Schokosahnetortenstück 8

Protokoll zum Thema Achtung/Missachtung

von  LotharAtzert

Seit ich mit Sicherheit davon ausgehen darf, daß meine weibliche Verwandschaft niemals Texte, wie diesen lesen wird, versuche ich, wenigstens aus den Gesprächen herauszuziehen, was der Lebensvaporizer so freigibt.

Es war der 14. Januar und mein  fünfundsiebzigster Geburtstag. Ich hatte niemanden eingeladen, um in Ruhe hier sein zu dürfen, lesen und schreiben zu dürfen, also Alltag. Allerdings brachten mich die Lebensumstände dazu, bei meiner Schwester ein Stück Erinnerung inform eines Schoko-Sahne-Tortenstückes zu mir zu nehmen. Sie selbst aß was helleres.

 

Sorry, das Telefon klingelte. Jetzt ist da doch ein zeitlicher Bruch. Kein Beinbruch zwar, aber Bruchstellen bleiben immer auf die eine oder andere Weise. Also …

 

Wir hatten uns gestritten und wollten jetz wieder klären. Dh. ich versuchte, ihr zu erklären, warum ich mich mit ihr nur schwer unterhalten kann, nämlich weil sie auf gewisse Reizworte heftigst reagiert, obwohl ich immer nur Anreiz geben will für ein gehaltvolles Gespräch.

Auf ein Beispiel wollte ich in dem Fall verzichten, weil das dann schon nicht mehr spontan, nicht aus dem Unterbewußtsein aufstiege und also wirkungslos bliebe.

Daraufhin warf sie mir vor, daß es immer um mich gänge und ich, ich, ich deshalb keine Freunde hätte und mich nicht beklagen solle. Ich wies sie drauf hin, daß ich nicht klage, sondern allein sein will.

Ach so! Sie sagte darauf, daß meine Tochter ihr auch schon geklagt hätte, weil ich sie seit früher Kindheit schon wie etwas Wertloses behandle.

Ich sagte in etwa: „Laß uns das Schuldzuweisen beenden und lieber etwas Gehaltvolleres betrachten“. Wieder machte ich ein Angebot: die drei Wurzelursachen allen Daseins, allen Geschehens im Universum: Anhaftung-Abneigung-Unwissenheit.

Sie antwortete: Das ist kein Schuldzuweisen, Lothar, du bist so. Und in der Anhaftung sehe ich nichts verkehrtes. Du hättest dich mal um deine Tochter kümmern sollen, die völlig verzweifelt ist, weil sie sich ungeliebt fühlt.

 

Klar hat sie recht, aber so etwas kläre ich mit mir selbst und mit Camilla, wenn sie anwesend ist. Das Klären von Anhaftung, Abneigung und Unwissenheit betrifft dagegen uns alle, weil soviel dran hängt, naja ich hänge am Thema Prinzip, dein Hund hängt an dir ….

Ja aber sie nicht, wie gesagt, sie hängt gern an ihrem Hund und diesem und jenem und das sei nicht böse. Was ich sage, stimme hinten und vorne nicht, deshalb liest auch niemand was du schreibst, das versteht keiner, das hat auch Karl Fritz bestätigt, er hat dein Buch „Der blaue Eisenhut“ gelesen.

Nun kam ich mit dem Bild vom Vogelhäuschen: wir legen Futter rein und ob jemand kommt um zu fressen, sei jedem selbst überlassen. Das Bild beruhigte den Skorpion etwas, bis dann die ersten Reizworte rausflutschten. Ich weiß es nicht mehr, vielleicht „du verstehst das nicht …“, ja, das könnt es gewesen sein, worauf sie mit einem Triumpfblick an die Decke sah (mich bildlich darstellend): „daran sieht man, was du von mir hältst, nicht viel nämlich, im Gegensatz zu dir, du bist der Größte“.

Eigentlich wollte ich sagen: Du verstehst das nicht mit der Anhaftung; es entspricht dem Feuerelement. Die Flamme verzehrt das Holz und erlischt mit ihm und so ist es auch mit uns, wenn wir zuviel und zu rücksichtslos begehren, aber ach, es ist einfach nicht möglich, daß mir nicht irgendwas folgenschweres rausplatzt, welches als Abwertungsbeweis mit Triumphblick sichergestellt wird. Die einzige Möglichkeit, in solchen Gesprächen keinen Schaden zu nehmen ist, ich schreibs grad mal runter und ab in die Claudia.

