentlich war er zufrieden mit sich und der Welt. Aber als er älter wurde und ein Käfer nach dem anderen sich eine Braut suchte und mit ihr von dannen ging, wurde er immer stiller. Er dachte nach, warum mochten ihn die süßen Käferdamen nicht? Wenn es so weiterginge würde er bald nur noch ganz allein in diesem Waldstück hausen.
Schließlich war es so weit: er war der letzte ledige Käfer im Unterholz. Da es dabei nicht bleiben sollte, musste er wohl oder übel umherziehen und sich nach einer Braut umsehen.
Die Sonne stand noch tief und die Vöglein zwitscherten fröhlich, als er aufbrach. Elegant wie eine Spinne bahnte er sich seinen Weg durch den Unterholzdschungel.
Als die Sonne in ihrem Zenit stand, machte er unter einer großen Eiche Rast. Er fing sich ein paar kleine Käfer, die unvorsichtig vor ihm herumkrabbelten und verspeiste sie zum Mittag. Während er sich noch sonnte, sah er sie plötzlich: das schönste Nashornkäferweibchen, das je diesen Wald betreten hatte. Das Licht spielte auf ihrem Panzer und es schien dem Nashornkäfer, als würde alles in ihrer Nähe verblassen. Er erhob sich so schnell es ging und wollte zu ihr krabbeln, als sich plötzlich die Welt verdunkelte und das Vogelgezwitscher verstummte. Vor ihm stand der größte Käfer, den er je gesehen hatte - bestimmt so groß wie ein Fliegenpilz - und sah ihn drohend an. Der Nashornkäfer ging erschrocken ein paar Schritte zurück, der große Käfer drehte mühsam seinen schwarzen Körper und stapfte auf die Käferdame zu. Er schnappte sie sich mit seinen Vorderbeinen und trug sie davon. Wir erstarrt stand der Nashornkäfer da und sah ihnen nach. Als sich ein paar Vögel langsam wieder entschlossen zu musizieren, rührte auch er sich wieder. Nach kurzem innerem Streit beschloss er, dem Riesen zu folgen.
Die Sonne war schon längst hinter den Baumwipfeln verschwunden, als er sich einen Schlafplatz suchen musste und sich zur Ruhe bettete.
Sonnenstrahlen weckten ihn und sogleich brach er auf.
Wieder stand die Sonne an ihrem Höhepunkt, wieder machte er Rast und wieder verspeiste er Käfer zum Mittag. Er träume, dachte er, als er sie wieder sah. Diesmal schlich er sich, dicht an den Boden gedrückt, an sie heran. Glücklicherweise war der Riesenkäfer nirgends zu sehn.
“Guten Tag, mein schönes Fräulein“, versuchte er ein Gespräch zu beginnen, „ich habe sie in diesem Wald noch nie gesehen. Ich bin der Nashornkäfer und ihr seid...?“
“Der Wald ist groß und ihr solltet lieber verschwinden, ehe der Riesenkäfer, welcher mich entführt hat, wiederkommt. Ihr könntet wohl leider nicht gegen ihn bestehen“, unterbrach sie ihn.
Plötzlich tauchte die Welt unter dem Nashornkäfer ab, wurde kurz gegen den Himmel eingetauscht und raste dann schnell auf ihn zu. Bevor er ohnmächtig wurde, konnte noch ein schwarzes Beinpaar erkennen.
Dieses Mal weckten ihn große Regentropen. Taumelnd erhob er sich.
Mit schmerzendem Körper suchte er Unterschlupf. Schließlich fand er eine Höhle im Erdboden. Schnell schlüpfte er hinein, eventuelle Bewohner hin oder her.
Am Ende der Höhle führte ein Gang tiefer in die Erde. Auch am Ende des Ganges war eine Höhle. Während er die Höhle durchquerte, erhob sich hinter ihm etwas Dunkles. Mutig wie er - leider nicht übermäßig - war, drehte er sich um. Mehrere rote Lichtpunkte starrten ihn an.
“Ah! Endlich etwas Essbares!“ rumorte das Dunkle und schoss plötzlich auf ihn zu.
Der Nashornkäfer sprang zurück und suchte nach dem Ausgang. Er krabbelte an der Wand entlang, fand nichts, wurde aber noch immer verfolgt. Langsam stieg Panik in ihm auf und er wurde unvorsichtig. Er stolperte über einen Stein und fiel in ein Loch.
Dies war der erhoffte Ausgang, dachte er, irrte aber. Schnell kletterte er hinaus. Die roten Punkte waren nicht weit hinter ihm.
Endlich fand er den Gang wieder. Auch dort drinnen war es nicht heller als in der Höhle. Dieser Weg führte hinaus.
Wieder einmal erschrak er, als vor ihm der Riesenkäfer stand, und sprang - nun vollkommen in Panik - in ein Gebüsch. Dachte er noch, dass der Käfer der Verfolger aus der Höhle war, war es in Wirklichkeit eine Spinne. Diese raste auf ihrem Weg aus dem Dunkel in den Käfer und sie kämpften bis beide tot umfielen.
Der Nashornkäfer wagte sich wieder hinaus und fand die Käferdame. Sie umarmten sich und machten sich auf den Heimweg.
Wenn sie nicht gestorben sind, haben sie möglicherweise viele Kinder und leben glücklich miteinander.

ENDE

© 1997 - Mai 2001 Andre Schuchardt
kaltric[at]gmx.net


Anmerkung von kaltric:

Ursprünglich eine Klassenarbeit von 1997, nun der älteste noch vorhandene Text.

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Kommentare zu diesem Text

Graeculus (69)
(23.10.16)
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