Ein ganz besonderer Abend

Text zum Thema Weihnachtsgeschichte

von  Bellis

Ich bin ja immer noch auf der Suche nach meinem ganz persönlichen Heiligabendritual. Für die klassische Bescherung bei meinen Eltern fühle ich mich zu alt. Eigene Kinder, die man unter dem Weihnachtsbaum bescheren und für die festliche Stimmung verantwortlich machen könnte, habe ich nicht. Also überlege ich, was ich denn zusammen mit meinem Liebsten unternehmen könnte, um den Abend zu einem außergewöhnlichen, strahlenden, heiligen machen zu können, ohne dafür religiös zu werden.
Auf meine Bitte um Vorschläge erzählte mir meine Schwester von ihrem ersten Heiligabend mit ihrem Frischangetrauten und dem ersten Baby. Die junge Familie war gerade in die erste gemeinsame Wohnung eingezogen, und meine Schwester plante ebenfalls, den Abend zu etwas ganz Besonderem zu machen.
Meine kleine Nichte wurde bereits am Nachmittag beim Kaffeetrinken von allen Großeltern beschert, so dass sie abends satt und k.o. im Bettchen lag, als meine Schwester den Tisch festlich für´s Abendmahl deckte, während mein Schwager eben noch mal bei den Nachbarn klingelte, um denen ein frohes Fest zu wünschen.
Der Gänsebraten war fertig – mein Schwager kam nicht wieder. Die Klöße waren gar – keine Spur von dem Mann. Der Duft von Apfel-Nelken-Rotkohl zog (von meiner Schwester hoffnungsvoll hinausgewedelt) verlockend durch den Hausflur – der Typ ließ sich nicht blicken.
Drei Stunden später, als die Fetttröpfchen auf der Gans bereits erstarrt, der Rotkohl wieder kalt und die Klöße endlich elastisch genug zum Tennisspielen geworden waren, kam mein Schwager endlich heim. Lustig, lustig, tralalalalaaa... war er, denn die alten Nachbarleutchen, froh darüber, durch seinen Besuch einen besonderen Abend zu erleben, hatten ihn mit Eierpunsch abgefüllt.
Da lag er nun, der Weihnachtsehemann, blau und selig auf der Couch mit einem engelhaften Grinsen auf dem Gesicht und wollte gemütlich einpennen. Sehr zum Verdruss meiner Schwester, die sich den Abend ja nun ganz anders vorgestellt hatte. Also riss sie, unter lautem Schimpfen (schrill wie ihr alter Wecker) das Stubenfenster auf, damit ihm der Sauerstoff den Alkohol aus dem vernebelten Kopf pustet. Doch mein Schwager jammerte nur leise, dass ihm so kalt sei, zog seine langen Beine bis unter sein Kinn und schlummerte weiter...
Stille Nacht, heilige Nacht, einer schläft, der andere wacht...

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Kommentare zu diesem Text


 Dieter_Rotmund (02.12.19)
Handwerklich sehr ordentlich, inhaltlich mit jedoch zu rührselig-trivial.
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