Immer wieder habe ich auf sie geschaut

Gedicht zum Thema Vergänglichkeit

von  EkkehartMittelberg

Du feines Zeugnis
menschlicher Präzision und Kunst,
fähig, die allmächtige Zeit
mit ihren kleinen und großen Schritten
zu messen,
den Alltag punktgenau zu regeln
und mit Mond-und Sonnenphasen
über ihn hinauszuweisen
ins unendliche Universum,
wo Zeit, eine Erfindung des Menschen,
ihre Gültigkeit verliert.

Wie oft habe ich sehnsüchtig
auf deine Zeiger geschaut,
bis der Zug mit der Geliebten
endlich eintraf.
Wie oft habe ich bei Spielen fiebernd
auf die Sekunden gestarrt,
die über Sieg und Niederlage entschieden.
Wie oft habe ich dich, du schöne Uhr,
in müßigen Stunden,
zeitlos glücklich,
voller Wohlgefallen betrachtet
und gedacht,
dass deine schlichte, gediegene Form
mein kleines Leben überdauern wird.

Doch auch du,
scheinbare Meisterin der Zeit,
mit deinem fragilen Gehäuse,
von diamanthartem Rahmen geschützt,
wirst dereinst, von ihr zerrieben,
unbeachtet und verstaubt,
in einem Winkel liegen,
bis mein Enkel
dich schmelzen lässt
und aus deinem Gold
ein Ring gefertigt wird,
der seinem Träger
ewige Treue verspricht.

Januar 2014



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Kommentare zu diesem Text


 Cathleen (20.12.23, 00:18)
Ach, Ekkehart, das ist so schön. Man kann aus allem etwas machen. Mit Sorgfalt und Geduld. Dein Text ist der Beweis!
Liebe Grüße und eine schöne Weihnachtszeit!
Cathleen

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 20.12.23 um 14:34:
Danke, Cathleen, ich freue mich über dein Kompliment.
Auch dir frohe Weihnachten
Ekki

 Saira (20.12.23, 03:26)
Lieber Ekki,
 
für mich hat meine Uhr auch eine besondere Bedeutung. Allerdings kenne ich viele Menschen, die keine tragen. Sie schauen auf ihr Handy, wenn sie die Uhrzeit wissen möchten.
 
Eine Uhr, wie du sie in deinem Gedicht wertschätzt, hat nicht mehr alleine den materiellen Wert, sondern erinnert an Zeiten, in denen sie ein wichtiger Begleiter und Zeitmesser war. Lief sie zu langsam oder zu schnell? Dann waren damit Ereignisse verbunden, an die wir uns vielleicht später einmal erinnern.
 
Deine letzte Strophe finde ich besonders schön. Im Leben ist alles vergänglich …
 
Herzlichst
Sigi

 EkkehartMittelberg antwortete darauf am 20.12.23 um 14:42:
Grazie, Sigi, 

schon als junger Mann war ich mir der Vergänglichkeit des menschlichen Lebens bewusst. Deshalb war mir meine Uhr neben ihrem praktischen und ästhetischen Wert immer auch Mahner.
Herzlichst
Ekki

 willemswelt (20.12.23, 04:44)
ja,Ekki,manchmal ist es gut, den Erinnerungen ein neues Gesicht zu geben,auch wenn die alten ihren eigenen Wert behalten-einen Morgengruß,Willem

 EkkehartMittelberg schrieb daraufhin am 20.12.23 um 14:46:
Gracias, Willem,

ich finde deinen Hinweis sehr wichtig, dass Erinnerungen auch in die Zukunft verweisen können.
Liebe Grüße
Ekki

 Teo (20.12.23, 14:45)
Ach Ekki,
das ist ein wunderschönes, fast liebevolles Gedicht!
Uhren, besonders Armbanduhren üben auf mich eine besondere Faszination aus. Meine Vater hatte eine
Armbanduhr von Lange & Söhne. Ich durfte nur gucken,
nicht anfassen.
Lieben Gruß
Teo

