XXIV: Brief an die Schwester

Brief zum Thema Alltag

von  kaltric

03. 08. 3979 Ejúduira

Die Ereignisse haben sich überschlagen. Ich schreibe dir aus Ejúduira, der Hauptstadt von Nardújarnán. Vor knapp einer Woche erhielten wir plötzlich einen Abmarschbefehl. Ich bin froh, überhaupt Zeit zu haben, dir zu schreiben. Soweit ich weiß, geht es nämlich schon Übermorgen weiter. Ich weiß nicht genau, was geschehen ist, noch, was wir zu tun haben. Aber offensichtlich ist es etwas Schwerwiegendes. Alle um uns herum, die davon Ahnung haben könnten, benehmen sich sehr überspannt. Scheinbar wissen auch die eingeborenen Diener etwas, doch verraten sie uns nichts. Irgendjemand muss wohl irgendetwas angegriffen haben, soviel ist klar. Unsere Vorgesetzten sagen uns nichts, das dürfen wir erst für Übermorgen erwarten. Die Anderen hier verhalten sich unterschiedlich: Miruil ist angespannt. Er sagt, er freue sich darauf, endlich ein Abenteuer zu erleben. Couccinne spricht über alles nur ungern. Er scheint nichts Gutes zu erwarten. Scaric macht seine üblichen Scherze; es könne schon nichts Großartiges geschehen sein. Oljó dagegen antwortete ihm, dass vielleicht wieder Krieg mit Aleca herrsche. Natürlich sagte er dies, als Commosha nicht fern war. Dieser sah aus, als würde er Oljó umbringen wollen. Der Knabe Dosten scheint sich von allen am meisten zu fürchten. Er tut mir ein wenig leid. Ich frage mich immer noch, was ihn zu uns trieb. Bisher kam ich nur zu kurzen Gesprächen mit ihm und die Fragen scheinen ihm Unbehagen zu bereiten. Die meisten der anderen Männer scheinen sich auf Aufregung zu freuen, ein Kerl namens Gammil geht mir dabei besonders auf die Nerven. Nur wenige zeigen Unbehagen. Dazu gehöre wohl auch ich.
Es ist schade, dass ich dir kaum von Ejúduira erzählen kann. Die Stadt ist beeindruckend. Sie ist seit Halkus die größte Stadt, die ich je sah. Wir haben sie nur bei unserer Ankunft kurz gesehen: Die Stadt ist durchzogen von Flussläufen und Brücken. Große Plätze sind ebenso wie enge Gassen allesamt vollgestopft mit allem, was in diesen Landen so handeln will. Wir wurden in eine Guigans gebracht, die auf einer Flussinsel am Stadtrand liegt. Von den Mauern aus kann man die Stadt beobachten. Vor allem aber die große Anlage auf der stadtmittigen Insel. Ein Kämpfer der Guigans sagte mir, das sei der Sitz der Obrigkeit. Für ein Land, das einem oft so fremd vorkommt, ein beeindruckender Anblick. Die Anlage kann sich sicherlich messen selbst mit dem Palast des Milciar in Halkus. Oljó war ebenfalls mit uns auf der Mauer und scherzte darüber, sie mal ausrauben zu wollen. Den Kämpfer bei uns schien dieser Gedanke nur anzuwidern.
Für uns geht das Leben hier fast weiter wie zuvor: Duimé lässt uns unseren üblichen Übungen nachgehen. Vielleicht soll uns das vom Denken abhalten. Ich frage mich, was die nächsten Tage bringen. Irgendwie bezweifel ich aber, dass ich dir so bald wieder werde schreiben können.
Jimmo sitzt mir hier im Schlafsaal gegenüber. Ich frage mich, was er wohl denkt. Er zeigt sich weiterhin sehr verschlossen.
Es tut mir leid, ich muss aufhören. Grüße alle von mir.

Dein Falerte.

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