Wann leben Sie eigentlich?

Kurzprosa

von  KonstantinF.

 

Zweihundert Meter Fußweg am frühen Morgen, dann verschluckt mich der U-Bahn-Schacht. Nach 25 Minuten Fahrtzeit werde ich wieder ausgespuckt und vom Bürohochhaus am Stadtrand aufgesaugt.

Der Tag verrinnt mit allerlei Besprechungen im größeren und kleineren Rahmen, klärenden Telefonaten und ganz viel Gedankenarbeit am Bildschirm. Dazwischen ein schnelles Mittagessen in der Kantine, manchmal Currywurst.

Spätabends fahre ich zusammen mit vielen anderen müden Werktätigen zurück nach Hause. Dort bin ich zu ausgelaugt für weitere Aktivitäten.

„Wann leben Sie eigentlich?“, fragte mich neulich die junge sportliche Kollegin, die mir für unser neuestes Projekt als Halbtagskraft zugeteilt wurde. Meine Erschöpfung an manchen Tagen war ihr nicht entgangen.

Mir fiel auf die Schnelle keine Antwort ein. Aber ich beginne darüber nachzudenken.

 



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Kommentare zu diesem Text


 Graeculus (03.04.24, 16:47)
Die Frage ist alt. Die heutige Antwort nennt man Work-Life-Balance.
Es gibt noch ältere:

Παῖσον, τρύφησον, ζῆσον. ἀποθανεῖν σε δεῖ.

Sei lustig, mach dir’s schön und leb: es winkt der Tod.

[Antike Grabinschrift; GV 1016]

Die Übersetzung für ἀποθανεῖν σε δεῖ habe ich aus einem Buch übernommen; wörtlich: "Du mußt sterben."

Kommentar geändert am 03.04.2024 um 16:50 Uhr

 KonstantinF. meinte dazu am 03.04.24 um 18:52:
Ein schönes gedankliches Konstrukt der Neuzeit, diese Work-Life-Balance, die sicher jeder gern für sich reklamieren möchte. Doch wird – je nach Beruf und Wirtschaftszweig – dieser Idealzustand leider niemals für alle erreichbar sein.

 BeBa (09.04.24, 23:41)
So geht es wohl vielen. Ich jedenfalls kann mich noch an diese Zeit erinnern, bin ja erst seit Dezember Rentner.
In deinem Profil habe ich gelesen, dass du es wohl auch mit der IT hattest. Da gelten ja meist noch einmal verschärfte Bedingungen. 

Gute Frage, die die Kollegin hier gestellt hat. Dabei sind nach meiner Erfahrung die jungen Leute längst genauso gefangen im Hamsterrad, nur merken sie es vor lauter Fitness noch nicht.

 KonstantinF. antwortete darauf am 10.04.24 um 09:43:
Vielleicht täusche ich mich, aber ich habe den Eindruck, dass das Hamsterrad von vielen (natürlich nicht allen) jungen Leuten durch zu viele Freizeitaktivitäten selbst angeworfen wird.

Ich bin momentan ganz zufrieden damit, sowohl das berufliche als auch das private Hamsterrad hinter mir zu haben ...

 Dieter_Rotmund (10.04.24, 09:46)
Ist der Text autobio?

 KonstantinF. schrieb daraufhin am 10.04.24 um 09:48:
in Ansätzen

 Dieter_Rotmund äußerte darauf am 10.04.24 um 14:51:
Nun, der Text hat Potential, finde ich. Ich würde mich von den letzten biographischen Bindungen trennen und dem Erzähler etwas (mehr) Profil geben, das würde diesen allzu knapp gehaltenen Text sicherlich aufwerten.

 KonstantinF. ergänzte dazu am 10.04.24 um 16:46:
Vielleicht hast Du Recht. Aber sollte nicht gerade eine Kurzprosa kurz und knapp sein und sich auf das Wesentliche beschränken?
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