Kings Palace

Text

von  minze

Dieses Mal ist das Mittagsbuffet, wie es sein soll. Wir sind im Kings Palace. Ich frage nicht, was es kostet, weil ich es mit Franzi und Charlie entschieden habe, ohne über alle Details zu reden. Franzi meinte nur, die Schüler trinken immer im Klo das Wasser, weil die Getränke extra kosten. Eine von uns hat zu Hause Bescheid gesagt, wir beiden anderen nicht. Ich merke auf der Fahrt hin, dass ich von ihm geträumt habe. Während wir essen, trinken wir alle ein großes Mineralwasser, bestellt, weil wir, glaube ich, nicht zu schnell sättigen wollen. Charlie sagt, es gibt frittierten Pudding. Es stimmt. Ich kann nichts Genaues rausschmecken, bei den Bananen aber voll.


Hier haben wir keine Karte, auf der Zusatzstoffe stehen und das Buffet ist kleiner als im Restaurant vor dem Baumarkt. Es gibt Holzvertäfelungen und Kojs. Es wirkt nicht konkret, dass ich wieder von ihm träume, aber es reißt die Verfasstheit an, die ich nur in Verbindung mit ihm kenne. Ich muss mir seine Stimme denken und mein aufgekratzt sein. Eigentlich bekomme ich mich nicht sortiert, nicht, um was es dieses Mal geht, sondern ganz aufgeteilt zwischen aufgerissen und geil sein, irgendwie dazwischen. So aufgerissen im Begriff des mich sofort mitteilenmüssens oder aufnehmenmüssens von egal welcher unmittelbaren Information. Gleichzeitig nass und bittend um Nähe.


Ich erinnere keinen Inhalt und vermisse kein konkretes Thema, auch weiß ich, wie aufgespart das, was ich noch erinnern kann, in die Vergangenheit gehört. Es fühlt sich fest an, nichts mehr ins Jetzt zu bekommen von alledem. Mich hat das sehr ruhig gemacht. So, dass ich diesen Wochen nachgehen kann, ohne mich fehlend zu meinen. Ich bin zufrieden mit der mäßigen Erfahrung mit Yann im Glücksrestaurant. Wir haben uns dort spontan gegen das Buffet entschieden, weil es entweder Womans oder Mansday gibt, es lohnt sich nicht als Paar, es ist ganz anders als in meinem Plan.


Es ist an diesem Tag spät, wir kommen vom Renovieren der Küche. Ich habe starken Hunger. An diesem Tag gibt es wenig Zeit und viel zu organisieren für mich. Ich weiß aber nicht mehr was, Einkäufe, bestimmt auch Bücherei und Apotheke. Als wir nach Karte bestellen, wird mir schnell bewusst, dass sich das Buffet für mich gelohnt hätte, für mich als Frau. Dann hätte ich gleich gegessen. Yann will nun nicht darüber nachdenken, nicht drüber sprechen, ob wir die richtige Entscheidung getroffen haben, ob wir die Entscheidung unter anderen Bedingungen anders treffen würden und werden.


Franzi wusste, dass ich ins Kings Palace muss.

Die Renovierung läuft nicht perfekt. Wir haben es besser gemacht, als die letzten Jahre, aber es hat nicht gereicht. Die Fließen hat Yann mit Aceton behandelt, die alte Farbe mit dem Spachtel fast komplett beseitigt, auch geschliffen, die alte Fuge entfernt. Er sagt, es hat viel Zeit gebraucht. Oft war ich weg, als er in der Küche war. Ich habe einen besonderen Reiniger gekauft. Im ersten Moment denke ich, es ist wie Natron, weil es nicht riecht, sich einfach auflösen lässt. Vielleicht wirken viele Pulver so – in einem Liter Wasser aufgelöst– es entfettet alles und wenn man mit der Hand darüber fährt, ist es sehr glatt. Fast erleichtert es mich, nach fünf Jahren im Haus alles abzunehmen, was an dieser Wand ist und die alten Fließen wieder zu finden. Es ist ein bisschen, wie von vorne alles sehen.


