fremde, die wir waren

Brief

von  makaba

Liebster,

Lieber,

Hey.


Heute, da ist mir aufgefallen, du wirst weniger. In mir. Immer weniger, es ist nicht mehr viel da. Ich sagte dir, wenn du es dir anders überlegst, ich werde noch eine Weile warten. Ich werde an dich denken, bis du verblasst und jetzt, jetzt ist es langsam so weit.

Ich habe dich lange mit mir herumgetragen, deinen Duft, mein Duschgel, deine Worte, deine Mails. Selbst der sensible Heine, der Trakl und die geniale Kaleko, die sind jetzt nur noch die, die sie auch schon vorher waren und haben zwar noch Bezug zu mir, aber nicht mehr zu dir.
Du hast sie mich entdecken lassen, ich habe sie als Brücke zu dir missbraucht. Jetzt ist die Brücke eingestürzt und ich bewundere sie nur noch aus der Ferne.

Deine Musik klingt in meinem Ohr, ja das tut sie noch immer, doch es sind nicht mehr deine Töne, sie haben jetzt einen anderen, den originalen Ursprung. Der Mond lässt mich jetzt nachts nicht mehr schlafen, nicht der Gedanke daran, dass auch du ihn gerade anschauen könntest.

Ich habe dich lange mit mir herumgetragen, die Gedanken an dich, meine Gefühle für dich. Doch jetzt lass ich dich schwinden. Nicht bewusst, nein, aber auch nicht unwillkürlich.

Ich lasse dich los, ich weiß, das habe ich schon oft gesagt, aber jetzt erst merke ich, dass ich deine Hand nicht mehr auf meiner Haut spüre, deine Zunge nicht mehr in mir, und dass ich wieder allein bin.

Wenn du mir jetzt noch schreibst, was du so vor hast und wie es dir geht, dann denke ich an dich und bemerke dabei, dass ich dich schon fast vergessen habe. Ich lese alte Mails und weiß wieder, warum ich sie verbannen wollte (löschen könnt ich sie nie). Aber ich habe auch verstanden, dass die Zeit vorüber ist. Ich antworte dir nicht mehr. Es hat keinen Sinn, ich will nicht warten, auf eine neue Nachricht. Ich will dich nicht sehen, wenn du wieder hier bist.

Ich habe dich zu lange mit mir rum getragen, länger, als es der Situation angemessen war. Das ist mir peinlich, ich will nicht mehr dran denken.

Du bist gegangen, du hast dich nicht getraut, ich habe an dich gedacht. Lange. Ich habe dir die Chance gegeben, deine Meinung zu ändern. Du wolltest und willst es nicht und es ist gut so. Du hattest Recht. Es wäre zu kompliziert geworden. Strebe weiter nach deinem Glück, nach Liebe und ich? Ich gehe jetzt auch meinen Weg, so wie du es vorausgesehen hast.

Und wir? „Wir“ werden wieder zu den Fremden, die wir vorher waren.


die wilde.

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Kommentare zu diesem Text


 Mutter (21.02.11)
Gut.

 Dieter Wal (13.03.11)
W. B. Yeats notierte einmal, dass wir das innere Abbild eines geliebten Menschen in uns tragen. Besonders diese Präsenz macht Trennung schmerzhaft. Vielleicht haben wir in der Zeit enger Bindung oft intuitiv voneinander gewusst. Diese Bindung löst sich nur langsam und unter Schmerz. Ein ergreifender und ermutigender Text.
Doc-Fool (58)
(22.03.11)
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