Spektrum. Ein Ausschnitt, szenisch

Text

von  Alpha

Ort des Geschehens ist ein Raum mit drei Gesichtern, stellen wir uns ihn also vor als eine Art Farbzusammenkunft; blau, burgund und gelb sollen die drei Gesichter sein, aneinander wie auch gegenüber liegend, mit Grenzen, die sich winden und küssen, aber nicht verschwimmen, und einem Glanz, der farbuneigen in der Tiefe von zweien liegt, während das Dritte das Leuchten nur im Namen trägt.
So sitzt im Blau eine Person mit intelligentem Mundwinkel, auf einem Sessel oder Lehnstuhl, beides schlicht und doch vielsagend, dahinter mag ein Regal stehen gefüllt mit Worten, die zu sagen es noch nicht an der Zeit war, der Blick deutet auf die Welt und spricht in beständigem Raunen: Siehe, so sind die Dinge, du kannst sie fühlen und benennen und allen erklären, die Sicht dieser Dinge wird aber die deine bleiben und nie aus fremden Augen gleich zu formen sein.
Unmerklich dazu scheint die zweite Figur zu nicken, die auf einem Diwan ruht oder aber auf dem Boden sitzt, weil sie sich vor der Fläche nicht fürchtet und um die Tatsache weiß, dass sich Lehne wie Tischfläche nicht aus dem Grund erheben müssen, um existent zu sein. Rauchig ist die Luft im Burgund und trägt stumme Wirbel durch den Raum, wie auch die Mimik dieser Person nicht greifbar, doch schwer zu atmen ist, und kaum mehr als ein schwacher Schatten unter den Augen mag fähig sein die Gedanken dahinter nach außen zu tragen.
Geschäftig die dritte Person, die jeden Winkel ihres Raumes mit Zustimmung besinnt und summend die Lider über jene Momente schlägt, die sich aus der Zeit gebaren und flüchtig über ihren Handrücken strichen. Schmuck aus Bildern, jenen gemalten und aus den stillen Oberflächen ruhiger Gewässer gestrickten, trägt sie um den Hals geschlungen, unbenannt hängt eine Ahnung ringend am Ohr. Wie ein Mantel umschmiegt sie alles Gelb.

Donnerstag gegen Abend, womöglich neun Uhr, oder später. Ein Vogel erscheint plötzlich im Raum; nach einigen Runden landet er in der Mitte, hebt noch einmal kurz den Kopf und vergräbt ihn dann unter dem linken Flügel.

Stimme aus dem Gelb:
O seht nur!
Stimme aus dem Blau:
Natürlich sehen wir.

Nach ein paar Minuten des Schweigens,
Stimme aus dem Gelb:

Rührt er sich denn nicht? Was ist mit ihm?
Stimme aus dem Blau:
Er rührt sich nicht. Er schläft.
Stimme aus dem Gelb:
Aber warum ...
Stimme aus dem Burgund:
Er hat nur seinen Kopf vergraben.

Ein Windhauch streift das Gefieder, der Vogel rührt sich nicht.
Stimme aus dem Gelb:

Es muss doch einen Grund geben, dass er einfach so hier her fliegt. Und warum singt er nicht?
Stimme aus dem Burgund:
Weil er seinen Kopf unter dem Flügel hat.
Stimme aus dem Gelb:
Ja aber warum? Ich habe so einen Vogel noch nie gesehen. Er hat ja auch gar keine Farben.
Stimme aus dem Blau:
Fliegen kann er dennoch.
Stimme aus dem Gelb:
Aber ein Vogel muss doch singen!
Stimme aus dem Burgund:
Muss er?

Eine kurze Pause tritt ein.
Stimme aus dem Gelb:

Natürlich muss er, es ist ein Vogel!
Stimme aus dem Blau:
Vielleicht kann er trotzdem nicht singen.
Stimme aus dem Burgund:
Vielleicht mag er nicht singen.

Stimme aus dem Gelb:
Warum sollte er nicht singen wollen?
Stimme aus dem Blau:
Vielleicht singt er nicht für jeden.
Stimme aus dem Gelb:
Was soll das heißen?
Stimme aus dem Blau:
Das, was ich sagte.
Stimme aus dem Gelb:
Ich weiß genau, was du ...
Stimme aus dem Blau:
Woher solltest du? ... Lasst uns still sein.

Stimme aus dem Burgund:
Ich denke nicht, dass er schläft.
Stimme aus dem Gelb:
Ich möchte ihm gern etwas Gelb geben. Ein Vogel sollte eine Farbe haben.
Stimme aus dem Blau:
Vielleicht ist er deswegen hier.
Stimme aus dem Gelb:
Er will bestimmt etwas Gelb.
Stimme aus dem Blau:
Das kannst du nicht wissen.
Stimme aus dem Gelb:
Aber gelb wäre eine schönere Farbe für einen Vogel als Blau.
Stimme aus dem Blau:
Das ist nur deine Meinung.
Stimme aus dem Burgund:
Er hat keine aber nunmal keine Farbe. Es wird seinen Grund haben.
Stimme aus dem Blau:
Ja.

Stimme aus dem Gelb:
Und nun?
Stimme aus dem Blau:
Wir warten.
Stimme aus dem Gelb:
Aber wir können doch nicht ewig warten!
Stimme aus dem Blau:
Sicher können wir. Das haben wir die ganze Zeit.
Stimme aus dem Gelb:
Aber ich will nicht warten. Ich will jetzt wissen, was es mit diesem Vogel auf sich hat.
Stimme aus dem Blau:
Dadurch wird es sicher nicht besser.

Stimme aus dem Burgund:
Warum fragen wir ihn nicht einfach ...
Stimme aus dem Gelb:
Was?
Stimme aus dem Blau:
Ja, warum eigentlich nicht.


Anmerkung von Alpha:

Fragt mich nicht. Der Text könnte jeden Tag anders aussehen.

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Kommentare zu diesem Text


 Sonnenaufgang (11.04.06)
liebe alpha, fortsetzung, bitte! grüsse von felicitas

 Alpha meinte dazu am 11.04.06:
wenn das meine und/oder die bestimmung des textes ist, dann wird es so werden grüßend, A

 Bergmann (11.04.06)
Interessante Idee - allerdings (zu) fragmentarisch. Lass den Vogel zu mir nach Madeira fliegen, ich stelle ihm dann die crichtigen Fragen, und dann waechst ein gigantisches Maerchendrama aus seinem Schnabel...
(Kommentar korrigiert am 11.04.2006)

 Alpha antwortete darauf am 11.04.06:
Dass dir immer alles zu fragmentarisch ist ... das sollte man nicht mit unvollständig verwechseln, denn unvollständig mag es sein; nicht der Text, wohl aber das "Märchen", ja.

 Bergmann schrieb daraufhin am 12.04.06:
Ich steh nicht allein mit der Kritik - schreib weiter dran!
mueller (39)
(11.04.06)
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 Alpha äußerte darauf am 11.04.06:
Hja, so ... irgendwie auch überhaupt hach hmmpf.
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