Heimsuchung

Sonett zum Thema Alles und Nichts...

von  Isaban

Oft habe ich danach gesucht,
einst hatte ich es kurz gefunden
und wusste bald: Ich bin verflucht!
Es küsste mich, dann wars entschwunden.

Der Alltag mag mir nicht mehr munden,
ganz gleich ob arm, ob wohlbetucht,
speit jeder Tag nur neue Stunden,
ganz ohne Liebreiz, ohne Wucht.

Wie wünschte ich, ich kennte nicht
des Glückes holdes Angesicht -
so muss ich es auf immer missen.

Herr, falls du mir dein Ohr heut leihst,
du, der du liebst und auch verzeihst,
lass es mich doch noch einmal küssen!

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Kommentare zu diesem Text


 AZU20 (10.06.19)
Wunderschön. Ich wünsche es Dir. LG

 Isaban meinte dazu am 10.06.19:
Danke schön. Ich dir auch. LG

 Regina (10.06.19)
Perfektes Wunschsonett.LG Gina

 Isaban antwortete darauf am 10.06.19:
Merci, Gina. LG Sabine

 AchterZwerg (10.06.19)
Hallo Isaban,
im letzten Vers gibt es einen klanglichen Stolperstein (vermutlich ein Versehen), den du durch Weglassen des Füllworts schließen könntest.
"Lass es mich noch einmal küssen!."
Sehr gut gefällt mir:
"Speit jeder Tag nur neue Stunden."

Schönen Gruß
der8.
Cora (29) schrieb daraufhin am 10.06.19:
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 AchterZwerg äußerte darauf am 10.06.19:
Es geht mir nicht um Erfahrung oder einen Mangel daran, sondern ausschließlich um das Sonett.
Nach der vorliegenden Version läge die Betonung auf "Lass, doch, ein, küssen."
Wenn der letzte Vers tatsächlich hervorgehoben werden soll, böten sich (klanglich) weitaus geschicktere Lösungen an:

"Lass zu, dass es mich wieder küsst"
"Lass Du es mich noch einmal küssen" etc. Vielleicht mit einer Leerzeile versehen.

 Isaban ergänzte dazu am 10.06.19:
Hallo zusammen!

@ Cora:

Stimmt. Und vielen Dank für deine hohe Meinung.

@AchterZwerg:

Hallo AchterZwserg,

ja, das letzte Terzett hat es metrisch in sich - S4, V1 und 2 lassen sich als (einsilbig) tropfender Jambus oder gebetsmäßig mit Zäsur nach dem Auftakt lesen. Der letzte Vers jedoch steht im Jambus, in einem absichtlich etwas (durch lauter Einsilber hervorgerufen) zögerlichen.

Angedacht war, dass es so rüberkommen soll, wie eine nur sehr zögerlich vorgebrachte Bitte, wie eine Bitte, bei der man weiß, dass sie einem eigentlich nicht zusteht.

Ich würde die Betonungen dort so ixen:

Herr, falls du mir dein Ohr heut leihst,
X | X x X x X x X
du, der du liebst und auch verzeihst,
X | X x X x X xX
lass es mich doch noch einmal küssen!
x X x X x Xx Xx


Wenn das sehr störend erscheint (wobei ich auf die Anreden und Zäsuren in S4, V1 und 2 nicht verzichten mag), könnte ich in V3 auch deinem Vorschlag folgen oder ihn eventuell so:
"lass mich mein Glück noch einmal küssen"
oder ähnlich umbauen.

Herzlichen Dank für die konstruktive Rückmeldung.

Mit freundlichen Grüßen
Isaban

Antwort geändert am 10.06.2019 um 16:54 Uhr

 AchterZwerg meinte dazu am 10.06.19:
Hallo Isaban,
deine Xerei überzeugt mich leider nicht. Im Deutschen wid nun einmal das Verb betont (und nicht das "es") - Ausnahmen finden sich bei einer starken Lautung, die hier aber nicht gegeben ist, denn bis auf "einmal" handelt es sich ausschließlich um kurze Vokale.
Und genau deshalb gibt es eine hörbare Dissonanz, die durch die zugefügte Silbe (Füllwort) noch verstärkt wird.
Wenn es dir so gefällt, ist das für mich ok.
Meine kritischen Anmerkungen haben ausschließlich Vorschlagscharakter. man kann sie annehmen oder nicht. :)

Mit freundlichen Grüßen
der8.

