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Erzählung zum Thema Zukunft

von  bluedotexec

M-Port 22 gehörte direkt zu der Lokalität, die Gee erreichen wollte. Die Lebensmittelausgabe war ein großes, aber im Vergleich zum Vernichtungsministerium winziges Gebäude, das nur aus einer Sache zu bestehen schien.
Türen.
Es gab Türen in jeder Wand, jedem Gang, sie führten größtenteils ins Nichts, in lethargische Frustation, die einen dazu trieb, soviel zu essen wie man nur bekam. Hinter jeder der Türen wartete eine bestimmte Lebensmittelgattung. Freilich war niemand gezwungen, nach der entsprechenden Tür zu suchen. Gee nahm einmal mehr einen Scanner zur Hand und hielt ihn sich in den Nacken.
"G33X-P4X. Sie haben heute ihre Aufgabe erledigt. Sie sind als lebensmittelknapp verbucht. Sie melden Lebensmittelknappheit. Was kann ich Ihnen zuweisen?"
"Weißbrot. Nährstofffrei. Kartoffelbrei. Marmelade. Schwarzbrot. Schokolade." Gee ratterte die Liste ab, die sie von ihrem PDA ablas. Wenn sie etwas in nahrhafter und nährstoffarmer Ausführung brauchte, fügte sie die entsprechende Bemerkung hinzu.
"Ihre Einkäufe treffen in Kürze ein. Haben Sie einen schönen Tag, G33X-P4X?" Kam in Gees Gehirn an.
Gee wollte gerade antworten, als ihr die Abweichung auffiel. Noch niemals hatte das System eine Frage gestellt. Darauf war es, soweit sie wusste, nicht ausgelegt. Das System war unfehlbar und sich dessen mehr als bewusst. Das System wusste - solange es existiert, geht es seinen Bewohnern gut. Es konnte sich selbst nicht in Frage stellen, denn daraus würden Abweichungen entstehen.
"System - Anfrage wiederholen." Sagte sie mit leichtem Zittern in der Stimme.
"Ihre Einkäufe treffen in Kürze ein. Haben Sie einen schönen Tag."
Gee nahm langsam den Scanner aus ihrem Nacken und sah in das pulsierende, blaue Auge. So blau, so beruhigend. Nein, sie hatte sich geirrt.
In einem kleinen Gitterwagen kam eine Anzahl Päckchen und Tüten an. Hinter sich hörte Gee die Laserwaffen surren, als sie sich für einen Systemcheck in ihren Halterungen aufrichteten. Sollte ein Kunde seine Einkäufe nach einer Minute und sechsundzwanzig Sekunden nicht aus seinem Korb entnommen haben, würden ihn die Waffen vaporisieren. Ein Mensch, so das System, der nicht den Willen zeigt, sich und damit das System aufrecht zu erhalten, muss durch einen anderen Menschen ersetzt werden. PKZs sind der Schlüssel. Ihre PKZ stand vorne an dem Wagen, der gerade angekommen war. Sie begann damit, die Kartons und Schachteln in eine große Tüte zu räumen und verließ den Supermarkt. Die Sache mit der Anfrage des Systems war ihr dann doch nicht ganz geheuer.

