Gelassenheit? Kann ich!

Text zum Thema Geduld/Ungeduld

von  jennyfalk78

Bist du eher der Typ, den man schnell aus der Fassung bringt, der von Null auf Hundert geht,  oder kannst du 10 Dinge auf einmal erledigen, ohne dass  Geräusche, Mitmenschen und das ständig klingelnde Telefon dich aus der Ruhe bringen?
Ich persönlich gehöre ja zu denen, die sich gerne innerlich aufregen und versuchen tief durchzuatmen, wenn es die Umstände verlangen. Es gibt durchaus Situationen, in denen es hilft bis zehn zu zählen oder sich abzulenken. Aber, zugegeben, wenn ich in einer Arztpraxis sitze, 39 Grad Fieber im Kopf, und alle Namen dieser Welt aufgerufen werden, nur nicht meiner. Ja, dann schwillt mir der Kamm. In solchen Fällen quengelt auch gerne ein Kleinkind neben meinen entzündeten Ohren, Oma Gertrud blättert mit Influenza Händen furchtbar laut,  vor sich hin schniefend oder schimpfend ( da wird sie mir schon sympathischer ) die Zeitschriften durch und natürlich bin ich in der Frühstückspausenzeit ( Jeder kennt dieses unbarmherzige Schild auf dem Tresen.“ Wir machen Pause. Bitte haben sie Verständnis.“) anwesend. Oder dieser Eine, der auf Krampf gute Laune verbreiten will,  indem er jeden anlächelt. Da kommt in mir so ein Schlagringgefühl  auf.  Und, damit wir uns hier nicht missverstehen, ich finde Mitmenschen durchaus akzeptabel. Es sind halt die, die mich stören, genau die kann ich nicht leiden. Genug  Gehirnfäuste geballt, bin völlig abgewichen auf meinem  Sekret verseuchtem  Wippelstuhl. Sobald , nach gefühlten 3 Stunden, mein Name aufgerufen wird, verblasst die Wut.
Irgendwann, nachdem ich in der Apotheke ( ganz klar Oma Gertrud blättert diesmal die Packungsbeilage, die Schlange wartet, ich kämpfe mit allen Fieberkrämpfen ) meine Rezepte einlöste, inclusive  innerlichen Wuttiraden, schlich ich entkräftet nach Hause.
Also, Gelassenheit kann ich!
Dieselbe stellt sich  dann auch  gleich ein, wenn die 5 Nachbarskinder trampelnd Kicker spielen. Am liebsten am Wochenende, so kurz nach sieben. Die Kleinste fährt polternd mit dem Bobbycar, zwei fangen sich gegenseitig, der Große muss Bälle werfen und wie soll es anders sein, der Mittlere übt Posaune. Während also die Kinder beschäftigt sind, holen die Eltern den Industriestaubsauger raus und röhren was das Zeug hält. Oh, ich vergaß, das in den Abendstunden liebevoll die Möbel verschoben werden. Man braucht schließlich Platz zum Twister spielen. Währenddessen sehe ich sämtliche Columbo, CSI und Criminal Minds Folgen durch. Irgendein perfektes Verbrechen muss es doch geben!
Wäre an sich alles kein Problem, wenn ich nicht mit den Nachbarn aufstehen und schlafen gehen müsste. Seit fünf Jahren atme ich alle Luft der Welt, meditiere den Lärm auf erträglich, denke immer wieder: „ Es sind Kinder. Jedes Kind läuft, trampelt, schreit. Du weißt genau wie es ist. Mach dich locker, sie werden groß.“ Und an manchen Samstagen in der Früh, sehe ich mich gedanklich Messer wetzen, schreien und fiese Pläne schmieden. Letzten Sonntag zum Beispiel, es war halb sechs ( ja Freunde Morgens!) habe ich beschlossen ab jetzt immer Tennis in der Wohnung zu spielen. Von Montag bis Freitag ab um Sieben, Abends. Da gehen die kleinen Racker endlich ins Bett und meine Rache wäre so unglaublich wundervoll .In einem Tatort hat der Kriminelle die Bewegungen von oben getaktet, Kreise an die Decke markiert  und wusste, wann er wo zu schießen hatte. So unter uns, die Markierungen stehen schon.
Nun, stattdessen bin ich bei Immoscout gelistet und sehe mir jede Woche eine neue Wohnung an. Ja aber, ich liebe meine Räumlichkeiten! Und überhaupt, warum sollte ich denn gehen?
Ich bin also, irgendwie  im Netz zwischen Lassen und Hassen. Zwischen Be- und Gefangenheit.
Wer sagt eigentlich was die Schmerzgrenze ist?  Die ganze Welt schwafelt was von Toleranz, Akzeptanz und Friede  miteinander. Dieselbe sieht  nicht mal den Tellerrand, geschweige denn , den Willen es besser zu wollen. Ganz ehrlich? Alle die einen Ruhepuls von 60 haben  fördern meinen Infarkt. Welchen auch immer.  Und nein, ich bin kein napoleongetränkter, cholerisch, narzistischer Mensch. Alle meine Ärzte haben das bestätigt. Ich bin eine total langweilige Durchschnitts- Persönlichkeit. Verrückt ! So runter erbrochen, auf den einzelnen. Den ganzen Frust und Ärger nonchalant zu schlucken? Was passiert dann mit dem inneren  Gleichgewicht?
Gibt es dann überhaupt noch ein Gegengewicht?
Ja, ja alle kaufen den sogenannten inneren Frieden,  viel Verständnis,  die Umgänglichkeit und Harmonie zwischen den Mitmenschen.
Reicht mir alles schon wieder. Der Gedanke an all die Unzulänglichkeiten, Ignoranz, Pseudoergriffenheit lässt mich die Messer wetzen.
Am Arsch ist die Ente fett!

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Kommentare zu diesem Text


 Dieter_Rotmund (24.01.19)
Wie bitte? Ohne welches Geräusch???
Easy (32)
(24.01.19)
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 TassoTuwas (27.01.19)
Nein Jenny, meine Ergriffenheit ist nicht pseudo. Sie ist echt, auch wenn sie schmunzelt. Ich stell mir, vor alle Menschen wären so wie ich. Da würde ich aber ausrasten .
Herzliche Grüße
TT
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