Für was

Politisches Gedicht zum Thema Krieg/Krieger

von  Graeculus

für Gott

für die Ehre

für die Heimat

für das Gute

für die Freiheit

für das Recht

für den Frieden

für die Fahne

für den Führer

für die Rache

für den Ruhm

für das Geld

für die Beute

 

ziehen sie in den Krieg

 

und geben

und erlangen

den Tod

 

er kommt

er kommt

auch ohne dies

 

können sie ihn nicht

in Ruhe erwarten?



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Kommentare zu diesem Text


 AlmaMarieSchneider (03.09.22, 00:09)
Lieber Graeculus,

meistens sind es ja noch sehr junge Menschen, Kinder fast noch, die man in den Krieg schickt. Die wissen am wenigsten um was sie ihr Leben geben sollen.

Nächtliche Grüße
Alma Marie

 Tula meinte dazu am 03.09.22 um 00:25:
Hallo
Das ist der 'Trick', sehr junge Menschen zu missbrauchen. Studien belegen, dass das menschliche Gehirn erst mit etwa 25 voll ausgebildet ist. Unterhalte dich mit einem 18-jährigen und einem der 10 Jahre älter ist, der Unterschied ist in der Regel markant. Und wenn ich an meinen eigenen Wehrdienst denke, oh je, wir waren halbe Kinder ...

LG
Tula
Taina (39) antwortete darauf am 03.09.22 um 07:39:
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 AngelWings schrieb daraufhin am 03.09.22 um 11:52:
Woher hast  du das Tula? Das 18.Jähriger, oder 10 Jähriger nicht denken kann? Da bin ich andere Meinung.

 Tula äußerte darauf am 03.09.22 um 12:29:
Angel
Ich schrieb '10 Jahre älter', also 28. Denken kann der 18-jährige gewiss. Die persönliche Reife ist etwas anderes. Der Jugend kann man leichter begeistern und auch manipulieren. 

LG Tula
Taina (39) ergänzte dazu am 03.09.22 um 12:50:
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 Graeculus meinte dazu am 03.09.22 um 16:40:
Was man mit Sicherheit sagen kann, ist, daß die Soldaten, die töten sollen, in aller Regel wesentlich jünger sind als diejenigen, die ihnen das Töten befehlen.

Ich gehöre ja noch zu der Generation, die sich entscheiden mußte, ob sie Wehrdienst leisten oder verweigern wollte.
Wir hatten da schon das Gefühl, eine reflektierte Entscheidung zu treffen - die auch in unserer Klasse ganz unterschiedlich ausgefallen ist.
Aber eines hatten wir eben auch und haben nicht alle jungen Männer: die Möglichkeit, sich aus verschiedenen Quellen zu informieren. Wenn ein Staat hingegen nur ihm genehme Informationen an die Menschen heranläßt (seien sie jung oder alt), dann wird es schwierig mit der Meinungsbildung.

Auch sind die Motive für den Kampf im Krieg ja vielschichtig: Für Führer und Fahne kann man testosterongesteuerte Jungmänner vermutlich weniger leicht begeistern als für Ruhm, Geld und Beute.

Die Kriegsbeute, die freie Verfügung über die Frauen des Feindes - ich möchte gar nicht wissen, wer da nicht schwach wird. Über die Jahrhunderte und Jahrtausende hinweg gesehen.

 Graeculus meinte dazu am 03.09.22 um 16:47:
Hier erkennt man ein starkes Motiv für junge Männer:

[...] Als aber nun die Galater die Räder [sc. der Kampfwagen] herausrissen und die Wagen in den Fluß schieben wollten, bemerkte der junge Akrotatos die Gefahr, eilte mit dreihundert Mann durch die Stadt und umging den Ptolemaios, ohne von ihm gesehen zu werden wegen einiger Bodenwellen, bis er die Angreifer von hinten faßte und sie zwang, kehrt zu machen und gegen ihn zu kämpfen, so daß sie sich gegenseitig drängten und in den Graben und bei den Wagen fielen, bis sie endlich unter starken Verlusten zurückgeschlagen wurden.

Die Älteren und die Menge der Frauen sahen der Heldentat des Akrotatos zu, und als er wieder durch die Stadt auf seinen Posten zurückkehrte, mit Blut bedeckt und von Stolz geschwellt über seinen Sieg, schien er den Lakonerinnen größer und schöner geworden zu sein, und sie beneideten Chilonis um seine Liebe. Von den Älteren folgten ihm einige und riefen: „Geh hin, Akrotatos, und nimm Chilonis in die Arme! Nun zeuge tapfere Söhne für Sparta!“
[...]

