Josefine und der Goldschatz

Märchen zum Thema Kinder/ Kindheit

von  Secretgardener

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„Klar zum Entern“ rief sie, „los, Bootsmann Lennard, stürmen sie den feindlichen Kreuzer!“ Josefine warf ihrem ersten Maat einen finstren Blick zu. „Entweder, du kaperst SOFORT dieses Schiff, oder ich mach dich zum Schiffskoch“. Lennard wollte nicht. Er wollte nicht einmal etwas erwidern. „Lennard, wenn du mir nicht mutig zur Seite stehst, werden wir dieses Schiff nie einnehmen können“. Doch Lennard schaute nur.
Josefine, das 5jährige Mädchen mit den Erdbeerhaaren, schaute ihren Kater mit einer Mischung aus Traurigkeit und Verzweiflung an. Der begann nur sich hoch oben im Baum die Pfoten zu lecken. Der Baum, ein alter Pflaumenbaum, war ihr mächtiges Schiff. Die gesamte See bebte unter ihrem Schlachtruf. Das Meer, bestehend aus einem großen Garten im Rasen, schäumte, wenn sie die Segel (ein Laken) setzte.
Es war das bereits 173. Mal, dass Lennard – einst stolzer 2. Kapitän – den Befehl zum Entern des Birnenbaumes verweigerte. Sie aber wollte an den Schatz. Sie wollte die dicken Goldklumpen, die unter Deck überall herumlagen. Der Rest ihrer Besatzung taugte leider noch weniger als dieser schwarze Kater, der nur dann Initiative zeigte, wenn es darum ging seine eigene Haut zu retten. Ihre Männer hingen nur unter Deck herum, in ihren Hängematten. Sie saß ganz oben im Baum, überblickte alles und schmiedete Pläne, ihr Machtgebiet zu erweitern. Der mehrfach degradierte Lennard war mit oben. So wenig Hilfe er auch war, musste er doch immer wissen, was vor sich geht.
„Bootsmann, wir müssen eine List anwenden. Wir müssen den Feind überraschen; ihn bei seinen Socken packen. Doch erst einmal müssen wir uns um Verpflegung kümmern“ befahl sie und kletterte vom Schiff hinab, Lennard auf der Schulter. Unten angekommen befestigte sie noch den Anker, ein Seil mit einem Findling, im Boden. Sie rannte ins Haus und wollte den Kühlschrank plündern, als ihr Vater rief, dass es jetzt sowieso Mittag gäbe. Josefine saß zappelig am Tisch, aß, und gab ihrem Untergebenen unterm Tisch heimlich ab. Sie nahm noch etwas mehr mit, in Folie verpackt, damit sie unterwegs auf ihren Reisen genug Proviant hatte. An diesem Tage konnte sie nicht mehr viel tun, außer Schatzkarten zu studieren.
Als es anfing dunkel zu werden, rief man sie in ihr Zimmer, das einen Totenkopf auf der Tür hatte, der grimmig drein schaute und von ihr gemalt war. Eine Ewigkeit überlegte sie hin und her, was sie unternehmen konnte um an ihren Schatz zu kommen. Ohne eine gute Idee schlief sie darüber ein. Am nächsten Morgen war es windig – ein guter Tag zum Segeln.
Sie kletterte an Deck, holte den Anker ein, setzte Segel und schaute in den Horizont; mit einem Papprohr als Fernglas. Es war kein anderes Schiff in Sichtweite, doch sie hatte heute ein gutes Gefühl – im Schlafe hatte sie einen Plan geschmiedet. Für viele Stunden fuhr Josefine über die See, spürte Wind im Haar und hielt Ausschau. Gerade, als es begann stürmisch zu werden, konnte sie in großer Entfernung ein großes Schiff ausmachen. Es machte ihr allmählich Probleme sich oben zu halten, als sie bemerkte, dass das Schiff dort ihr ewiger Rivale war. „Na warte Freundchen, heute bist du fällig, heute wird dein Gold MIR gehören“.