"Guten Tag, Gee. Wie geht es Ihnen heute?" Als Gee ihr Apartement betrat, begrüßte sie ihr Organisationsrechner mit Spitznamen. Das war eine Sondergenehmigung, die ihr das System aufgrund eines bestimmten, nicht codogenen Strangs ihrer DNA eingeräumt hatte - das Recht, über die Begrüßung zu entscheiden. Die Org-Rechner waren zwar Teil des Systems, aber sie waren als Haupteinheit des Privatsphäre-Simulations-Programms (PSP) darauf ausgelegt, ein positives Befinden bei ihren Mündeln hervorzurufen.
"Ich brauche einen Tee."
"G33X-P4X. Die Lebensmittel müsen nachgefüllt werden."
Gee verteilte die einzelnen Packungen auf die verschiedenen Gerätschaften in der Küche. Eigentlich gab es nicht viel hier. Da war nur der Kühlschrank, der Lagerschrank und der QuickVic, ein Bestandteil des Org-Rechners, der für die Ernährung des Bewohners des Apartements zuständig war. Jede Packung hatte einen Strichcode, die eine Aussage über ihren Inhalt machte.
"Ihr Tee ist fertig."
Letztlich, so dachte Gee, geht es mir wirklich, wirklich gut. Dann nahm sie im Aufenthaltsraum Platz und ließ sich von ihrem Org-Rechner instruieren.
"Das System hat heute aktualisiert. Ihnen wird angeraten, sich innerhalb der nächsten 43,7 Stunden einer medizinischen Untersuchung zu unterziehen. Des Weiteren wird heute Nacht zwischen 22:21 Uhr und 22:23 Uhr die Wohnung ihres Nebenbewohners, G3X3-PX4, von der Polizei einer routinemäßigen Untersuchung unterzogen. Es kann dabei durch die Ungeschicklichkeit der Beamten zu Lärmbelästigung oder unflätigem Verhalten in Form diffamierender Äußerungen kommen. Halten Sie sich in dieser Zeit bitte bereit, falls ihre Hilfe benötigt wird."
Gee lehnte sich zurück.
"Noch Besorgungen?"
"Nein, Gee. Nichts mehr für Sie zu erledigen."
"Dann sind das sicher alle Informationen?"
"Ich denke schon."
Da war es schon wieder. Denken war etwas, das Menschen taten. Das System behandelte das menschliche Denken wie eine ungebührliche Angewohnheit, wie Nasenbohren oder Fingernägelkauen etwa. Der Orga-Bot war aber zu sehr Bestandteil des Systems, um in der Lage zu sein, sich so zu äußern.
"Dann sind das sicher alle Informationen?"
"Positiv."
"Wiederhole letzte Wiedergabe."
Das Org-Programm suchte einen Einstiegspunkt und spielte dann die Aufzeichnung des Gesprächs ab. Gee hörte ihre eigene Stimme, wie sie sich vergewisserte, dass es nichts mehr zu erledigen gab. Dann folgte die Aussage des Org-Rechners.
"In der Tat. Keine weiteren Informationen seit der letzten Aktualisierung."
Gee lief ein kalter Schauer über den Rücken. Das war ihr in ihrem ganzen Leben noch nicht passiert. Sie hatte im theoretischen Unterricht von Einbildungen gehört, und sie hatte sogar schon ein- oder zweimal ein Erlebnis als solche identifizieren können. Das hier war jedoch anders. Unüblich. Das war etwas, das sie auf jeden Fall vor dem System verbergen musste.
"Ihr Stresspegel ändert sich. Wird berechnet..."
Das würde schwierig werden. Genau genommen war es eine Unmöglichkeit. Man hatte ihr ja nie beigebracht, wie das überhaupt funktionierte.
"Nein. Ich werde schlafen gehen. Mach bitte die Tabletten fertig."
"Wünsche angenehme Nachtruhe. Ich werde sie bezüglich der Routinekontrolle im Nebenraum auf dem Laufenden halten, wenn es nötig ist."
"Danke."
Gee's Tag hatte bis zu diesem Zeitpunkt etwas über vier Stunden gedauert und es war jetzt früher Nachmittag. Die Dosis würde entsprechend hoch und ihr Schlafkater morgen entsprechend stark ausfallen.
"Und mach mir morgen früh etwas gegen das WDS fertig."
Das Wachphasen-Defizitsyndrom war die einzige Nebenwirkung der Schlaftabletten.

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Kommentare zu diesem Text

Elvarryn (36)
(05.05.09)
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 Mutter (05.05.09)
Erinnert mich an alte Zeiten - an das Rollenspiel Paranoia. 'Der Computer ist dein Freund!'

Und nein, ich bin kein Kommi-Verräter ... :D

 bluedotexec meinte dazu am 05.05.09:
Sagt mir gar nichts^^
Aber der Satz wurde glaube ich mittlerweile abgelöst von "The cake is a lie!"
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