Am Ende behandle ich mit dem Stahlschwamm alles, ich will, dass es rauh wird. So haftet die Farbe mehr. Dann verwechsle ich, was zu tun wäre. Ich bringe die Versiegelung vor der Farbe an und merke es, als der Arbeitsgang fast fertig ist. Auf dem Topf der Versiegelung steht eine große Zwei und auf dem der Farbe eine große Eins. Wir lassen es trocknen und gehen ins Glücksrestaurant.


Gegenüber ist der Baumarkt, auf dem ich neues Material kaufen muss. Es sind Kosten von weiteren fünfzig Euro. Vielleicht wollte ich deswegen nicht das Buffet, es kostete mehr. Vielleicht ist es deswegen so ein Versagergefühl, wie ich das Lauwarme esse, anstatt die Buffetoption.

Mich ekeln die langen Tische mit den Auslagen etwas.


Es gibt einen Roboter, der sehr laut Happy Birthday singt und im Alleingang Tische ansteuert. Ich glaube, er bringt eine Überraschung, auch wenn kein Alkohol im Spiel ist. Eine Familie mit kleinen Kindern reagiert auf den Roboter.


Der eigentliche Fehler kommt erst drei Tage später, ich bekomme die Versiegelung durch hartes Schrubben weg, die Farbe drauf, die Versiegelung wieder drauf. Es sieht so gut aus, wir entfernen nach dem letzten Auftrag, nach so vielen Schichten, die Klebestreifen, mit denen wir zum Schutz die Schränke und Arbeitsplatte abgeklebt hatten. An den Streifen bleibt Farbe und reißt etwas davon ab.


Ich sehe es erst, als ich wieder den ersten Tag von der Arbeit heim komme. Yann ist schlecht drauf. Ich bin ausgelaugt, wie ich es sehe.

Sofort will ich losfahren, um etwas zu finden, was man dran machen kann – vielleicht müssen wir eine Leiste besorgen. Yann weiß nicht, was ich meine, ist aber einverstanden. Es ist eine schnelle Entscheidung, weil er gleich wieder alles missmutig einräumen will. Jetzt ist es halt so. Das ist scheiße für mich.

Er sagt, die Leisten müssten angeklebt werden, sonst kann er das nicht machen. Dass das nicht lang hält, wissen wir; ich kaufe gleich sehr viele, trotzdem. Sie kosten achtzig Euro. Später lagern wir sie an einem Ort, an dem sie nicht biegen, mit dem Kassenbon. Wir wissen, wir brauchen wieder Fugen.


Es dauert niemals lange, sich zu gewöhnen.


Die Farbe ist kräftig, die wirkliche Versiegelung hat dafür gesorgt, dass die Fliesen glänzen. Mara sieht, dass das jetzt meine zweite Lieblingsfarbe ist, türkis. Viel heller und stärker als das Dunkelila. Charlie hat mir versprochen, das mit der Fuge zu machen, aber wir haben es nicht mehr eilig.


Wir werden so immer ein bisschen weiter gehen. Manchmal bringt es uns auf einen gesunden Abstand, manchmal näher. Als wir im Glücksrestaurant sind, kann ich gar nichts sagen vor Hunger und Terminen. Dass er darüber lacht und wir trotzdem da sitzen, trotz meines lauwarmen Tellers.



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Kommentare zu diesem Text


 Dieter_Rotmund (18.04.24, 12:34)
Interessant, dieser unaufdringliche Coming-of-Age-Ton. Aber einiges verstehe ich nicht (bin zu alt).

P.S.:
aufgekratzt sein et al. -> Aufgekratztsein

 minze meinte dazu am 18.04.24 um 14:38:
Ich verstehe deine Zuordnung nicht.."coming of age" verstehe ich als Weg von Jugendlichen zum Erwachsenen, vll erste Schritte als Erwachsene machen meinende Storys - so du auch?
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