(Plutarch: Pyrrhos 28)

Gute Krieger gelten als attraktiv! Dazu kenne ich auch noch Berichte aus dem Zweiten Weltkrieg: der Ritterkreuzträger, der Held des Luftkampfes usw.

Mein (leich neidischer) Vater vom Bodenpersonal der Luftwaffe erzählte mir noch an den Spruch: "Ihr sollt fliegen wie die Vögel, nicht vögeln wie die Fliegen!"

 EkkehartMittelberg (03.09.22, 00:45)
Wer hätte sie nachdenklicher machen können? die Eltern, die Schule?

 Graeculus meinte dazu am 03.09.22 um 16:42:
Ich hoffe: die Bildung.
Aber Ruhm, Geld, Beute und Frauen sind eine große Verführung.
Selbst der Krieg "für Gott" bedient sich ja gerne solcher Verlockungen, als der berühmten Jungfrauen im Paradies.
Agnete (66) meinte dazu am 04.09.22 um 09:49:
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 Graeculus meinte dazu am 04.09.22 um 13:47:
Als alter Menschen hat man gut weise reden. Falls es überhaupt einen Vorteil des Alters gibt, ist es dieser.

 JohndeGraph (03.09.22, 01:09)
Tja, stimmt an sich würde sich das auch alles von alleine im Laufe der Zeit regeln. Wahrscheinlich hat ihnen das bisher nur nie einer gesagt? So verschwenden sie eben die Zeit die sie haben um dem entgegen zu eilen, was sie eigentlich gar nicht wirklich haben wollen. Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie.

Grüße J.d.G.

 Graeculus meinte dazu am 03.09.22 um 16:49:
Junge Männer sind halt ungeduldig. Bevor sie ohnehin sterben, wollen sie noch einiges erleben.
Alte Leute können's besser abwarten.
Taina (39)
(03.09.22, 07:34)
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 Dieter Wal meinte dazu am 03.09.22 um 08:04:
Der Titel stimmt mich wehmütig, das schöne Wörtchen wofür ist auf dem Rückzug.

Bin auch für "Wofür" als Titel.

 Graeculus meinte dazu am 03.09.22 um 08:58:
Aber danach beginnen all die Zeilen mit "für"!
Taina (39) meinte dazu am 03.09.22 um 09:03:
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 Dieter Wal meinte dazu am 03.09.22 um 09:50:
Aber danach beginnen all die Zeilen mit "für"!

Dies spräche auch gegen "Für was".


für Gott
für die Ehre
für die Heimat
für das Gute
für die Freiheit
für das Recht
für den Frieden
für die Fahne
für den Führer
für die Rache
für den Ruhm
für das Geld
für die Beute
 
ziehen sie in den Krieg
 
und geben
und erlangen
den Tod
 
er kommt
er kommt
auch ohne dies
 
können sie ihn nicht
in Ruhe erwarten?

für Gott
Ehre
Heimat
das Gute
Freiheit
Recht
Frieden
Fahne
Führer
Rache
Ruhm
Geld
Beute
 
ziehen sie in den Krieg
 
geben
und erlangen
den Tod
 
er kommt
ohne dies
 
können sie ihn nicht
in Ruhe erwarten?



"Füritis" geheilt? Vielleicht gefällt auch Dir Dein Gedicht überarbeitet besser.

 Graeculus meinte dazu am 03.09.22 um 16:50:
Man könnte es anders machen. Aber die Wiederholung ist das Stilmittel der Litanei, und litaneiartig wollte ich es schreiben. Es ist eine leidige Litanei. Wir bitten dich, erhöre uns.

 AchterZwerg meinte dazu am 04.09.22 um 07:04:
Hallo Graeculus,
hier stimme ich Dieter zu.
Auch hieße es aus meiner Sicht "wofür" und nicht "für was" - klänge zumindest weitaus eleganter ...

Leicht skeptische Grüße
der8.

 Graeculus meinte dazu am 04.09.22 um 09:38:
Eleganter, das mag sein; aber ich kann nicht mehr tun als zu erläutern, weshalb ich mich für das "für" entschieden habe. Auch wenn dadurch das Gedicht aus Eurer Sicht einen Makel hat.

 Dieter Wal meinte dazu am 04.09.22 um 09:40:
Ein Witz, spricht ausgerechnet ein Altphilologe und Sprachartist für Deppendeutsch.
Taina (39) meinte dazu am 04.09.22 um 09:53:
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 Graeculus meinte dazu am 04.09.22 um 13:50:
An Dieter Wal:

Ich bin weder Altphilologe noch überhaupt Philologe, sondern nur Dilettant (= Liebhaber) und schreibe stark nach Sprachgefühl, was in diesem Falle offensichtlich zu Deinem differiert. Die Sache mit der Litanei hat Dir anscheinend nicht eingeleuchtet.

