Weihnachtsmarkt für Normalwüchsige.

Kurzgeschichte zum Thema Moral

von  franky

*

Vom Parkhaus über die Brücke durch die Ochsen Passage zum Weihnachtsmarkt sind nur fünf Minuten. Vorbei bei einem Schnapsstand, wo Claudia eine kleine Flasche Grappa für Meinrad kauft. Dann weiter zum obligaten Glühweinstand.
Kindergeschrei zwischen Weihnachtslieder aus den Lautsprechern. Eine kleine Gestalt benimmt sich gar nicht kindlich, reicht nur mit mühe auf das hohe Würschtelstandel. In der einen Hand einen duftenden Glühwein. Holt sich dann noch das fertige heiße Würstel von der für ihn viel zu hohe Theke. Durch das dichte Gedränge wird der Kleinwüchsige Mann ganz unter die Theke gedrängt. Mit heißem Würstel in der Einen und Glühwein in der anderen Hand. Als er das Würstel kurz auf einen Stein abstellt, kommt ein kleiner Repinscher vor bei und macht sich an die bereitgestellte Wurst. Als das Hündchen das heiße Fleisch zwischen den Zähnen spürt, beutelt er sich und schleudert das in Senf getauchte Würstel durch die Luft.
Mit Schreck weit geöffneten Augen sieht der kleine Mann sein soeben gekauftes Mahl in Staub und Sand untergehen.   
„Warum gibt es keine vernünftige Theke für Kleinwüchsige!“
Der Menschnzwerg trinkt dann viel zu hastig den Glühwein aus. Legt sich beschwipst auf den Boden und starrt von unten in die fetten Bäuche der Marktbesucher und Innen. Die meisten tragen lange warme Hosen. Doch eine Frau drückt sich an die Theke, die trug einen weiten Rock. Wo der Zwerg langsam den Seidenstrümpfen hoch blickt, eröffnet sich ihm eine phantastische Ansicht. Über eine glattrasierte Möse, nur von spärlichen Stoff bedeckt, strahlt ihm ein freundlicher Weihnachtsstern entgegen.
Dauert nicht lange, schleicht sich eine behaarte Männerhand unter den Rocksaum, grabbelt an den wohlgeformten Beinen hoch und höher.
Der Kleinwüchsige Mann überlegt, wie er diesem Treiben vor seinen Augen ein Ende setzen könnte.
Bevor die behaarte Männerhand ihr Ziel erreicht hat, steckt der Menschenzwerg zwei Finger in den Mund und lässt einen furchtbar lauten Pfiff unter der Theke hervordröhnen.
Die Haarige Männerhand zuckt so knapp vor dem Ziel erschrocken zurück und verschwindet wieder oben an der Theke.
Die Frau mit der nacktrasierten Möse tut einen Schritt zurück und sieht flüchtig auf den Boden vor ihren Schuhen. Da sie anscheinend nichts Gefährliches entdecken kann, nimmt sie ihre feuchtfröhliche Konversation mit ihrem Nachbarn wieder auf.   

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© by F. J. Puschnik

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