 Isaban meinte dazu am 11.06.19:
Werter AchterZwerg,

warum wirst du gleich so energisch?
xX x X x X xXx
Verzeih, wenn ich dir widerspreche -
xX x X x XxXx
Verallgemeinerung tut selten gut.
xXxXxX x Xx X
Im ganz normalen Sprachgebrauch wird zweifelsfrei nicht jedes
x X xXx XxX x XxX x Xx
einsilbige Verb betont.
Xx(X)x X xX

Freundliche Grüße
Isaban

Antwort geändert am 11.06.2019 um 05:39 Uhr

 loslosch meinte dazu am 12.06.19:
verallgemeinerung tut selten gut. ja, im doppelten sinn.

manchmal hängt es von der satzkonstruktion ab: nachtigall, ich hör dir trapsen. oder: er sagte, dass er die nachtigall trapsen hört.

unerhört!

 niemand (10.06.19)
@ Isaban
Die letzte Zeile geht für mich vollkommen glatt durch beim Lesen.
Da holpert nix. Das sage ich nicht um jemandem zu widersprechen, oder mich hier wichtig zu machen. Es ist einfach
so, dass es fließt. Mit lieben Grüßen, Irene

 Isaban meinte dazu am 11.06.19:
Hallo Irene,

das beruhigt mich sehr. Hab herzlichen Dank für deine Rückmelung.

Mit lieben Grüßen, Sabine

 AchterZwerg meinte dazu am 11.06.19:
Mich beruhigen eure Meinungen auch
Aber auch in jeder Hinsicht. :)
Wer aus einem Achtsilber (in den Terzetten) anhand eines Füllworts einen Neunsilber macht, um ein fast durchgängig kurzvokaligen Vers seiner natürlichen Versbetonung zu berauben, ist mit Sicherheit niemand, dem ich mit Textarbeit kommen sollte. Und auch nicht mit Musikalität.
Dieses, in seiner Gesamtheit leicht trutschige (bspw. "kennte", "des Glückes holdes Angesicht" ...) Sonett, birgt imerhin einen schönen Vers.
Das muss wohl genügen.

Mit freundlichen Grüßen
der8.

 Isaban meinte dazu am 11.06.19:
Hallo der8,

die natürliche Betonung liegt anscheinend manchmal im Auge des Betrachters und manchmal ist auch ein Stilmittelchen erlaubt, zum Beispiel wenn man sich bei einem klassischen Thema auch des entsprechenden Sprachgebrauches befleißigt oder wenn man durch Überlänge, Einsilber und metrische Unsicherheit Zögerlichkeit in einen Vers bringt (oder es zumindest versucht). Manchmal übertragen die Stilmittel die erhoffte Wirkung auf den Leser, manchmal nicht, dann sollte man als Autor zumindest gründlich darüber nachdenken, ob man den Text noch einmal überarbeitet.

Wie du aus meiner ersten Antwort zu deiner Rückmeldung entnehmen kannst, war ich durchaus zu Textarbeit bereit, nur muss diese auch überzeugen. Wenn mir jemand erzählt, dass im Deutschen nun mal prinzipiell alle Verben betont werden, kann ich dem aus Überzeugung und nach bestem Wissen und Gewissen widersprechen und meine Überzeugung selbstverständlich auch (erneut) mit ein paar eilig dahingeworfenen (in diesem Falle themenfremden) Versen belegen:

Der Wind weht heute mit Gebraus,
x X x Xx X xX
pfeift lauthals, streicht voll Wucht ums Haus.
x Xx X x X x X
Der Karl schläft seinen Rausch noch aus,
x X x Xx X x X
träumt stundenlang vom Vogel Strauß,
x XxX x Xx X
kaum wacht er auf, muss er hinaus.
x X x X x X xX

Ich habe hier die Gründe aufgezählt, warum ich das letzte Terzett so gestaltet habe - und zwar ohne in irgendeiner Form unhöflich oder gar unwirsch zu werden. Mangelnde Kritikfähigkeit oder verminderte Musikalität zu unterstellen, weil man eine Meinung nicht teilt, halte ich für wenig sachlich und sachdienlich.

Die von dir genannten Gründe, meinen Text nach deinem Gusto umzubauen, überzeugten mich nicht wirklich - und man sollte als Autor Texte immer nur aus der vollen Überzeugung heraus abändern, dass mit dieser Änderung eine Verbesserung einhergeht. Das ist hier nicht der Fall. Damit müssen wohl sowohl Autor als auch Kommentator leben.

Es freut mich, dass dich zumindest ein Vers überzeugen konnte.
Ja, manchmal muss das wohl genügen. Auch ich gehe davon aus, dass gemeinsame Textarbeit für uns beide kaum in Frage kommt. Beenden wir diese inzwischen recht unerfreuliche Konversation.

Mit besten Grüßen
Isaban
Agneta (62)
(11.06.19)
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 niemand meinte dazu am 11.06.19:
Ich liebe die deutsche Korinthenkackerei

 Isaban meinte dazu am 11.06.19:
@ niemand:

Ja, liebe Irene,

wir Deutschen sind unbestritten - ganz besonders was unsere Regelhörigkeit angeht - ein amüsantes Völkchen. :D

Aber durch Diskussionen dieser Art kann man Wissen und Erfahrungsschätze austauschen, sieht wie andere mit ihrem Wissen umgehen, überdenkt die eigene Vorgehensweise und lernt immer wieder etwas dazu - oder erkennt nach dem Überdenken zumindest, was man so ganz und gar nicht mit seinem Text anstellen will, wobei am Ende der Diskussion nicht zwingend alle auf dem gleichen Standpunkt stehen müssen - hier, wie überall, ist Toleranz angesagt, leben und leben lassen.