 Graeculus meinte dazu am 04.09.22 um 13:50:
An Taina:

Was für eine richtige Bemerkung!

 FrankReich (03.09.22, 08:25)
Das wäre auch keine Option, denn operative Hektik erscheint denen wahrscheinlich effektiver als geistige Windstille. 😉

Ciao, Frank

 Graeculus meinte dazu am 03.09.22 um 16:53:
Operative Hektik, ja, das kann man jungen Männern attestieren. Bevor sie das Zeitliche segnen, wollen sie noch den Rausch des Sieges erleben und die Frauen des Feindes ...
Krieg geht ja auch immer mit Vergewaltigung einher, obgleich man diese nicht gleich auf die Fahnen schreibt.

 TrekanBelluvitsh (03.09.22, 11:26)
An sich stimmt das natürlich. Dennoch verrät das Gedicht den Zivilisten. Denn Soldaten*innen kämpfen für ihre nächsten Kameraden. Für sonst niemanden.

Über alles andere muss man sich Gedanken vor dem Eintritt in eine Armee machen.

 Regina meinte dazu am 03.09.22 um 11:33:
Bei Wehrpflicht ohne Verweigerungsmöglichkeit machen sich andere vorher die Gedanken.
Taina (39) meinte dazu am 03.09.22 um 14:34:
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 Graeculus meinte dazu am 03.09.22 um 16:55:
Für die Kameraden, das mag im Kampfgeschehen ab oberster Stelle stehen; aber wenn die jungen Männer zu den Fahnen gerufen werden, hört man das ja selten. Es geht mir um die Verführung zum Krieg. Was motiviert jemanden dazu, sich dazu zu melden?

 TrekanBelluvitsh meinte dazu am 03.09.22 um 20:28:
Es ist in Wirklichkeit noch sehr viel komplizierter. Was du z.B. fehlt ist der soziale Druck. Während des Iran-Irak-Krieges versprach die iranische Regierung Familien von Märtyrern ein Leben lang zu versorgen. Dies führte dazu, dass sich gerade junge und jüngste Männer für den Dienst an der Waffe meldeten, weil sie, im Gegensatz zu anderen Familienmitgliedern, noch nicht fest im leben verankert waren. Aus der Befragung von iranischen Gefangenen ist bekannt, dass dabei enormer Druck auf sie ausgeübt wurde. Von den Familien selbst, von der Geistlichkeit und auch von Regionalvertretern (um möglichst viele Freiwillige zu generieren).

Der häufigste Grund für Iraner sich in diesem Krieg freiwillig zu melden, war jedoch die Tatsache, dass der Irak den Iran überfallen hatte.



Ich möchte jedoch noch etwas ansprechen, was mich an diesem Gedicht und auch an der sich selbst Pazifismus nennenden Bewegung stört, weil es in meinen Augen eine starke Verzerrung der Wirklichkeit ist. Es ist das hinter allen Aussagen und allem Denken stehende Narrativ von den Zivilisten als leidenden und den Soldaten als Leidverursacher.

Das steckt leider auch in diesem Gedicht.

Diese hier gestellten Fragen werden in dieser Form niemals der Gesamtheit der Bevölkerung gestellt. Zumal Zivilisten als Leidverursacher, da sie keine Waffe in der Hand tragen, auch nicht so leicht zu identifizieren sind. Außerdem will der Pazifismus seine Anhänger ja aus diesem Pool rektutieren. Dabei lockt er nicht nur mit dem Frieden, sondern auch mit moralischer Überlegenheit. Da wäre man ja schön blöd, den Leuten, auf die man abzielt, Kausalität am Krieg zu unterstellen.

So gibt es große Teilidentitäten zwischen Pazifismus und einer allgemeinen Verleugnung. Das sieht man z.B. daran, wie sehr Pazifisten von Putins Krieg und nicht Russlands Krieg sprechen, oder 1990 das militärische Eingreifen der UN zugunsten Kuwaits verurteilten, die Aggression des Iraks Saddam Husseins aber nur am Rande erwähnten.

Auch in Deutschland kann man sehen, wie sehr die Zivilgesellschaft abgeneigt ist, ihre Mitverantwortung für Kriege zu leugnen oder zumindest relativiert zu wissen will.

