Ein ganz normaler Sommertag

Kurzgeschichte zum Thema Alltag

von  IDee

Ein ganz normaler Sommertag

 

Genau genommen ist der Tag ziemlich öde, daher macht es mir auch nichts aus, aufzustehen, um zur Tür zu gehen, als es an der Selbigen klingelt. Insgeheim male ich mir aus, dass irgendein Vertreter davorsteht. Zu dem könnte ich dann sagen: „Oder, aber, weder noch!“, um anschließend die Tür wieder zu schließen.

Die verfeinerte Variante wäre zu sagen: „Einen Augenblick bitte!“, dann die Tür anzulehnen, mit einer Hand nach dem alten Vorderlader zu greifen, der im Regenschirmständer steht. Dann die Tür wieder zu öffnen und zu sagen: „Haben Sie sonst noch eine Frage?“

Natürlich präsentiere ich die Flinte entsprechend. Dieser Gedankengang gefällt mir, dennoch bin ich derart energielos das ich ohne Weiteres die Eingangstür öffne.

Die geht auf und die ersten Sonnenstrahlen dringen ins Innere. Da steht er! Sein Gesicht ist schwarz verschmiert ebenso wie seine Hände. Doch durch all das hindurch leuchtet es heller als die Sonne. Meine Stimmung hebt sich. Seine Augen funkeln verheißungsvoll, ich starre ihn an, ich kann meinen Blick nicht abwenden. 

„Darf ich bei ihnen wohl aufs Dach steigen?“, fragt er freundlich nach.

„Nur auf`s Dach?“, denke ich, verwerfe aber gleich wieder diesen Gedanken und antworte stattdessen: „Oh ja! Ja natürlich!“

Der Schornsteinfeger betritt unser Haus, er geht nach oben, er kennt sich aus.

Auf Zehenspitzen schleiche ich zum Telefon und wähle die Nummer meiner Nachbarin.

„Greta!“, hauche ich in die Muschel, „Code schwarz!“

„Was? Ist es schon wieder so weit? Ich bin sofort da!“, kreischt sie fast hysterisch.

Die Außentür lehne ich schon einmal an und öffne den Prosecco.

Im Nu ist sie da. Zusammen stehen wir in unserem geräumigen Flur, schlürfen Prosecco und schauen immer wieder erwartungsvoll nach oben. 

„Er ist früh dieses Jahr“, flüstert Greta mir zu.

„Ja, das finde ich auch. Ich war gar nicht darauf vorbereitet“, wispere ich zurück.

Plötzlich stehen wir da, wie vom Donner getroffen, wir hören Schritte vom Dachboden.

„Er kommt!“, raunt sie mir zu und nimmt noch einen kräftigen Schluck.

Er kommt tatsächlich. Als käme die Sonne persönlich die Treppe herunter. Wir sonnen uns in seinem Licht.

„Oh, hallo!“, schleimt meine Nachbarin, „kommen sie auch noch zu uns?“

„Unter steh dich!“, zische ich ihr leise zu.

„Nein, ich war schon auf allen Dächern“, strahlt die Sonne.

„Was haben sie dort eigentlich gemacht?“, will ich gekünstelt gelangweilt wissen.

„Ich habe nur die Kamine ausgelotet. Zu kehren gibt es hier nichts. Aber die Dohlen nisten schon mal ganz gerne dort“, erklärt er bereitwillig.

„So, die Dohlen …“, gibt Greta lüsternd versonnen von sich und sieht ihn ebenso an.

„Ja, dann noch mal vielen Dank, dass ich bei ihnen auf das Dach durfte. Bis zum Herbst“, sagt er freundlich, strahlt und funkelt noch einmal, um anschließend aus unserem Blickfeld zu entschwinden.

„Ist dein Mann nicht schon zu Hause!“, reiße ich sie aus ihren Träumen.

