Morgenlied für Louize Labé

Lied

von  JohannPeter

Komm, Louize, laß uns aufstehn

solch Morgen war uns nie -

schau nach den sieben Kindern:

schlafen sie?

Schlafen noch ein Weilchen

tief, mit offnem Mund

komm, wir suchen Veilchen -

pfeif dem Hund!

 

Louize, so eine Sonne

geht uns nicht wieder auf.

Mit solch einer riesigen Röte

beginnt nur einmal Tages Lauf.

Jag den Hund in die Wiese

laß ihn baden im Tau -

was für ein Morgen, Louize 

und du - so eine Frau...

 

Ein Morgen nur, und ein Leben

wäre für ihn kaum genug.

Würde es uns heut nicht geben

wäre die Welt nicht klug.

Hörst du den Kuckuck? Nein, zähl nicht

du brächest dir den Stab!

Allzukurz ist Vogels Atem.

Früh müssen wir ins Grab.

 

Schau, da blühen die Veilchen

bind dir im Gehn einen Strauß.

Der schwarze Hund findet leicht

in unserer Spur nach Haus...

Nun mach dich schön, Louize

derweil ich Kaffee koch.

Sind die Kinder schon munter?

Nein, sie schlafen noch.




Anmerkung von JohannPeter:

Louize Labé - Dichterin, Lyon, um 1550. Überliefert sind von ihr 24 Sonette, nachgedichtet von Rilke und Zech, 
der erste näher am Text, der zweite näher am Gefühl der Dichterin, was (für mich) den Gedichten besser ansteht.

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Kommentare zu diesem Text


 Dieter Wal (28.05.23, 18:30)
Wundervolle Hommage! Liest Du ihre Gedichte auch im Original?

 JohannPeter meinte dazu am 28.05.23 um 18:56:
Danke für dieses tolle Kompliment. Leider bin ich des Französischen, expl. Altfranzösischen, nicht mächtig, kann aber die Unterschiede der dichterischen Nachempfindung der besten deutschsprachigen Übertragungen (s.o.) zuordnen. Rilke mag wohl im Sprachgestus näher am Original sein, Zech ist es zweifellos in der sinnlichen Bildhaftigkeit, und das dürfte den Sonetten der schönen Seilerin weit mehr entsprechen.
Mit Gruß - JohannP.

 Dieter Wal antwortete darauf am 28.05.23 um 19:15:
Dann lern doch einfach Französisch. Mit Latein ein Klacks. Die Sprache ist sehr melodisch. Ihre Lyrik erst!

Es gibt auch provencalisch gefärbte altfranzösische Trubadourlyrik, die sich nur im Original in ihrer ganz eigenen Sprachmusik enthüllt.

Antwort geändert am 28.05.2023 um 19:21 Uhr

 JohannPeter schrieb daraufhin am 28.05.23 um 21:24:
Die Originalsprache hat freilich immer ihr eigenes, originäres Leben. Übersetzen (nachdichten) kann man daher auch als Imperativ verstehen: Üb' ersetzen!
Im Moment habe ich gar keine zweisprachige Ausgabe, muß ich direkt bei book looken...
Danke aber für den Anstoß, auch wenn ich fürs Französische wegen anderen Projekts gerade keine Zeit erübrigen kann. Aber bissel was geht allewei...

 Dieter Wal äußerte darauf am 29.05.23 um 15:42:
Ich lernte Französisch lange vor der Schule, indem mein Papa, der sich Französisch selbst durch eine französische Bibel beigebracht hatte, er kam aus Rumänien, mir meine Lieblings-Chansons von Brassens, Brel und Moustaki übersetzte und mit der Schreibmaschine abschrieb. Danach schrieb ich deren Vokabeln in ein Heft und lernte sie. Die Chansontexte kannte ich auswendig, ohne ein Wort vorher verstanden zu haben. Das erleichterte das Lernen enorm. Ich kannte keine Grammatik. Die begegnete mir erst im wesentlich späteren Französischunterricht an der Abendschule. Du könntest es ähnlich machen. Such Dir eine möglichst sympathische Französischlehrerin, die Dich anhand der Sonette die Aussprache, den Wortschatz und Grammatik lehren soll. Du lernst dann am besten die Original-Sonette und Vokabeln auswendig und könntest eine Kurzgrammatik konsultieren. Das wäre theoretisch der interessanteste und kürzeste Weg.



Antwort geändert am 30.05.2023 um 02:55 Uhr

 JohannPeter ergänzte dazu am 29.05.23 um 20:16:
Danke für diese sehr anschauliche Beschreibung deiner Annäherung zu Louize Labé, und ich wäre froh, solchen Weg auch nochmal gehen zu können. Leider geben das meine aktuellen Valenzen nicht her, ich muß andere Prioritäten setzen, die - bei gutem Gelingen - die Aussicht haben werden, neue Erkenntnisse über eine mir sehr nahe Autorin in die Welt zu geben. Sie würde in gut 2 Jahren ihren 125. Geburtstag begehen, und zu diesem Jubiläum habe ich mir eine deadline gesetzt (und setzen müssen). Ich bin nicht mehr der Jüngste...
Wie aber schon zuvor angedeutet, werde ich versuchen, das Mindestmögliche noch einmal nachzuarbeiten, für deinen Anstoß dazu jedenfalls vielen Dank.

Antwort geändert am 29.05.2023 um 20:17 Uhr

 Dieter Wal meinte dazu am 29.05.23 um 21:04:
Fremdsprachenerwerb ist keine Altersfrage. Rabbi  William Wolff erlernte Russisch mit 60, wobei er eine ähnliche Methode verwendete.

 blauefrau (28.05.23, 19:53)
Das Lied gefällt mir ganz außerordentlich gut.
Ich kannte die Dichterin noch gar nicht und werde mich jetzt mit ihr beschäftigen. Lieber Gruß blauefrau

 JohannPeter meinte dazu am 29.05.23 um 14:52:
Danke fürs Kompliment und die Empfehlung. Als ich sie entdeckte, war sie für mich auch eine wirkliche Überraschung. Meine Lieblingssonette (übers. Zech) sind das 1. und das 9.
LG zurück!
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