Die zwei erfolgreichsten historischen Sachbücher in Deutschland in diesem Jahrtausend waren Der Brand und Die Schlafwandler. Das Erste zeigte die Deutschen als Opfer im WW2, als Opfer des Strategischen Luftkriegs im Jahre 1945. Die problematische Sprache des Buches lässt vermuten, dass dies auch beabsichtigt war. Das Zweite zeigte angeblich auf, das Deutschland nicht der Alleinschuldige am WW1 war.

(In Wirklichkeit lieferte es zur Schuldfrage nichts Neues, was seit den 1960er Jahren nicht bekannt war, sondern war eine Analyse der Habsburger und russischen Außenpolitik auf dem Balkan mit dem Fokus auf Serbien.)

Beide Bücher bedienten damit das Narrativ vom Zivilisten/vom Volk als Opfer.

Als letztes möchte ich hier Jürgen Todenhöfers Buch Wer weint schon um Abdul und Tanaya? aus dem Jahre 2003 erwähnen. Der Autor wusste schon genau, warum er es nicht Wer weint schon um Unteroffizier Kasim und Feldwebel Younis? nannte und 10 Jahre vorher schrieb.

 Graeculus meinte dazu am 03.09.22 um 22:24:
1. Das Reagieren gemäß einem sozialen Druck ist mir relativ fremd (und war es immer schon); deshalb gerät mir dieser Aspekt leicht unterbelichtet.

2. Mir wird nicht klar (müßtest Du erläutern), was an der These von den Zivilisten als Opfer falsch sein soll. Ich kann mir vorstellen, daß die Zivilgesellschaft, etwa Geschäftsleute und Politiker, durchaus für einen Krieg mitverantwortlich sein können, aber die Zivilisten als Individuen, gegen die laut Kriegsrecht nicht gekämpft werden darf, erscheinen mir in der Tat als Opfer, falls das doch geschieht. Es sind die Soldaten, welche die Waffen tragen und einsetzen. (Dazu zähle ich natürlich auch die irregulären Kämpfer, also die Partisanen.)

 TrekanBelluvitsh meinte dazu am 04.09.22 um 00:37:
Was ist mit den Menschen, die Adolf H. bis 1932 in freien Wahlen gewählt haben? Haben die ihm alle nicht zugehört oder den Bestseller "Mein Kampf" - das war das Buch bis 1933 nämlich: ein Bestseller! - nicht gelesen? Gab es Proteste gegen die Eröffnung des KZ Dachau, über die deutschlandweit in den Zeitungen berichtet wurde? Was ist mit den deutschen Arbeitern, die neben Fremd- und Sklavenarbeitern Panzer montiert haben - ca. die Hälfte der Arbeitskraft für die deutsche Panzerprodiktion beruht auf Ausbeutung - und eben NICHT, wie der Mythos es will, jenen Essen zusteckten, sondern im besten Falle gleichgültig waren, aber oft auch die kleinsten Vergehen meldeten, obwohl sie genau wussten, dass drakonische Strafen drohten? Was ist mit den Zivilisten, die während der Todesmärsche 1944/45 KZ-Insassen unaufgefordert erschlugen?

Das sind nur einige Beispiele aus dem WW2 von deutscher Seite. Die Betrachtung ist dabei immer gleich. Es wird von der Schuld des Einzelnen gesprochen. Anders bei Soldaten. Da wird dann sofort der Metaebenenhammer herausgeholt.

Spätestens seit 1914 ist ein Krieg immer ein totaler Krieg. Dadurch ist die Zivilbevölkerung mindestens durch Kausalität mit dem Krieg verbunden. Und jede Gesellschaft hat jeden Krieg noch immer befürwortet, solange er siegreich war. Die russische Revolution entzündete sich nicht am Krieg an sich. Sie entsprang der Unfähigkeit des Russischen Zarenreiches in NICHT erfolgreich zu einem Ende bringen zu können. Das gleiche gilt für Vietnam. Die zivilen Unruhen in den USA verlaufen kongruent zu der Unfähigkeit der US Armee, den Krieg zu gewinnen.