„Nein, der muss noch ein paar Kilometer laufen! Marathon! Du verstehst?!“

„Bist du sicher?“

Greta sieht mich an, worauf hin sie trocken meint: „Ist nicht bald Zeit für die Wartung der Heizanlage?“

„Du meinst …?!“

„Ja! Genau den meine ich. Er ist so niedlich!“

„Ja, seine T-Shirts sind immer leicht verschwitzt und das Gelbe steht ihm besonders gut. Das bringt seine blauen Augen so geheimnisvoll zum Leuchten.“

„Ja und wenn man ihn anspricht, sieht er immer erst ganz verlegen zu Boden. Er ist so schüchtern!“

„Findest du Greta?! Nein, so habe ich ihn noch nie gesehen. Aber vielleicht liegt das daran, dass ich ihn immer mit Fachfragen löchere“, gebe ich ihr zu verstehen.

„Das ist eine gute Idee! Ich sollte mir schon einmal einige Fragen notieren. Vielleicht möchte er dann noch mit mir frühstücken. Während dessen können wir dann alles in Ruhe durchgehen. Schritt für Schritt …“, stellt sie sich vor.

„Greta du sabberst!“

Sie ignoriert meine Bemerkung und meint: „Cordula steckt ihm immer was zu.“

„Bitte was? Was steckt sie ihm zu?“, will ich nun wissen.

„Na ja, eben der Jahreszeit entsprechendes. Zur Weihnachtszeit einen Nikolaus, im Mai einen Maikäfer und zu Ostern einen Hasen.“

„Tritt sie vielleicht selbst noch als Bunny auf?“

„Mit der Figur doch nicht!“, stellt Greta fest.

Sie sieht auf die Uhr.

„Mmh, ich glaube ich sollte gehen. Vielen Dank, dass du mich informiert hast.“

„Was man nicht alles so tut unter Freunden!“, sage ich und bringe sie zur Tür.

Greta ist verschwunden und ich sinniere darüber nach, wie ich den Tag noch füllen könnte.

Sehr weit komme ich mit meinen Überlegungen allerdings nicht. Das Telefon klingelt.

„Gartenalarm“, höre ich Greta am anderen Ende kreischen.

„Okay!“, fasse ich mich kurz.

Ich weiß genau, was das zu bedeuten hat, flugs schlüpfe ich in meine Gartenschuhe gehe durch unseren Garten, im Vorbeilaufen greife ich nach einem Rechen und schon stehe ich in Gretas Garten.

„Das ist so nett das Du mir hilfst!“, flötet sie.

„Aber das ist doch klar!“, gebe ich freundlich zurück und schiele in den Garten neben an.

Da liegt er, ausgebreitet in der Sonne, in der Farbe eines garen Hähnchens. Nein, es ist nicht wirklich schön, dafür aber um so witziger. Sein tatsächliches Alter kennen wir nicht, wissen aber sehr wohl das Er schon im Ruhestand ist.

„Was meinst du Greta, ob er wohl noch eine viertel Stunde braucht?“

„Der ist durch! Vermutlich schon total trocken!“

„Aber ganz gar ist das nicht?!“

„Wie wäre es mit einem Aperitif?“, fragt Greta.

„Doch nicht zu Hähnchen, du Banause!“

Wir sehen uns an und müssen kichern.

Es sieht aber auch zu blöde aus, wie er da liegt. Mit nichts weiter als einem superknappen String bekleidet, die Haut ölig schimmernd, als gäbe es noch irgendwas zu retten.

Er hat uns bemerkt, er grüßt freundlich. Wir grüßen zurück. Er steht auf und geht ins Haus.

Das ist nun der absolute Brüller.

„Hoffentlich rutscht da nichts raus“, flüstere ich Greta zu.

Die muss laut prustend lachen.

„Jetzt muss ich gehen, jetzt kommt mein Mann nach Hause“, sage ich und begebe mich, nicht ohne zu grinsen, auf den Heimweg.

Mein Mann und ich betreten gleichzeitig das Haus, er von vorn, ich von hinten.

„Ich glaube ich bin erblindet!“, meint er voll entsetzen.

„Was ist passiert?!“, will ich wissen.

„Stell dir vor, unser Nachbar geht doch tatsächlich nackt an die Mülltonne! Gott sei Dank habe ich den nur von hinten gesehen! Und wie war dein Tag?“

„Ziemlich langweilig, Schatz!“

 



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