Sie rief ihre Besatzung nach oben, doch niemand rührte sich; sie ließen sich wie immer vom Wind im Schlaf wiegen. „Lennard, an meine Seite, jetzt“ rief sie und suchte ihn, doch er lag unterhalb auf einem Ast, döste vor sich hin und öffnete nur schlaftrunken ein Auge. „Wenn ich in meinem Gold bade, wirst DU vor einem Kriegsgericht stehen, wart´s nur ab“! Aber auch Josefine legte sich auf einen Ast und schloss die Augen. Im Gegensatz zum einstigen, stolzen 2. Kapitän aber, ließ sie den Frachter nicht aus den Augen, hielt mit nervösen Fingern ihre Enterwaffe fest und wartete auf den richtigen Augenblick. Das fremde Schiff kam näher und näher, ihre Finger griffen fester und fester, der Sturm wurde stärker und stärker. Gerade, als der Frachter wieder begann vorbei zu ziehen, sprang sie auf, das Seil in den Händen, und rief „Klar zum Entern“! Schwang das Seil über ihrem Kopf, sah, wie das andere Schiff begann zu zittern, und warf das Seil dem Feinde entgegen. Sie verfehlte und warf erneut. Es blieb stecken, kam aber wieder zurück, als sie fest daran zog. Beim dritten Versuch erwischte sie einen sehr dicken Ast, ganz dicht am Stamm.
„Mannschaft, Lennard, ENTERT“! Wie zu erwarten war: die Mannschaft schaukelte im Wind, Lennard schaute nur. Das Seil an beiden Seiten fest vertäut, legte sie sich darauf und begann zu klettern. Etwa bei der Hälfte des Weges hing es durch und wurde von einem Windstoß erwischt. Josefine wackelte und drehte sich, konnte sich aber noch daran fest halten. Lennard, der die Szene interessiert betrachtete, kam an Deck und lief über´s Seil. Als er bei ihr ankam, maunzte er und leckte ihr einmal über die Stirn. Josefine, angestachelt davon, dass der Verräter sich vor ihr das Gold unter die Krallen reißen könne, zog sich etwas nach oben und hangelte sich auf das Schiff, das nun endlich ihr gehörte.
Dort angekommen durchsuchte sie alles und strahlte mit ihren Sommersprossen um die Wette. „Meins, meins, meins, alles meins. Ich alleine hab´ dich überfallen und eingenommen“. Lennard, der sich schon unter Deck zurück gezogen hatte, untersuchte ebenfalls alles, hatte aber bereits damit begonnen, den Frachter für ein Nickerchen her zu richten. Josefine überblickte ihre Beute und nahm sich einen Goldklumpen, biss hinein und freute sich. „Ja! Echtes Gold! So saftig kann nur echtes Gold sein“. Sie stellte sicher, dass niemand sonst hier mit seinem Schiff unterwegs war, der ihr ihr neues wegnehmen könnte und kletterte aufgeregt hinunter. „Mama, Mama“ schrie sie, als sie ins Haus rannte, „ich hab´s geschafft, ich hab´ den Schatz bekommen, hier, guck´ mal“ und hielt ihr die Birne hin. „Wow, das ist toll mein Liepling. Wie hast du das denn geschafft?“ wollte sie wissen. Josefine erzählte ihr alles und ihre Mutter sagte ihrem Vater, er solle sich das Seil einmal anschauen und es sicher machen.
Von diesem Tage an, war Josefine Herrscherin über gleich zwei glorreiche Schiffe, nur wenig fremde waren je wieder in ihrer Nähe zu sichten; die ganze See fürchtete sie. Und an ihrer Seite, wenn auch eher moralisch, stand Schiffskoch Lennard.
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Anmerkung von Secretgardener:

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Für Lizzy (HvidLiljer).
Idee und Personen auch von ihr.

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