Die Unfähigkeit der Zivilgesellschaft zu erkennen, das ein (anfangs) ferner Krieg auch auf sie zurückschlagen kann, ist eine Mischung aus Dummheit, Überheblichkeit und nicht selten Rassismus. Treten zivile Tote auf, sind das Opfer. Es sind aber nicht nur Opfer. Wie Soldaten ist ihr Verhältnis zum Krieg mindestens ambivalent Und die Edmund Ruffins dieser Welt sind mit Sicherheit noch nicht einmal das.
Taina (39) meinte dazu am 04.09.22 um 06:34:
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 Graeculus meinte dazu am 04.09.22 um 09:50:
Das dehnt nun aber den Begriff des Kombattanten bis zur Unkenntlichkeit aus, wenn wir jeden, der in irgendeiner Weise daran mitwirkt, hinzuziehen. Was ist mit ausländischen Waffenlieferanten, was mit ebensolchen Kreditgebern, was mit Händlern, die Lebensmittel liefern? Und sind nicht auch diejenigen (im In- und Ausland), die einfach nichts unternehmen, mitverantwortlich?
Das mag alles irgendwie zutreffen, insofern alles irgendwie mit allem zusammenhängt. Aber dem Ziel, Menschen, die im Kampf keine Waffen tragen, zu schützen vor denen, die sie tragen, dient es nicht.

Daß es, wie Trekan meint, eine Rolle spielt, ob jemand, und sei er Zivilist, den Krieg befürwortet, mag sein; aber in der Kampfsituation selbst kann man ja keine Umfrage starten.
Da stellt sich doch nur die Frage: Da steht ein Mensch ohne Waffen, ohne Uniform vor mir. Erschieße ich ihn trotzdem?
Daß das kriegsrechtlich verboten ist, daran möchte ich nichts ändern, und deshalb lege ich auf die Unterscheidung wert.
Taina (39) meinte dazu am 04.09.22 um 09:58:
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 Graeculus meinte dazu am 04.09.22 um 13:52:
Es gibt diese Zusammenhänge, das gebe ich ja zu; aber aus gutem Grund blendet das Recht im Kriege (ius in bello) sie aus. Man darf nicht auf Zivilisten schießen und auch nicht auf Soldaten, die sich ergeben (die Waffen wegwerfen).

 TrekanBelluvitsh meinte dazu am 05.09.22 um 15:11:
der kombattantanstatus bzw. nichtkombattantenstatus ist im kriegsvölkerecht ja klar geregelt. das bedeutet aber nicht, dass jedes töten eines nichtkombattanten ein verbrechen ist.

jede armee hat unzählige zivile mitarbeiter. und in deutschland z.b. wäre das bundesverteidigungsministerium als verwaltungsbehörde der armee ein legitimes ziel. ähnliches gilt z.b. auch für die infrastriktur. ist deutschland mit einem nachbarn im krieg ist es eben keine gute idee auf einer mächtigen rheinbrücke urlaub zu machen.

dies ist sogar ethisch sinnvill bzw. an eine "realitätsethik" angepasst. es verhindert den einsatz von nichtkombattanten als lebende schutzschilde. eine solche taktik würde eine enthemmung beschleunigen.


(dass du (graeculus) diesen sozialen druck nicht kennst, spricht nicht nur für deine resillienz sondern zeigt auch, dass wir nicht nur in einem freien staat sondern auch in einer freien gesellschaft leben. in einer theokratie z.b. hätte dein atheismus dir als lehrer große probleme bereitet.)


aber um den rechtlichen status geht es in deinem gedicht ja gar nicht. es geht um die motivation des einzelen, einen staat im kriege zu unterstützen. und was diese motivation angeht unterscheiden sich zivilisten und soldaten nicht! der einzige unterschied ist, dass zivilisten ihre unterstützung der kriegsanstrengungen ihres landes einfacher wegrelativieren können als soldaten.

dies führt - gesellschaftlich betrachtet - zu dem phänomen, dass zivilisten im kriege - und vor allem danach! - zunächst einmal als unschuldig(e opfer) gelten, während soldaten zunächst einmal als schuldig(e täter) betrachtet werden. diese ansicht ist für den sich selbst so bezeichnende "pazifismus" ein hauptnarrativ - und in meinen augen ein hauptgrund, weshalb der "pazifismus" immer scheitern muss.

1.) in einem oben stehenden beitrag habe ich bereits beispiele gebracht, wie zivilisten die kriegsanstrengungen ihres landes unterstützen. und mehr: hans frank war ein zivilist.

2.) grunätzlich ist vor einer tiefergehenden analyse der begriff schuld bei einem gesellschaftlichen phänomen wie einem krieg immer problematisch. man sollte zunächst die kausalität betrachten bzw. annehmen. bsp.:ja, putin hat den überfall auf die ukraine befohlen. aber tausende richtschützen in russischen panzern töten menschen. haben diese richtschützen überhaupt die möglichkeit zu nichtkonformen verhalten?