Konstruktive Textkritiken möchte ich in keinem Falle missen, solange alle Diskutierenden gelassen, sachlich und höflich bleiben und respektvoll miteinander umgehen - und ich freue mich über jede Diskussion, bei der das gelingt.

Herzliche Grüße
Sabine

@ Agneta:

Liebe Agneta,

dein "danach" übernehme ich gern, tausend Dank dafür! Ich muss gestehen, dass ich die Möglichkeit einer "männlichen" Auslegung des "ihm" im ersten Vers gar nicht bedacht habe, das Neutrum war mir zu selbstverständlich (das nennt man wohl Betriebsblindheit...) - deine Anregung löst das Problem auf bestmöglichste Weise. Merci!

Ja, "betucht" lang, "Wucht" kurz, eine reimliche Unreinheit, die durch die klanglich kraftvolle Kürze die inhaltlich erwähnte Wucht unterstreichen soll.

Ich weiß, ich weiß, ginge man ganz streng nach Hegel vor, wäre solch ein unreiner Reim ein Schwerverbrechen, aber auch wenn mir alle Konservativen auf den Deckel steigen: Lyrik hat sich weiterentwickelt. Ich finde es wichtig, alle Regeln und Erfordernisse einer Gedichtart zu kennen und zu beherrschen, noch wichtiger aber finde ich, diese Regeln möglichst gelungen brechen zu können (und zu dürfen), so dass allein durch den Regelbruch schon eine zusätzliche, erspürbare Bebilderung, beziehungsweise stilistische Unterstreichung des Inhalts stattfindet. Ich weiß, dass wir da unterschiedlicher Ansicht sind, aber ich bin auch gewiss, dass wir einander unsere Standpunkte nicht übelnehmen.

Und du hast Recht, würde man die Anreden aus dem Gebet ausbauen, würde alles schön glatt klingen und fließen, es wäre keine Zäsur nötig, es gäbe keine unbehagliche kleine Pause im "Gespräch", wie man sie wohl von eigenen Gängen nach Canossa kennt.

Aber passt so eine Glätte zu einem flehenden Gebet, zu einem unsicheren Bittsteller, der genau weiß, dass er eigentlich kein Anrecht auf die Erfüllung seiner Bitte hat, darf da alles feingeschmirgelt und fließend sein - oder gibt es da nicht auch die Möglichkeit, den Leser durch stilistische Mittel spürbar mit auf die (zögerliche) Leidens- und Bittsteller-Reise zu nehmen?

Genau das habe ich hier versucht. Ich mag das Gebet nicht ausbauen, mag das metrische Wagnis der Zäsur nach der direkten Ansprache hier nicht mindern, ich möchte ja grade, dass der Leser die Wackelpartie mitfühlen kann, dass der Leser sich an dieser Stelle nicht allzu behaglich fühlt, dass das letzte Terzett nicht so einfach durch Aug und Hirn flutscht, dass offensichtlich ist, dass es im allerletzten Vers eine Silbe zuviel gibt, eben die Hoffnung, trotz vertaner Chance doch noch einmal - wenn es vielleicht auch nicht langen währen mag - glücklich zu werden, doch noch einmal dieses Glücksgefühl zu erleben, an dem er damals mal kurz schnuppern durfte, bevor es für immer entschwand.

Ich merke schon, ich mute euch Lesern einiges zu, vielleicht zu viel. Vielleicht sollte ich zumindest Vers 14 ein wenig glätten - aber würde das der ganzen Bitte nicht die Leidenschaft, die Inbrunst, die Dringlichkeit nehmen? Ich denk noch einmal drüber nach.

Hab vielen Dank für deine Interpretation, die konstruktive Kritik, die Gedankenanstöße und die hilfreiche Anregung für V1, der ich gern gefolgt bin.

LG von Isaban.

Antwort geändert am 11.06.2019 um 20:50 Uhr
Agneta (62) meinte dazu am 11.06.19:
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 Cathleen (11.06.19)
Ich hoffe sehr, der Text ist nicht authentisch. Sonst müsste ich doch sehr um dich bangen.
LG Cathleen

 Isaban meinte dazu am 11.06.19:
Keine Angst, ich durfte mehr als einmal am Glück schnuppern, liebe Cathleen.
LG Isaban

 Cathleen meinte dazu am 11.06.19:
Zum Glück. Dann muss ich mir also keine Sorgen machen. ;)
LG Cathleen
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