Das Kostbarste auf der Welt

Märchen zum Thema Liebeszauber

von  Mondsichel

In einem weit entfernten Reiche namens Goldanon, welches schon längst der Erinnerung entschwunden ist, lebte einmal ein König mit seiner Königin. Die Beiden hatten eine einzige Tochter namens Anna, die wunderschön von Angesicht, aber doch noch recht kindlich in ihrem Verhalten war. Sie mochte Spiele aller Art und vergnügte sich damit, den Dienern Streiche zu spielen, oder ihnen verzwickte Rätsel zu stellen...

Alsbald kam jedoch die Zeit, dass sie im heiratsfähigem Alter war. Und so befahl der König Herolde auszuschicken, damit mögliche Bewerber im Schlosse erscheinen würden. Prinzessin Anna war zwar recht kindlich, doch sie war sehr klug. Als die ersten Bewerber eintrafen, da merkte sie sehr schnell, woran es den meisten Prinzen lag. Es war nicht das Glück der Liebe, es war die reine Gier nach Macht und Reichtum. So dachte sie nach, wie sie die Bewerber möglichst schnell los werden könnte. Sie ersann eine List um sich dem ganzen Trubel zu entziehen...

So ließ man alsbald im Lande verkünden, das nur Derjenige die Prinzessin heiraten könnte, der die von ihr gestellte Aufgabe erfüllen würde. Könnte man die Aufgabe jedoch nicht erfüllen, würde man mit Schimpf und Schmach davon gejagt werden... Ein Prinz nach dem anderen scheiterte und musste das erheiterte Lachen der Prinzessin über sich ergehen lassen. Gedemütigt schlichen sie davon und fühlten unglaublichen Groll über ihre Torheit, sich diesem Schauspiel gestellt zu haben...

Einige Zeit verstrich, da hörte man auch in einem fremden Königreiche, das da Tringion hieß, von der Prinzessin und ihrem kleinen Spielchen. Die drei Prinzen des Landes baten ihren Vater um Erlaubnis, sich der Aufgabe der Prinzessin zu stellen. Der König schüttelte nur den Kopf und sagte: „Wollt ihr mit Spott und Hohn davon gejagt werden? Wollt ihr Euch dieser Demütigung stellen, die Euren Stolz verletzten und das Königreich in Schimpf und Schande bringen könnte?“ Der jüngste Sohn namens Lars trat darauf vor seinen Vater hin und antwortete: „Mein Vater. Wir sind uns sehr bewusst über die Gefahr der Demütigung. Doch wir sind gewillt, unserem Volke Ruhm und Ehre zu bringen.“ Der König lächelte über die weisen Worte seines Jüngsten und ließ schweren Herzen die drei Prinzen ihres Weges ziehen...

Sie ritten über Berge und durch Täler, vorbei an wunderschönen Seen und Flüssen, die durch das Bett der Täler flossen. Sie lauschten der Nachtigall und den Vögeln, die ihnen am Tage ihr fröhlichstes Liedchen sangen. Im strahlenden Sonnenschein und unter dem Blauesten Himmel, mochte das Herz vor Freude hüpfen. So sangen die Prinzen voller Inbrunst ein Liedchen, damit ihnen die Zeit nicht lang wurde. Und jeder der sich hörte, der lauschte andächtig und glaubte, den Mut und die Tapferkeit in ihren Stimmen zu hören. Nach vielen Tagen, kamen sie endlich, müde und erschöpft bei Hofe an. Sie kehrten in einer Gastwirtschaft ein und legten sich zur Ruhe, damit sie die Aufgabe der Prinzessin mit frischem Geiste erfüllen konnten...