3.) richtig problematisch wird die sache wenn der kombattantenstatus des einzelnen sich ändert und man sich auf die ethisch verurteilenden begriffe wie schuld/unschuld, täter/opfer verlässt. dies kann zu groben zerrbildern auf gesellschaftlicher ebene führen.

ein beispiel:

unser bild vom "volkssturm" ist gennzeichnet von jigendlichen und alten männern, die um militärisch sinnlosen d.h. ineffektivem einsatz verheizt werden. tatsächlich durften die deutschen im volkssturm gleich nach kriegsende opfer sein.

neuste forschungen zeigen, dass hier in beiden nachkriegsdeutschlands ein falsches bild gezeichnet wird. man muss z.b. was die militärische effektivität angeht, zwischen ost- und westtfront unterscheide. vereinfacht. im osten kämpfte der volkssturm verbissen, im westen leistete er zumeist nur symbolischen widerstand. der volkssturm hatte hohe verluste. doch darf dabei nicht übersehen werden, dass er in der endphase des ww2 eingesetzt wurde. in dieser zeit waren die verluste allgemein sehr viel höher als in den jahren davor.

für das, was ich aufzeigen möchte, ist jedoch entscheidend, dass ca. 70% der volkssturmmänner zwischen 35 und 55 Jahren alt war -8es handelte sich hauptsächlich um aus gesunfheitlichen gründen zurückgestellte und uk-gestellte.) das bedeutet, dass wir es hier mit männern zu tun haben, die 1933 schon über genügend lebenserfahrung verfügten um das wesen des ns-regimes zumindest in seinen grundzügen zu erkennen. es werden nicht wenige dabei gewesen sein, die den politischen alltag im sinne des ns-regimes mitgestaltet haben. das bedeutet, dass sie im sinne der kausalität einen hohen anteil am funktionieren des verbrecherischen regimes hatten. ich würde sogar so weit gehen, dass deren anteil an ns-deutschland sehr viel größer war, als der eines 18-jährigen, der 1942 unvorhergesehen eingezogen wirde, um die hihen verkuste der wehrmacht von 1941 auszugleichen, auch wenn er den krieg kämpfend an der front überlebte.


p.s.: entschuldigung für die dauerkleinschreibe. habe eine schiene an der linken hand, weil ich mir zwei finger gebrochen habe.

 Graeculus meinte dazu am 05.09.22 um 23:08:
Es stimmt, das Kriegsrecht verbietet die Tötung von Zivilisten nicht unbedingt. Da gibt es doch auch die akzeptablen Kollateralschäden, oder? Kritisch ist es auch, wenn eine Armee von zivilen Objekten (Kirchen, Krankenhäuser, Museen usw.) aus feuert oder dort nur Waffen lagert. (Ein Verdacht, den ich beim AKW Saporischscha habe.)
Außerdem muß jede Armee selber den Unterschied zwischen Zivilisten und kämpfender Truppe beachten, also keinesfalls Kämpfer ohne Uniform einsetzen.

Weiterhin stimme ich Dir zu, daß wir damit etwas vom Thema abgekommen sind: der Motivation von Soldaten für ihren Kampf. Ich stehe dem skeptisch gegenüber, denn es gibt für mich kaum einen legitimen Grund, Krieg zu führen - außer einen Verteidigungskrieg. Nun wissen wir allerdings, daß fast alle Kriege als Verteidigungskriege dargestellt werden. Also, Möchtegern-Soldat, paß auf und prüfe sorgfältig! Das wollte ich wohl sagen.

Der Volkssturm bestand natürlich aus älteren Leuten. Aber der Dienst dort war nicht freiwillig, man wurde dort eingezogen. (Worum mein Großvater nur knapp herumgekommen ist.) Den Wehrdienst zu verweigern, wo das nicht legal ist (wie im Dritten Reich), das verdient großen Respekt. Jehovas Zeugen haben das mit KL-Haft bezahlt.

Gute Wünsche für Deine lädierte Hand. Hoffentlich bist Du wenigstens Rechtshänder.
Taina (39) meinte dazu am 06.09.22 um 04:58:
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 TrekanBelluvitsh meinte dazu am 06.09.22 um 10:18:
@Taina:

möglich? ja.
unwahrscheinlich? ja.

Wenn das keine Propadandageschichte ist, würde ich annehmen, dass in dem augenblick, als er auf die maschine schoss, es von einem "richtigen" flugabwehrsystem getroffen wurde bzw. einen technischen defekt hatte (beschussschäden?).

die deutschen vorschriften aus dem ww2 sahen für die infanterie zur bekämpfung von tieffliegern vor, dass die soldaten auch mit hand- und faustfeuerwaffen auf die angreifenden flugzeuge zu schießen, sobald man in einer sicheren position war. zum einen waren zufallstreffer nie ausgeschlossen. aber vor allem sollte den soldaten so (ein wenig) das gefühl der hilflosigkeit genommen werden. und in diese zweite kategorie scheint mir dieser bericht zu gehören.

