Der Blues in Zürich

Text

von  atala

Ein Fragment

Worüber spricht man, wenn die Leere einen einholt? Wenn man taub ist vom ganzen Nebel und der lauten Musik. Taub von den überschwänglichen Worten, den kalten Umarmungen. Wenn man die Gesichter nicht sieht vor lauter Schminke und den Menschen nicht vor lauter Verkleidung. Dein Grinsen ist nichts als eine Fratze, deine Augen bleiben kalt, während sich dein Mund biegt.

Nein, ich habe keine Lust mich zu unterhalten. Ich möchte nicht tanzen, nicht trinken nicht lachen. Ich möchte nicht schlafen, nicht sitzen, nicht arbeiten. Ich möchte gar nichts. Doch, ich will, dass die Sonne scheint und ich will so weit wie möglich von hier weg sein. Ich vertrete die Ansicht, dass irgendwo anders alles besser ist. Die Illusion, dass sich alles ändert, wenn man nicht hier ist. Die Illusion, dass der Knopf in der Brust sich löst, dass man Nähe erträgt, dass man wieder zuhören und erzählen kann. Dass alles wieder gut wird, wenn man weit weg ist.

Was willst du den hören von einem Mädchen, das das Gefühl hat, alles schon mal erlebt zu haben? Alles schon gehört, gesehen, gefühlt. Von einem Mädchen, das betäubt ist vom Leben.
Sag mir nicht, dass du mich schön findest, etwas Gewöhnlicheres könntest du nicht sagen. Komm, ich mag dich, du hast diese etwas zerzausten Haare und die angedeuteten Augenringe, so als ob du müde wärst, weil du Wichtiges zu erledigen hast. Eine Arbeit bei einem Projekt, oder vielleicht schreibst du ja für eine Zeitschrift oder bist Fotograf. Oder Kunststudent oder was weiss ich. Ja, du bist es, alles zusammen. Und plötzlich siehst du aus wie alle andern, sagst das, was alle andern sagen. Ich mache die Augen zu und denke mir, was ist undankbarer, als alles zu haben und nichts davon zu wollen. Alles überdrüssig zu sein, am meisten mich selbst.

Worüber soll ich denn mit dir reden, wenn du mir einen Club Mate bestellst und ich ihn an die Wand gelehnt trinke, mit meinem Lederkleidchen und dem Glitzer im Gesicht. Was soll ich zu dir sagen, was antworten auf deine leeren Sätze, deine Worte ohne Inhalt, ohne Bedeutung.

Sag mir nicht, dass du meine Nummer willst. Ich werde keine Lust haben dir zu antworten, ich werde mich umdrehen und nach Hause gehen. Ohne Jacke, ohne mich von meinen Freunden zu verabschieden. Unter den Brücken laufen, unter den Lichtern. Ich werde den Umweg machen und der Limmat entlang gehen. Die aufgehende Sonne wird bleich hinter dem Nebel stehen und das Wasser wird grau sein und der Himmel weiss und ich werde zwischen ihnen sein und den Rest nicht bemerken, der sich zwischen Wasser und Himmel klemmt. Zuhause wird mich eine leere Wohnung erwarten, die unaushaltbare Stille und das Motorengeräusch der Flugzeuge, die über mich hinwegdonnern. Das Geräusch der Sehnsucht, dem Fernweh. Ich werde mir denken, was gäbe ich nur, wenn ich in dieser Maschine sitzen könnte. Ich werde mich in die leere Badewanne legen und auf den Schlaf warten, der lange nicht kommen wird.

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Kommentare zu diesem Text


 Sternenpferd (03.04.13)
der titel ist klasse gewählt
und der text ziemlich authentisch für mein empfinden
gefällt mir
lg m.

 kirchheimrunner (05.04.13)
o.k. das Stück ist klasse! Der Blues ist zu hören, Modal - Jazz.
Miles Davis z.B. Ascenseur pour l'échafaud
http://de.wikipedia.org/wiki/Fahrstuhl_zum_Schafott

Ich möchte damit eigentlich nur zum Ausdruck bringen.
Das kleine Stück scheint emotionslos geschrieben. Aber es malt Gefühle an die Wand. Diese Art zu schreiben (nicht die Handlung) sondern der Stil bewegt sich auf 3 Ebenen:
Wortebene - wie gesagt cool.
Bildebene - schwarz/weiß Film, langsame Schnitte
Tonebene - Modal. d.h. stimmungsvolle Untermalung.

Meine Rezession mag blöd klingen; - nur eines sei gesagt: NUR WENIGE KÖNNEN SO ETWAS SCHREIBEN.

L.G. Hans

 Cassandra meinte dazu am 17.04.13:
was soll man da hinzufügen?

Bin Deiner Meinung. Gut geschrieben, sehr gut.

 Wolla15 (01.05.13)
Hi. Wirklich klasse geschrieben. Ein Text zum einfühlen und reinfühlen. Hoffe Du wirst deinen Flieger noch kriegen.
LG, Wolla15
(Kommentar korrigiert am 01.05.2013)

 atala antwortete darauf am 04.05.13:
Danke ja das wäre wirklich schön für das lyrische Ich
Lyrenbold (53)
(30.07.13)
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michaelkoehn (76)
(20.08.13)
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 atala schrieb daraufhin am 20.08.13:
Hab dich zuerst entdeckt
Danke dir.
F. Vetsch hat übrigens schon im Philo-Unterricht von dir geschwärmt;-)
michaelkoehn (76) äußerte darauf am 20.08.13:
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