Erste Kunstbegegnungen

Glosse zum Thema Erfahrung

von  Bergmann

Meine erste künstlerische Offenbarung als Erwachsener erlebte ich mit Escher und mit Dalí, ich weiß nicht mehr mit wem zuerst. Jedenfalls hat mich der Surrealismus am meisten ins Herz und ins Hirn getroffen, und er war mein erstes Kennenlernen der Moderne überhaupt. Ich kaufte mir damals auch die Dumont-Kunstbücher über die Surrealisten und die Symbolisten (Klinger ... Munch ...).
Meine ersten künstlerischen Begegungen erlebte ich aber schon als Kind vor dem 10. Lebensjahr: Auch hier ist die Reihenfolge unklar:
- Eine dunkelgrüne Maler-Mappe mit Bildern von Albrecht Altdorfer, insbesondere die "Alexanderschlacht" und eine Phantasie-Villa
- eine andere solche Maler-Mappe mit Bildern von Raffael, insbesondere die Schule von Athen
- eine dritte solche Mappe mit Bildern von Leonardo, insbesondere die Erschaffung Adams
- Bibel-Bilder (nicht Doré), insbesondere der David, als er Goliath besiegt - so ein starker junger Mann wollte ich auch werden.
- Wilhelm Buschs Geschichten, insbesondere Fips der Affe ... 
- Harold Fosters Prinz Eisenherz ...
Die drei großen Künste gaben und geben meinem Leben viel, sie sind mein Lebenselixier - die Dichtung, die Kunst, die Musik. Inzwischen bin ich der Meinung, dass mich alle drei gleich stark bewegen. Am leichtesten fasse ich die Musik auf, obwohl ich hier am passivsten bin, und ich tu mich mit der Atonalität und 12-Ton-Musik überhaupt nicht schwer. Die Industrie-Musik unserer Zeit langweilt und stört mich. Am schwersten finde ich die Dichtung, obwohl (nicht weil) ich dort selber aktiv bin.
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Ich bin nicht der Ansicht, dass meine Kindheitseindrücke die wichtigsten waren, denn vieles davon 'überwand' ich später. Die wirkliche Dichtung erkannte ich erst später, und das geht so weiter bis heute, wo ich David Foster Wallace' INFINITE JEST lese. Immer klarer wird mir aber auch, dass die Werke, die ich für die tiefen Dinge halte, von anderen nicht so gesehen werden, sogar von denen nicht, die ich künstlerisch und dichterisch sehr schätze. Aber ich setze meine Weltansicht gern absolut, obwohl ich weiß, dass das nicht richtig sein kann. Immerhin bin ich zu Revisionen meiner Ansichten in der Lage. Und ich merke ohnehin oft, dass ein Werk in einer bestimmten Konstellation, in einem bestimmten Kontext, in einer bestimmten Zeit von mir unterschiedlich gesehen wird. Die späten Bilder von Baselitz im Kunsthistorischen Museum Wiens haben mich in diesem Frühjahr hingerissen, obwohl ich Baselitz immer wieder skeptisch sah. So geht es mir auch mit Gerhard Richter.

7.8.23 



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Kommentare zu diesem Text


 Dieter_Rotmund (08.08.23, 11:43)

Aber ich setze meine Weltansicht gern absolut, obwohl ich weiß, dass das nicht richtig sein kann.



Ja, so geht es mir auch oft, aber man wird altersmilde, oder?

 Bergmann meinte dazu am 08.08.23 um 23:49:
... altersmilde: teils, teils ... 
Herbert Marcuse schreibt zu Beginn seiner Autobiografie: in seinem höheren Alter habe der Druck zugenommen, weise zu werden. Davon spüre ich noch nichts, aber es gelingt mir hin und wieder mal, freiwillig und durch Einsicht weise zu sein. Ich gab mir also sanft den kategorischen Befehl.