Am nächsten Morgen gingen sie zum Tor des Schlosses und meldeten ihren Anspruch auf die Hand der Prinzessin an. Sofort wurden sie in den Thronsaal geführt, wo der zweifelnde König, die nervöse Königin und Prinzessin Anna, mit einem kalten Gesichtsausdruck auf sie warteten. Sie verneigten sich ehrfürchtig vor den Monarchen. Der König erhob das Wort: „Nun denn liebe Prinzen. Ihr habt sicher von den Regeln gehört, die an die Heirat mit Prinzessin Anna gebunden sind.“ Sie nickten ihm zustimmend zu. „Nun denn, dann lasst das Spiel beginnen!“ Ein wenig entnervt winkte er ab, setzte sich wieder auf seinen Thron und überließ das Schicksal der drei Prinzen seiner Tochter. Er glaubte nicht mehr an Wunder...

Anna erhob sich sogleich von ihrem Stuhle und ging fast tänzelnd um die drei Prinzen herum, die das Mädchen stumm musterten. Der Älteste namens Janek erhob nach einem Moment seine Stimme. „Prinzessin, ihr seid die Schönste, die mein Auge jemals erblickt hat. Meine Brüder und ich, wir sind gekommen um Eure Aufgabe zu lösen und Euer Herz zu gewinnen.“ Prinzessin Anna drehte sie sich ruckartig zu ihnen um und erhob ihre Stimme: „Wenn Ihr glaubt, mit Schmeichelein Reichtum und Macht zu erhalten, dann muss ich Euch enttäuschen. Wir oft hörte ich dies schon und musste doch feststellen, das es den Freiern nicht um mich, sondern um die Königswürde ging. Wenn ihr also nur darauf aus seid, dann verschwindet und kehrt niemals zurück! Denn ich heirate nur den, der sich würdig erweist mein Gatte zu werden!“ Ihre Augen waren stechend und kalt. Die Brüder schauten sich verwirrt an...

„Hört mir gut zu edle Prinzen! Ich werde Euch jetzt die Aufgabe stellen. Bisher, hat sie noch keiner gelöst. Vielleicht vermögt ihr es ja.“ Nun lächelte sie die Prinzen kühl an und schloss dann ihre Augen. „Bringt mir das Kostbarste, was es auf dieser Welt gibt! Dann bin ich bereit Euch zu heiraten. Aber überdenkt es gut, denn es bleibt Euch nur diese eine Chance!“ Mit einem hämischen Grinsen stieg sie wieder hinauf zu ihrem Throne, nahm Platz und schwieg. „Ihr habt es nun vernommen verehrte Prinzen. Dies ist wahrlich keine leichte Aufgabe, nur mit Weisheit ist sie zu lösen. Darum lasst Euch Zeit und übereilt es nicht.“ Die Königin lächelte hoffnungsvoll die drei jungen Männer an. Der Mittlere, namens Hans, sagte: „Jeder von uns wird in die Welt ziehen und einer von uns, wird Euch das Kostbarste auf dieser Welt bringen! Dann werdet ihr sehen, das wir nicht Eurer Schmach und Schande wert sind!“ Die drei Prinzen verneigten sich und verließen den Saal. Dann machten sie sich getrennt auf den Weg, um das Kostbarste zu finden, was es auf dieser Welt gibt...

Janek dachte lange darüber nach. Er ritt durch viele Länder, doch er konnte erst einmal nichts entdecken, was der Aufgabe der Prinzessin würdig gewesen wäre. Viele Tage war er schon geritten, bis er wieder in einen neuen Ort kam. Schließlich entschied er sich in dem Orte zu bleiben, in dem er gerade war. Denn die Reise hatte ihn müde gemacht. So beobachtete er einige Tage die Menschen, die tagsüber fleißig ihrem Tagwerk nachgingen. Dabei fiel ihm etwas ganz Besonderes auf und es erschien ihm, als wäre dies das Kostbarste, was es auf der Welt gäbe. So nahm er es mit und ritt wieder zurück zu dem Gasthof beim Schlosse, wo er auf seine Brüder wartete...

Hans zog ebenfalls durch einige Länder und schaute sich die schönsten Errungenschaften an, die diese Erde hervorbrachte. Doch er stellte bald für sich fest, das nicht Edelsteine das Kostbarste waren. Denn sie waren nur schön anzuschauen, das hatte die Prinzessin sicher nicht gemeint. Und als er da so saß und sann, da fiel es ihm wie Schuppen von den Augen. Er ging, kaufte es ein und machte sich auch wieder auf den Rückweg. Im Gasthaus beim Schlosse traf er auf seinen Bruder, der schon gewartet hatte. Gemeinsam wollten sie nun noch auf den Jüngsten warten...