 Graeculus meinte dazu am 06.09.22 um 16:48:
An Taina:

Da strickt dann auch die Ukraine an Widerstandsmythen. Solche Einzeltaten, wenn sie denn tatsächlich so geschehen sind, entscheiden nicht über den Kriegsverlauf, das weißt Fu ja. Und selbst über die Gefühle der Ukrainer verraten sie wenig.

 Graeculus meinte dazu am 06.09.22 um 16:50:
An Trekan:

Ja, das sehe auch ich so. Da soll den Ukrainern eine Botschaft vermittelt werden.
Taina (39) meinte dazu am 06.09.22 um 17:47:
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 Graeculus meinte dazu am 06.09.22 um 18:09:
In der Schußtechnik kenne ich mich nun gar nicht aus. Schießen Gewehre nicht weiter? Irgendwie klingt das wie sechs Richtige im Lotto, samt Zusatzzahl.

 TrekanBelluvitsh meinte dazu am 06.09.22 um 18:58:
Moderne (sturm-)gewehre haben eine reichweite bis zu 400m. sehr treffsicher sind sie bis 200 meter. natürlich schießen sie weiter. aber gezielt trifft man dann kaum noch. die effektive reichweite hängt in erster linie von der art der munition und dem wind ab. in gefechtssituationen sind reichweiten über 200 meter aber eher selten. für ziele über 200 meter sind maschinengewehre bzw. maschinienkanonen vorgesehen.

einen modernen jet kann man wegen dessen eigener hoher geschwindigkeit nur treffen, wenn er im anflug ist. auf ein solches flugzeug mit einem gewehr/einem mg zu schießen, wenn es sich von einem entfernt ist kaum sinnvoll. der geschwindigkeitsüberschuss der geschosse ist zu gering und durch den luftwiderstand werden sie schnell langsamer.
Taina (39) meinte dazu am 06.09.22 um 20:14:
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 Graeculus meinte dazu am 06.09.22 um 22:38:
Eine Schrotflinte? Ist das Dein Ernst?
Trekan, da kann man doch nur noch lachen, oder?

 TrekanBelluvitsh meinte dazu am 06.09.22 um 22:58:
Ich sag mal so: Eher wird Christian Lindner für sein soziales Engagement von der AWO ausgezeichnet, als dass jemand einen Jet mit einer Schrotflinte vom Himmel holt.
Taina (39) meinte dazu am 07.09.22 um 10:27:
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 Graeculus meinte dazu am 07.09.22 um 16:53:
Durch solche Zufälle wird man dann zum Helden erklärt.
Taina (39) meinte dazu am 07.09.22 um 17:35:
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 Graeculus meinte dazu am 08.09.22 um 14:11:
Ach, Helden müssen tot sein? Deshalb sieht man sie so selten.
Taina (39) meinte dazu am 08.09.22 um 15:26:
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 Graeculus meinte dazu am 08.09.22 um 15:34:
Aber galt nicht Uwe Seeler - gut, kein Krieger, aber aktuell - schon zu Lebzeiten als Nationalheld? Und im Weltkrieg II die Träger des Ritterkreuzes samt Schwertern, Eichenlaub und Brillanten?
Nein, man muß nicht tot sein - dafür gibt es im Krieg die Orden.

 Regina (03.09.22, 11:36)
Ich  plädiere für "Für wen oder was", aber das sind nur formale Fragen. Erstaunlich und erfreulich finde ich, dass du dich mit diesem Text dem Pazifismus etwas annäherst.

 Dieter Wal meinte dazu am 03.09.22 um 11:43:
"etwas annähern" ist gut. Das ist pazifistisch. Wenn auch nicht radikalpazifistisch.

 Graeculus meinte dazu am 03.09.22 um 16:58:
Ich hatte immer eine Neigung zum Pazifismus und habe den Wehrdienst verweigert. Ich hätte mir nicht einmal vorstellen können, in einer militärischen Hierarchie der Befehlsempfänger zum Töten zu sein.
Aber meine Liebe zum Pazifismus ist nicht ungebrochen, d.h. ich bin nicht blind für das, was dagegen spricht.

 AngelWings (03.09.22, 11:46)
Nein, noch für meine Familie!