 DanceWith1Life (08.08.23, 12:40)
Ich finde, mit der "Musik" unserer Zeit ist es sehr ähnlich, sie offenbart ihre eigentliche "Message" nur in einem bestimmten Kontext, wie Du es über die Malerei beschreibst. Unter einem anderen Blickwinkel(eigentlich Hörwinkel) entsteht eine ganz andere Bedeutung. Und die Musiker neigen sogar dazu unterschiedliche auszuprobieren, wesentlich spielerischer als dies den anderen Künsten möglich ist (Ausnahme Theater).

 Bergmann antwortete darauf am 08.08.23 um 23:51:
Die Musik spielt in und mit verschiedenen Grammatiken. 
(Die Dichtung aber auch.)

 LotharAtzert (08.08.23, 14:15)
Ja, da schwelgt ihr alle in eurem süßen Empfinden und versucht es in Worte zu fassen. Kunst soll es sein. Aber warum ein Maler/Musiker usw. so malt, musiziert wie er malt, ihn also im Innersten zu verstehen, was er und warum – mitunter verzweifelt! - ausdrücken muß, - das findet kaum statt. Nur auf der intellektuellen Ebene. Ihr kennt halt nicht Wolfgang Döbereiners Buch „Astrologisch definierbare Verhaltensweisen in der Malerei“ Um nur mal ein Beispiel herauszugreifen: Wenn, wie beim Ingres und dem Romantiker Caspar.D. Friedrich zb., die Figuren nicht aus dem Bild, sondern in den imaginären Bildhorizont hinein schauen, so ist das ein typisches Jungfrauverhalten. Der Sehnsuchts-Blick in die Ferne – dem Unbestimmten, Unbewußten, wofür das Zeichen der Fische steht. Man ist vernünftig und malt es lieber, statt daß man sich in die Gefahr begibt, die erfahren macht.
 
Döbereiner hätte sogar ohne Geburtsdaten gewußt, in welchem Monat wer geboren ist – eben anhand der Formen der Bilder, die er, auch sie, malen. Da ist keiner, der „aus dem Rahmen fällt“. Das heißt einer schon und daran erkennt man wieder den Wassermann. Jetzt mal nur so (-mit Mond im Wassermann) schnell eingeworfen.
 
Das Bildungsbürgertum hat den Begriff vom Bild als Gebilde oder Schicksalsgefüge zerstört.

 DanceWith1Life schrieb daraufhin am 08.08.23 um 15:33:
@ Ätzschwafelus

erstens, ich schwelge nicht, ich versuche zu verstehen, mit oder ohne Döberzweier, 
zweitens wenn Du diese altersschwache Pöbelei weglässt, ist das ein interessanter Aspekt für den ich einiges Interesse hege, drittens die Sterne sind wunderschön, die Erde sogar eine Perle unter den bekannten Planeten, und das Leben....., dass es sowas geben kann,...

 LotharAtzert äußerte darauf am 08.08.23 um 16:21:
@ Lebenstraumtänzer,

man muß euch doch ein bißchen kitzeln, bevor ihr in die Gänge kommt. Aber ich höre gern auf und auch zu, also wie ist das mit der Kunscht sonst noch?

 Bergmann ergänzte dazu am 08.08.23 um 23:59:
DAS Bildungsbürgertum ist heute gern der Prügelknabe, wenn die dargebotene Kunst schwierig wird, weil es an Wissen, Können, Übung, Verständnisbereitschaft und -fähigkeit fehlt.

Das, was von Döbereiner referiert wird, ist wohl als kauziger Scherz (= Humbug) gemeint.

 AZU20 (08.08.23, 14:34)
Da kann ich einiges nachempfinden. Von vielen solcher Eindrücke lebt der Mensch.Herzliche Grüße.

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 08.08.23 um 20:22:
Hallo Uli,

ein beweglicher kunstliebender Mensch wechselt seine Perspektiven. Solange uns dies gelingt, bleiben wir jung.

LG
Ekki
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