 EkkehartMittelberg äußerte darauf am 20.12.23 um 14:57:
Vielen Dank, Teo,
meine erste Uhr war ein Geschenk zu meiner Konformation, eine preiswerte Junghans. Ich habe sie sehr lange gerne getragen. Damals dienten die Uhren primär noch ihrem Zweck als Zeitmesser. Heute sind sie für viele Statussymbol oder sie befriedigen den ästhetischen Anspruch ihres Besitzers.
Liebe Grüße
Ekki

 plotzn (20.12.23, 15:43)
Servus Ekki,

Dein Gedicht erinnert mich an meine erste Taschenuhr. Eine billige Ausführung, aber in meinem Freundeskreis wogte gerade eine nostalgische Welle und die Uhr an der Kette aus der Hosentasche zu ziehen und dann den Deckel aufspringen zu lassen hatte etwas Besonderes. Damals konnte man sich noch im wahrsten Sinne de wortee Zeit nehmen.

Liebe Grüße
Stefan

 EkkehartMittelberg ergänzte dazu am 20.12.23 um 17:44:
Gracias, Stefan,
dein Beitrag erinnert mich an meine Jugendzeit, in der ich einige Besitzer von Taschenuhren kannte. Sie vermittelten einem die Illusion, ruhig und besonnen mit der Zeit umzugehen.
Liebe Grüße
Ekki

 AlmaMarieSchneider (20.12.23, 16:26)
Irgendwie habe ich es zeitlebens versäumt eine Uhr zu tragen und doch habe ich nichts versäumt. 

Ein Lächeln
Alma Marie

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 20.12.23 um 17:49:
Grazie, Alma Marie,
du hast vor allem nicht versäumt, achtsam und liebevoll mit deinen Mitmenschen umzugehen.
Ein Lächeln zurück
Ekki

 TassoTuwas (21.12.23, 01:15)
Lieber Ekki,

ein sehr schönes Gedicht über die Uhr als Überbringerin der Zeit.
Ob es zu früh oder zu spät ist, das liegt an dem der drauf schaut.

Herzliche Grüße
TT

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 21.12.23 um 11:33:
Vielen Dank, Tasso,
ich hoffe, dass wir immer gelassen mit der Zeit umgehen können.
Herzliche Grüße
Ekki

 AvaLiam (27.03.24, 02:54)
Lieber Ekki,

anlässlich einer großen Jubiläumsfeier schrieb ich eine entsprechende Rede in Gedichtform und ein wichtiger Teil dieser Rede war "die Zeit".

Und so waren es Wünsche und Gedanken, wie:
"... Zeit – ein so wertungsflexibles Wort…
Mal zu viel, mal zu wenig… und dann einfach fort.
Man müsste sie sammeln und konservieren,
verdoppeln können oder halbieren."


Sie kann uns ganz schön beschäftigen und selten nur wird sie uns das sein, was wir in ihr sehen wollen.
Interessant finde ich in ihrem Ver- bzw. Ablauf, wie sich die Wahrnehmung verändert. 
Jahre, die uns früher endlos schienen und wir den Tag X herbeisehnten, verfliegen mit zunehmenden Alter, dass man sich kaum an die Jahreszahl gewöhnen kann.

Manchmal hat man zu wenig Zeit. Manchmal verpasst man sie. Gut also, dass wir Uhren haben - Zeitmesser. Messerscharf - der Moment, in dem klar wird, die Zeit ist um.
Und auch hier liegt das Wesentliche wieder sichtlich nahe. Nicht jede Uhr ist schön anzusehen für uns. Es liegt also an uns, etwas aus der Zeit zu machen, was uns gefällt, so wie wir uns Uhren aussuchen können, die wir gern anschauen ... beim Sekunden zählen, beim Warten.
Wie viele Großväter vermachten ihren Enkeln ihre Taschen- oder Armbanduhr mit den Worten: "Pass gut darauf auf, sie ist wertvoll." So mancher wird nicht (nur) die Uhr gemeint haben.

Danke für diese schönen Zeilen und den kostbaren Moment Zeit.

in zeitloser Verehrung
deine Ava

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 28.03.24 um 16:33:
Liebe Andrea,
ich danke dir für diesen kostbar besonnenen Kommentar im reißenden Strom der Zeit. Du lässt mich spüren, dass Freundschaft in ihm Bestand hat.
Herzliche Grüße
Ekki
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