Der lebende Weihnachtsbraten

Geschichte zum Thema Weihnachtsgeschichte

von  Rayoluna

Der lebende Weihnachtsbraten

Sie waren alle so niedlich, die Stallhasen meiner Freundin. Ich konnte mich nicht entscheiden, welchen ich nehmen sollte. Der mit den großen Löffeln, der mir aus der Hand fraß, oder doch lieber den kleineren, mit dem strubbligen Fell? Ich hatte einen Moment lang wohl vergessen, dass meine Freundin mir einen Weihnachtsbraten schenken wollte und kein Haustier.
Die Entscheidung überließ ich ihr, denn ich wollte nicht über das Schicksal dieser Nagetiere entscheiden. Meine Aufgabe war, sie 2 Wochen lang reichlich zu füttern, damit wir am Heiligabend, einen ordentlichen Braten auf den Tisch bekommen.
Zum schlachten, wäre ihr Freund zu mir gekommen, denn ich hätte es nicht übers Herz gebracht ein Tier zu Schlachten. Zur Not hätte mein Bruder sie schlachten können, denn auch er hatte sich eine lebende Gans gekauft, die vor Weihnachten geschlachtet werden sollte. Als allein erziehende Mutter mit vier Kindern, freute ich mich über einen Weihnachtsbraten, für den ich nichts zahlen musste. Eine Sorge weniger dachte ich - oh, wie habe ich mich getäuscht!
In einer großen Plastikbox mit Stroh, die wir ins Bad stellten, fühlten sich die 2 Hasen wohl. Die Kinder gaben ihnen Namen, Bernard und Bianca sollten sie heißen. Ich wusste damals schon im Voraus, dass es den Kindern, das Herz brechen würde, wenn ich ihnen Bernard und Bianca als Braten servieren würde …
Die süßen Stinker, wurden jeden dritten Tag abgebraust und trocken geföhnt. Wir ließen sie durch die Wohnung hoppeln und die Kinder spielten liebevoll mit ihnen. In ihren Gesichtern sah ich Zufriedenheit, sie strahlten vor Glück und mein schlechtes Gewissen wuchs von Tag zu Tag.
Sie nahmen die Hasen sogar mit ins Bett, weil sie sonst frieren würden; sagten sie!
Am 23. Dezember sollten sie geschlachtet werden und am 22. lag ich Stunden lang wach im Bett und überlegte, wie ich es den Kindern beibringen sollte und gleichzeitig suchte ich nach einer Lösung. Irgendwann schlief ich ratlos ein und am frühen Morgen wurde ich wach, als das Telefon klingelte. Es war meine Freundin, die mir mitteilte, dass ihr Freund auf dem Weg zu mir sei um die Hasen zu schlachten. Mein Herz  rutschte mir in die Hose und, als wenn ich ein zweites Herz gehabt hätte, klopfte es gleichzeitig im Hals. Ich zitterte am ganzen Körper und fing vor lauter Angst das Stottern an. Meine Freundin die meinen Zustand bemerkte lachte über mich, aber sie konnte mich verstehen. Ich schickte ihren Mann wieder Heim, aber dann hatte ich ein tierisches Problem. Wohin mit den Hasen? Ich konnte unmöglich Stallhasen in der Wohnung halten …
Ich schaffte es letztendlich, die Kinder zu überzeugen, dass die Hasen sich bei den anderen Stallhasen wohler fühlen würden, als in einer Plastikbox. Die Liebe zu Bernard und Bianca, war so groß, dass sie sich einverstanden erklärten, sie zurückzubringen. Aber nicht bedingungslos, Bernard und Bianca sollten niemals geschlachtet werden und sie wollten sie öfter besuchen dürfen. Das ließ sich arrangieren und die Kinder waren glücklich, aber wir hatten keinen Weihnachtsbraten.
Am Abend des 23. Dezember, rief mich eine andere Freundin an und fragte, ob wir schon einen Weihnachtsbraten hätten. Sie hatte bei einer Weihnachtstombola eine Gans gewonnen, da sie aber schon eine hatte, wollte sie mir diese Gans schenken. „Halleluja, dich hat Gott geschickt“, rief ich durch das Telefon und bedankte mich bei meiner Freundin.
Der Weihnachtsbraten war gesichert und wir hatten ein fröhliches Fest.
Als ich meinen Bruder anrief um ihm und seiner Familie „Frohe Weihnachten“ zu wünschen,
erfuhr ich, dass auch er es nicht übers Herz brachte seine Gans zu schlachten und sie in einem Tierfreigehege abgegeben hatte. Wir mussten herzhaft lachen und waren uns einig, dass wir uns nie wieder einen lebenden Weihnachtsbraten besorgen.

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Kommentare zu diesem Text

Zentoolino (60)
(16.12.06)
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 Rayoluna meinte dazu am 16.12.06:
Hallo Leonore,
Vielen Dank für deinen Kommentar! Der Grund deiner Trennung, war doch hoffentlich nicht der Karpfen. Ich wusste eigentlich von Anfang an, dass ich es nicht fertig bringen würde, die Hasen zu schlachten. Aber ich wurde überzeugt, wie gut ein Hasenbraten schmeckt und außerdem, hätte ich vom schlachten nichts mitbekommen. Trotzdem konnte ich es nicht mehr zulassen, dass sie geschlachtet werden. Wir hätten sie auf keinen Fall verspeist.
Liebe Grüße ... Franci
Lebenslust (63)
(16.12.06)
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 Rayoluna antwortete darauf am 16.12.06:
Vielen Dank für deinen Kommentar liebe Birgit! Stimmt, man gewöhnt sich schnell an die Tiere und wenn die Kinder ihnen dann noch einen Namen geben, kann man sie nicht mehr schlachten lassen. Ich wünsche dir einen schönen 3. Advent!
Liebe Grüße, Franci
Vergißmeinnicht (48)
(18.12.06)
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 Rayoluna schrieb daraufhin am 18.12.06:
Danke für deinen Kommentar liebe Bettina, es hat mich gefreut, dass du vorbei geschaut hast. So sind wir Frauen, viel zu weichherzig, aber ich glaube, das hätte so mancher Mann auch nicht gekonnt. Mein Bruder hat es auch nicht übers Herz gebracht, seine Gans zu schlachten.
Liebe Grüße und auch dir wünsch ich einen schönen Abend!
Franci
zackenbarsch† (74)
(26.12.06)
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 Rayoluna äußerte darauf am 26.12.06:
Danke fürs kommentieren lieber Friehelm! Die Kinder konnten sich genau daran erinnern, und haben geschmunzelt, als ihnen am Heiligabend die Geschichte vorgelesen wurde. Sie wird ihnen unvergesslich bleiben.
Frohe Weihnachten!
Liebe Grüße, Franci
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