Lars war auch durch viele Länder geritten, er sah und erlebte vieles, doch er wollte und wollte nichts finden, was der gestellten Aufgabe gerecht wurde. Fast erschien es ihm, als wäre dieses Rätsel unlösbar. Doch in einer Nacht, hatte er einen wunderschönen Traum, der ihm des Rätsels Lösung flüstern wollte. So erkannte der junge Prinz, was das Kostbarste auf dieser Welt sein musste. Er packte seine Sachen und ritt wieder zurück in das Königreich, wo seine Brüder schon auf ihn warteten...

Die Begrüßung war herzlich, doch niemand wollte dem anderen verraten, was er mitgebracht hatte. Denn so kam auch keiner in die Verlegenheit, dem anderen etwas Böses zu wollen. Im Grunde wollten sie ja nur eines, das Herz und die Liebe der Prinzessin gewinnen. Und dem Königreiche ihres Vaters Ruhm und Ehre zu bringen. Schließlich gingen sie gemeinsam zum Schlosse, um das Rätsel zu lösen...

Das Königspaar und die Prinzessin warteten schon ungeduldig, als die Prinzen endlich eingelassen wurden. Sie verneigten sich und der Älteste trat vor. „Auf meinen Reisen habe ich viele Dinge gesehen, die wohl sehr kostbar waren. Doch das Kostbarste, was ich auf dieser Welt finden konnte, war Wasser. Wenn wir kein Wasser hätten, würden wir jämmerlich zugrunde gehen. Kein Lebewesen wäre mehr fähig zu leben, denn ohne Wasser können auch die Pflanzen nicht mehr wachsen und jegliche Ernte wäre zunichte. Das für mich Kostbarste auf dieser Welt, ist das Wasser, das wir täglich brauchen! Ich habe es für Euch heute mitgebracht.“ Dann stellte er einen Krug mit Wasser vor ihr ab. Schließlich verneigte er sich und kehrte zu seinen Brüdern zurück...

Auf dem Gesicht der Prinzessin war Überraschung zu sehen. Denn bisher hatten die Freier immer nur Edelsteine, Gold oder sonstigen Tand mitgebracht. Materielle Dinge, die zwar schön, aber im Grunde wertlos waren. Kostbar, aber verräterisch wie nichts anderes auf der Welt. Denn daran erkannte sie, wonach das Herz sich wirklich sehnte. Nicht nach Liebe, sondern nach Reichtum und Macht...

Prinzessin Anna erhob sich. Dann blickte sie Janek ernst in die Augen und sprach zu ihm: „Ich danke Euch für Euer kostbares Geschenk edler Prinz. Ich sehe, Ihr habt den Sinn dieser Aufgabe verstanden. Ihr seid klug und mir scheint, als wäre Euer Sinnen nicht von Reichtum und Macht erfüllt. Selbst wenn Ihr heute nicht der Sieger sein werdet, so werdet Ihr doch mit Ruhm und Ehre aus diesem Schlosse gehen.“ Sie lächelte ihn äußerst freundlich an. Der König und die Königin waren glücklich, das scheinbar doch noch alles gut werden könnte...

Dann trat der Mittlere vor. „Auf meinen Reisen habe ich ebenfalls Dinge gesehen, die mir auf den ersten Blick recht kostbar erschienen. Der Glanz von Edelsteinen verwirrte für einige Zeit meine Sinne. Doch ich merkte bald, das ihr Funkeln nicht lebendig war. Es war nur der äußere Schein, von dem man sich blenden lassen konnte. Schließlich fand ich das für mich Kostbarste auf dieser Welt, das Salz. Mit Salz würzt man die Speisen, die sonst fade und geschmacklos sind. Salz ist aber auch Medizin und Lebensspender. Auch die Tiere im Wald haben erkannt, das Salz ein wichtiges Gut ist, das Leib und Seele zusammenhält. Salz wird bei jeder Begrüßung mit zum Brote gereicht, es ist Tradition. Ohne Salz, wäre das Leben nicht denkbar! Deshalb habe ich es für Euch mitgebracht.“ Er stellte ein kleines Säcklein mit Salz, neben den Krug mit dem Wasser. Dann kehrte er zu seinen Brüdern zurück...

