Der Geschmack nach verwelktem Laub

Gedicht zum Thema Abgrund

von  Saira

Das Gehen fiel so schwer,

doch Leere lähmte mich -

Farben blieben mir nur Traum

und auch das Licht, das wärmen sollte.

Ich graute noch in meinen Träumen,

so war ich frei und lebte tot.

 

Ich sah ein Bild von einem schmalen Weg,

er führte hin zu einem Tor.

Der Pfad versprach Beschwerlichkeit,

doch war es leicht, auf ihm zu gehen,

mir schien, als hätte Zauberkraft

die alte Last von mir genommen.

 

Doch Zweifel liefen mit -

Gebot nicht Vorsicht und Vernunft,

den Weg mit klarem Blick zu gehen?

Die Frage stellte sich nur kurz,

geblendet war ich von dem Drang,

die Schwere abzulegen.

 

Ein Abgrund tat sich vor mir auf,

ich stürzte, fiel und fiel …

Der Honig, der so süß mir war

und golden färbte Mund und Zunge,

er schmeckte nach verwelktem Laub,

verklebte sandgekörnt die Lippen.

 

Dunkelheit, die dunkler noch als Schwärze war,

verschluckte meinen Schrei,

von Ferne hallte Hohngelächter.

Doch dann, das Tor, es wurde aufgetan,

gleich einer Feder leichtem Flug,

sank ich hinab in deine Arme.

 

 

 

©Sigrun Al-Badri/ 2023



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Kommentare zu diesem Text


 Regina (01.11.23, 08:47)
"In wessen Arme?" könnte die Leserin fragen, "in die eines Geliebten oder eines Engels oder gar in Gottes Arme?" "Ist das LyrIch gestorben?" Aber gerade die unterschiedliche Interpretierbarkeit trägt zur geheimnisvollen, tiefgründigen Atmosphäre bei, die das Gedicht vermittelt. Auf alle Fälle geschieht da eine Erlösung. Gelungen.

 Saira meinte dazu am 01.11.23 um 17:42:
Hallo Regina,
 
deine Gedanken zu meinem Gedicht sind für mich eine tolle Rückmeldung! Ich danke dir!
 
Liebe Grüße
Sigrun

 EkkehartMittelberg (01.11.23, 09:19)
Hallo Sigi,

ich lese dein Gedicht als einen Traum, der mich durch seine Bildkraft in den Bann schlägt.

Liebe Grüße
Ekki

 Saira antwortete darauf am 01.11.23 um 17:43:
Hallo lieber Ekki,
 
ich freue mich über deine wundervolle Betrachtung und Wertschätzung!
 
Herzlichst
Sigi

Antwort geändert am 01.11.2023 um 17:46 Uhr

 diestelzie (01.11.23, 12:59)
Wenn der Absturz so endete, ist ja alles gut.

Liebe Grüße 
Kerstin

 Saira schrieb daraufhin am 01.11.23 um 17:44:
Hallo Kerstin,
 
so kann man es auch sehen :) . Ich danke dir!
 
Liebe Grüße
Sigrun
Teolein (70)
(01.11.23, 18:36)
Dieser Kommentar ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 Saira äußerte darauf am 01.11.23 um 19:02:
Danke, lieber Teo, für deinen liebevollen Kommentar!

Herzliche Grüße zu euch!

Sigi

 AchterZwerg (01.11.23, 19:02)
Liebe Sigi,

ich lese das Gedicht als einen Wunsch nach Erlösung durch Suizid, wie er in schweren Depressionen gang und gäbe ist.
Gleichsam auf dem Wege dorthin, wird erkannt, dass auch dieser Honig nicht halten wird, was er verheißt.

Und dann gibt es da noch diesen Menschen. Diesen einen. ---

Das Gedicht zeigt sehr starke Verse und Bilder.. Mein erklärter Liebling ist:

"Ich graute noch in meinen Träumen,
so war ich frei und lebte tot."

Ganz, ganz toll! <3

 

 Rosalinde ergänzte dazu am 02.11.23 um 04:35:
Das ist ein sehr schönes Gedicht, Saira. Du hast wunderbare Formulierungen gefunden für deine Situation. 

Zwei Anmerkungen seien aber erlaubt:
1. Der Titel - Er sollte in Hochdeutsch formuliert sein, in diesem Fall nicht in Alltagsdeutsch, damit der Titel auch dem schönen Gedicht anpasst ist. Er müsste also heißen:
"Der Geschmack verwelkten Laubes" (Genitiv)

2. Letzte Strophe: Hier trifft dasselbe zu. Auch hier der Genitiv: "gleich einer Feder leichten Fluges".

Ich hoffe, dass du mir meine kleinen Korrekturen nicht übel nimmst. Leider haben deine anderen Kommentatoren
diese stilistische Korrektur nicht erwähnt.

Lieben Gruß, Rosalinde

Antwort geändert am 02.11.2023 um 04:36 Uhr

 Saira meinte dazu am 02.11.23 um 07:08:
@AchterZwerg
 
Meine liebe Forenfreundin,
 
es ist für mich ganz wunderbar zu erfahren, auf welch vielfältige Weise mein Gedicht interpretiert wird. Deine Analyse beeindruckt mich sehr!
 
Die von dir hervorgehobenen Lieblingsverse sind auch meine.
 
Ich danke dir!
 
<3 lichst
Sigi

 Drita (03.11.23, 20:49)
Liebe Sigi, 
einfach klasse formuliert.

Danke

Liebe Grüsse
Drita

Kommentar geändert am 04.11.2023 um 04:48 Uhr

 Saira meinte dazu am 04.11.23 um 07:10:
Liebe Drita,

ich freue mich über dein Lob. Danke!

Herzliche Grüße
Sigi
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