Meaningvolle Relationsschiffe

Gedanke zum Thema Beziehung

von  Terminator

Als Vorpsiel ein Tieffick, der eisenstänglicher nicht sein könnte: Vergeben oder nicht, wenn der Übeltäter sich auch Jahre später im Recht fühlt und sich als Opfer darstellt? Einige Psychologen sagen: ja, denn dadurch kannst du abschließen. Andere sagen: damit klarkommen, dass du es mit einem bösen Menschen zu tun hattest, und allein schon, um auf spätere Erfahrungen gleicher Art vorbereitet zu sein, niemals vergeben (und schon gar nicht vergessen). Ich habe eine andere Lösung gefunden: dieser Mensch existiert für mich nicht mehr, und ich meine es nicht rhetorisch. Ich betrachte dieses narisstische Häufchen Selbstmitleid als einen NPC, und zwar nicht als ob es ein philosophischer Zombie wäre: kein Als-ob, sondern Tatsache. Ein spekulativer Schluss, der ontisch gültig ist. Mit einem Nicht-Menschen kann es keine Beziehung geben: weder Freundschaft noch Feindschaft noch irgendeine andere Art von Beziehung. Und auf noch kennenzulernende Arschlöcher bezogen: es gibt kein Zwangs-Du mehr für mich. Ein sprechendes Ding hat keine moralische Relevanz; insofern verhalte ich mich gegenüber solchen Automaten als Zwangspsychopath: keine Anerkennung von Unpersonen als Personen. Wobei ich allerdings mit NPCs als Dingen auch nichts zu tun haben will: ich stelle mir keinen Freibrief aus, philosophische Zombies schlecht zu behandeln, vielmehr ignoriere ich sie, als wären sie Luft, und da sie nunmal creepy sind, denn sie scheinen Personen zu sein, sind aber keine, gehe ich ihnen, um mir selbst kognitive Dissonanzen zu ersparen, aus dem Weg.


Das Hauptspiel handelt von der Nichtzugehörigkeit: NPCs sind wenigstens menschliche Tiere, empfindende Wesen, aber was zum Teufel sind Gruppen? Gruppen leiden nicht. Egal für welche Selbsternannt-Guten gegen welche Zwangsernannt-Bösen ich kämpfte, es wäre für nichts. Nur weil jemand ein Bewusstsein imitiert, bin ich ihm gegenüber nicht verpflichtet, ihn als Person zu achten. Ein abstraktes Kollektiv hat nicht einmal eine Scheinpersönlichkeit. Ich helfe empfindenden Wesen gern, das liegt in der Natur jeder geistig gesunden Person, aber was Gruppen betrifft, existiert kein Du, ja nicht einmal ein armer Hund. Konkrete Gruppenzugehörigkeit ist nicht verpflichtender als abstrakte: die Zufällig-Angehörigen sind mir seelenfremd. Zufallsfamilien, biographisch kontingente Freundeskreise: alles letztlich biologische und soziale Automatismen. Einen Menschen 40 Jahre lang zu kennen, und nur mit seiner Fassade zu kommunizieren, verbindet nicht.


Was verbindet? In gemeiner Zunge spricht man vom um seiner Selbst willen geliebt werden. Aber das setzt voraus, dass die andere Person mich kennt, was wiederum voraussetzt, dass es sich um eine echte Person handelt, denn ein Tier oder eine KI kennt mich niemals als Person. Es sind die intimsten Qualia, die die andere Person mit mir teilen muss, damit eine Beziehung möglich ist: die Wahrnehmung und Empfindung dessen, was mir wichtig ist, muss exakt übereinstimmen. Die Bedeutung der Zartheitlichkeit, der Mädchenik, der Niedlichkeit an und für sich, der Raum- und Zeitharmonie, der Reinheit, der Transzendenz muss nicht nur ähnlich oder gleich sein, sondern exakt dieselbe. Wir sind füreinander überhaupt nicht mehr Mittel, sondern absolute Selbstzwecke, sogar ein und derselbe Selbstzweck zusammen. Jeder Bezug zu meiner Persönlichkeit, wie meinerseits zu ihrer auch, ist realeuphemistisch: die realistische Betrachtung kann nur in Euphemismen ausgesprochen werden, weil sie wahr sind. Lob und Komplimente wären nicht mehr möglich, weil sie selbstverständiche Tatsachen ausdrückten, die ohnehin bewusst wären. Dafür ist die korrekte Verkörperung der vollkommen schönen Seelen die Voraussetzung. Eine Beziehung zwischen mir und einer anderen Person muss sich auf eine Welt beziehen, die eine unmittelbare Begegnung unserer wahren Wesen ermöglicht. Verbale Kommunikation wäre nur schmückendes Beiwerk, telepathische Kommunikation der Grundzustand. Absolute Wehrlosigkeit gegeneinander und unendliches Vertrauen ohne Anfälligkeit für zufällige Missverständnisse. Ein für destruktive Mächte unerreichbares gemeinsames Zuhause.


Weniger ist nicht Beziehung für mich, sondern gestörtes Alleinsein. Das, was in dieser Welt Beziehung genannt wird, ist solipsistische Spielerei mit Fassaden, ein Gesellschaftsspiel. Wären die Körper in dieser Welt nicht so ekelhaft (ich könnte nie in dieser Welt Sex haben, sondern stelle mir seit ich 17 bin Sex in Phantasiewelten mit optimierten Körpern vor), könnte ich zum Spaß dieses Spiel spielen, wäre mir aber stets dessen bewusst, dass selbst der intensivste Orgasmus zuzweit oder zudritt (FFM) oder zuviert (FFFM) immer im Grundzustand der Einsamkeit stattfinden würde. Eine Scheinbeziehung, um nicht allein zu sein, ist insofern erbärmlich, als dass der Verzweifelte sich selbst über sein inneres Alleinsein belügt, und nach außen Zugehörigkeit signalisiert, um Scheinpersonen, von denen er nur Fassaden wahrnimmt, eine Fassade zu zeigen. Ja, zeig der Parkuhr, dass du kein "Loser" bist! Angst, bewertet zu werden? Ein sozialer Automatisus. Für mich exisiert einfach keiner, der mich bewerten und verurteilen könnte. Nicht-Personen haben keinen Status. Alles ist nur Schein, insofern kein echtes, meinem ebenbürtiges Ich unmittelbar erfahrbar ist. Sozialer und zwischenmenschlicher Vergleich, Neid, Eifersucht, Schuldgefühle: alles erlernte Automatismen, die sich auf keine real existierenden Beziehungen beziehen. Alles Fassaden-Baumaterial. Das Trauma erlebter Zwangsbeziehungen lässt sich nicht durch klärende Gespräche mit Scheinpersonen auflösen, sondern nur durch die Erkenntnis, dass das nie Beziehungen waren, sondern nur Mindfuck.


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Kommentare zu diesem Text


 franky (08.04.24, 10:06)
Hi lieber Terminator 

Ein sehr interessanter Text, habe ihn aufmerksam verfolgt. 

Grüße von Franky

Kommentar geändert am 08.04.2024 um 10:08 Uhr

 Augustus (08.04.24, 12:54)
Absolute Zustimmung. Schon klar dargestellte und die Thematik wie einen Teppich entrollt. Nun sieht man die ganzen Farben und Muster sowie die Länge vom Teppich.

Dieses Entrollen von Empfindungen zur Klarheit bedarf geistiger Kraft. Wer sie nicht entrollen kann, wird bloß auf der dünklen Empfindung sitzen bleiben, und auf der Grundlage eines unvollkommnen (nicht entrollten) Teppichs faseln.
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