 Graeculus meinte dazu am 03.09.22 um 16:58:
Stimmt, "für die Familie" hätte ich noch hinzufügen können. Fassen wir es mitsamt Nachbarn unter "Heimat".

 EkkehartMittelberg (03.09.22, 12:12)
Hallo Graeculus,
das lässige "Für was?" entspricht meines Erachtens dem Text besser als das gepflegte "wofür."
Die zwei Schlusszeilen halte ich für überflüssig.
Ich habe übrigens wie Regina diesen Text als Annäherung an die pazifistische Position empfunden.

LG
Ekki

 Graeculus meinte dazu am 03.09.22 um 17:01:
Danke. Wie ich oben schon erwähnte, kam es mir auch auf die litaneiartige Wirkung an, die durch das wiederholte "für" erzeugt wird. Und das sollte dann auch im Titel stehen.
Die beiden Schlußzeilen mögen überflüssig (d.h. nicht unbedingt nötig) sein, sollen aber - sicherheitshalber? - einen Gedanken verstärken.

 TassoTuwas (04.09.22, 09:41)
Den letzten Zeilen muss ich widersprechen.
Das wir alle sterben müssen ist so neu nicht, ob es aber mit 18 oder mit 80 ist macht den Unterschied.
Hat doch sehr viel von einer fatalistischen Weltanschauung.

 Graeculus meinte dazu am 04.09.22 um 13:53:
Mit 18 hat man es eiliger, zu töten und getötet zu werden. Als Mittsiebziger kann ich da nur sagen: Wartet es doch ab!
Agnete (66)
(04.09.22, 09:48)
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 Graeculus meinte dazu am 04.09.22 um 13:56:
Ein Soldat sagte einmal: "Er oder ich - ich hatte keine Wahl."
Das ist nicht wahr!, rief es in mir. Das ist eine Wahl!
Niemand kann mich mit der Macht eines Naturgesetzes zwingen, den Abzugshahn zu betätigen.

 harzgebirgler (04.09.22, 11:32)
der druck der despotie auf die ist groß
und wer ihm nachgibt nicht leicht chancenlos.

 Graeculus meinte dazu am 04.09.22 um 14:02:
Es ist schwer, einem Despoten zu widerstehen. Und doch soll Zenon von Elea dem Tyrannen, der ihn foltern ließ, sich seine Zunge abgebissen und ihm ins Gesicht gespuckt haben. "Du Fluch des Staates!" hatte er ihm vorher gesagt. (Diogenes Laertios IX 26)

 Graeculus meinte dazu am 04.09.22 um 14:07:
σὺ ὁ τῆς πόλεως ἀλιτήριος.

 harzgebirgler meinte dazu am 04.09.22 um 16:59:
sehr schönes beispiel für mannhaftigkeit
bei den ruhmreichen alten griechen  -
davon sind so russenjungs aber wohl weit
entfernt, längst gewohnt mehr zu kriechen...

 Graeculus meinte dazu am 04.09.22 um 23:59:
Dahinter steckt eine Charakterbildung, die zu erwerben Russenjungs wohl keine Gelegenheit bekommen haben.

 AngelWings (04.09.22, 17:05)
Tula, da bis sehr verkehrt! Das genauso eine Erwachsen Mensch mit hohen alt genauso, auf Ding Reinfall,können wie Kind in alt von 4.Jahren.

 Graeculus meinte dazu am 04.09.22 um 23:58:
Es wäre besser, du hättest diesen Kommentar dorthin gestellt, wo er hingehört; so bekommt Tula keine Benachrichtigung und wird das also schwerlich lesen.

 Verlo (04.09.22, 17:10)
Graeculus, hört sich für mich an wie aus alter Zeit.

Wann sind denn Deutsche das letzte Mal für ihre Heimat in dem Kampf gezogen?

Heutzutage greift man zur Waffe, um die Demokratie zu verteidigen, wie weit sie auch von der Heimat entfernt ist.

Nicht vergessen würde ich den Aspekt der Ausbildung und des krisensicheren Job. Damit sagt auch seine Teilnehme an Kriegen zu.

 https://www.bundeswehrkarriere.de/ihre-berufung/suche

 Graeculus meinte dazu am 04.09.22 um 23:57:
Dann lassen wir doch Recht und Freiheit als Demokratie gelten. Daß ich, wie ein anderer bemerkt hat, die Familie ausgelassen habe, ist bedauerlicher.
Fetzen (38)
(08.09.22, 15:32)
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 Graeculus meinte dazu am 08.09.22 um 16:06:
Das kannte ich; daß es von Wilhelm Hauff stammt, wußte ich nicht. Paßt jedenfalls.
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