 

Daß meine Freunde, allen voran Mattes und Volker, alle schon verstorben sind, muß ich noch irgendwo reinflicken, hey Mattes, alter Shiva-Baba, grüß dich. … hab deinen Schrein noch aufbewahrt …

 

 

 



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Kommentare zu diesem Text


 Graeculus (15.01.23, 17:27)
Es ist ganz einfach, einsam zu werden: Man muß nur konsequent sein.

 LotharAtzert meinte dazu am 16.01.23 um 10:14:
Der Boden, auf dem Melancholie prächtig gedeiht. Fürs Schreiben mag das förderlich sein, aber fürs alltägliche Leben nicht.
Immerhin sehe ich, daß Menschen, die überzeugt sind, daß ihr Gegenüber überzeugt ist, nicht mehr wirklich zuhören können, weil das Urteil längst gefallen ist.

 AlmaMarieSchneider (15.01.23, 23:09)
Jessas, Du hattest ja Geburtstag. Mal schnell ins Gästebuch sausen.

Liebe Grüße
Alma Marie

 LotharAtzert antwortete darauf am 16.01.23 um 10:20:
Ist nicht schlimm, liebe Alma Marie, ich vergesse selbst auch immer mehr, das ist der Lauf der Welt. Das Wahre aber wird bleiben.

Vielen Dank und liebe Grüße
Lothar

 AchterZwerg (16.01.23, 06:43)
Ich wies sie drauf hin, daß ich nicht klage, sondern allein sein will
Damit, lieber Lothar, machst du dich erst recht verdächtig!

95 % der Menschheit möchte es einfach nicht hinnehmen, dass die restlichen 5 % einfach ihre Ruhe haben wollen.
Nicht einmal an der Dauerbespaßung, die Rentnern droht, passiv teilhaben möchten.
Das mag wiederum an deren Gehalt liegen ...

Grüße voller Verständnis
der8.

 LotharAtzert schrieb daraufhin am 16.01.23 um 10:32:
Der Verdacht ist wohl so.

Apropos Rentner - der Magistrat der Stadt Bad Vilbel hat mir eine Gratulationskarte geschickt, ich gehöre jetzt zu den Senioren, werde im Vilbeler Anzeiger namentlich genannt und habe Anspruch auf diverse Vergünstigungen.
Davon träumte ich schon mein ganzes Leben ... :D 

Danke für dein Verständnis, es tut gut!
Gruß
Lothar

 Regina (16.01.23, 11:25)
"Seit ich mit Sicherheit davon ausgehen darf, daß meine weibliche Verwandschaft niemals Texte, wie diesen lesen wird, versuche ich, wenigstens aus den Gesprächen herauszuziehen, was der Lebensvaporizer so freigibt." 

Wozu?

 LotharAtzert äußerte darauf am 16.01.23 um 11:39:
Isabel Allende sagte mal sinngemäß: Wir schreiben Tagebücher, damit nichts vergessen wird.

Ist dir das Antwort genug? - ich kanns auch ausführlicher, wenn gewünscht.

 harzgebirgler (16.01.23, 17:37)
Du könntest Deiner Schwester bezüglich Deines Eisenhut-Buches in Anlehnung an Johann Gottlieb Fichte sagen: "Ist jene Schrift die Grenze deines Verstehens, so ist sie die Grenze meiner Verständlichkeit; unsere Geister sind durch diese Grenze von einander geschieden, und ich ersuche dich mit dem Lesen meiner Schrift nicht die Zeit zu verderben." :D

LG
Henning

 LotharAtzert ergänzte dazu am 17.01.23 um 14:12:
Das ist wunderbar ausgedrückt. Jedoch ich fürchte, das würde nur Kopfschütteln auslösen. Wenn Herr Fichte ihr das sagte, ja dann ...

sie sagte, sie könne nicht meditieren. Ich sagte, da gibts nichts zu können, da gibts nur ein Wollen sein zu lassen.

Dank dir und Grüße

 harzgebirgler (26.02.23, 16:33)
:) :) 
durchs schreiben sich zu ent-schädigen
heißt auch sich des schadens entledigen. :D 

beste sonntagsgrüße & wünsche
henning
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