Prinzessin Anna wurde bewusst, das sie es mit sehr klugen Menschen zu tun hatte, die da vor sie getreten waren. Und zum ersten Mal im Leben, war sie voller Spannung, was wohl als nächstes kommen würde. Keiner der bisherigen Freier, hatte sie so gefesselt... Sie wandte sich an Hans. „Ich danke Euch für Euer Geschenk edler Prinz. Ich sehe, auch Ihr habt den Sinn dieser Aufgabe verstanden. Auch Ihr seid klug und mir scheint, als wäre Euer Sinnen nicht von Reichtum und Macht erfüllt. Selbst wenn Ihr heute nicht der Sieger sein werdet, so werdet Ihr doch mit Ruhm und Ehre aus diesem Schlosse gehen.“ Und wieder lächelte die Prinzessin. Der König und die Königin konnten es gar nicht fassen, was da geschah...

Nun war der Jüngste an der Reihe. Zaghaft trat er vor, denn er fühlte die Blicke aller auf sich ruhen. Dann fasste er endlich Mut und sprach: „Wie meine Brüder bin auch ich durch die Länder gereist. Ich habe viel gesehen, viel gehört und doch, ich fand nichts in dieser Welt, was am Kostbarsten hätte sein können. Doch eines nachts hatte ich einen Traum. Mit träumte von Euch Prinzessin und mein Herz wollte fast zerreißen vor Glück. Vor Glück das ich lebe, vor Glück das ich dies empfinden kann, dass ich Euch getroffen habe. Und so wurde mir bewusst, was es ist, das Kostbarste auf dieser Welt.“ Alle hielten den Atem an und Lars fuhr mit roten Wangen fort. „Das Kostbarste auf dieser Welt ist das Leben. Und es ist die Liebe, die ich empfand, als ich Dich zum ersten Mal sah, holde Prinzessin. Es gibt nichts was stärker leuchtet als dieses Gefühl.“ Als würde er erwarten, das sie über ihn lachte, zog er sich verschüchtert wieder zurück. Doch die Prinzessin strahlte über beide Wangen...

„Du bist es!“ rief die Prinzessin. „Dein Geschenk ist wahrlich das Kostbarste, was es auf dieser Welt gibt. Ich möchte es gerne annehmen und Deine Frau werden.“ Der Jüngste war überrascht, als die Prinzessin ihn liebevoll umarmte und ihm einen leidenschaftlichen Kuss auf die Lippen gab. Der König und die Königin freuten sich sehr über das junge Glück. Janek und Hans ließen ihren Bruder hochleben. Sie waren nicht neidisch, denn auch sie erkannten, das ihr Bruder wahrlich das Kostbarste auf dieser Welt gefunden hatte. Alsbald wurde die Vermählung prachtvoll gefeiert, noch nie hat man das Volk und das Königshaus so vergnügt gesehen. So hat das Kostbarste auf dieser Welt, zwei Herzen für immer in tiefer Liebe vereint...

(c)by Arcana Moon


Anmerkung von Mondsichel:

Ich bin mir nicht so schlüssig, ob ich die einzelnen Personen näher beschreiben sollte (vom Aussehen), oder ob ich es so lassen soll. Was meint ihr? ;)

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Kommentare zu diesem Text

TanzderSinne (30)
(17.11.05)
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 Mondsichel meinte dazu am 17.11.05:
*lächel* Lieben Dank Ive. Ich habe die Geschichte meinem Vater heute vorgelesen und er meinte auch, ich solle nichts mehr dran ändern. Wenn also nicht doch noch irgendwas kommt, dann lass ich sie wirklich so wie sie ist ^^
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