KLICKS UND CLIQUEN

Synthesen + Analysen in der Matrix


Eine Kolumne von  Bergmann

Samstag, 29. Oktober 2022, 21:05
(bisher 67x aufgerufen)

Gottesbilder

830. Kolumne


Die apokalyptische Erzählung im Johannes-Evangelium spiegelt Vorstellungen wieder, die wir heute anders denken - jetzt sind wir Menschen selbst die Weltuntergangs-‚Schöpfer‘, wir richten uns nolens volens selbst, zum Glück noch in angstvollen Ahnungen, nicht aber denken wir an ein göttliches Weltgericht. Putins Krieg gegen die Ukraine bestärkt solche Ängste. Ich fühle mich auch gar nicht wohl bei der gegenseitigen Eskalation, die (noch) gebremst erscheint - aber wielange?  
Ich würde mich nicht mit Johannes dem Täufer aufhalten, so interessant das Thema ist. Zu bedenken ist, dass die Schriften des Neuen Testaments theologische Schriften sind, also Deutungen, und die Personen belegen sich nur durch die Schriften selbst. Im Verständnis sowohl des AT als auch des NT ist wohl eine Selbstvernichtung der Menschen, wie sie heute nicht nur denkbar, sondern leider auch machbar erscheint, nicht angelegt, sondern es geht immer um das richtige Verhältnis des Menschen zu Gott. Das Handeln Gottes im AT und das Weltgericht im NT ist eine Antwort auf das Handeln der Menschen, so gesehen hat es der Mensch in der Hand, gerecht und milde gerichtet zu werden, und neuere Theologie verlegt das Weltgericht in uns selbst, es ist unser Gewissen, das uns richtet. Allerdings verschwindet dann Gott letztlich, man braucht ihn nicht für solche Erkenntnis und Einsicht in Vernunft. - Thomas JOSEPH-Roman ist hier (nicht nur für den Bereich des AT!) ein wundervolles Buch, das ein wunderbares Gottesbild enthält, eigentlich eine Demontage Gottes, eine Verlegung Gottes in Joseph selbst, aber nicht dumm-narzisstisch, sondern warmherzig und (lebens-)klug. Es ist Thomas Manns wärmste Erzählung überhaupt. Und voller Humor. Lesenswert schon allein die quasi einmontierte Novelle TAMAR, mit der Joseph wenig zu tun hat ...  
Jesus, wenn er existierte, war gewiss ein guter und großartiger Mensch, Lehrer, Prediger, Heiler. Jesu Nachfolge würde heute heißen, wir belehren und heilen uns selbst. Aber auch: Wir müssen leiden - der eine mehr, der andere weniger - und sterben. Was dann kommt, weiß keiner, weiß nur Gott, wie man sagt, aber davon haben wir nichts. Wir können nur hoffen, dass unser Leid klein und erträglich ist. Solange wir leben, können wir uns erlösen (ich meine aber damit nicht die Selbsttötung), allerdings nur in beschränktem Rahmen. Wenn wir tot sind, werden wir das nicht erleben, weil wir nicht mehr leben, und das ist doch ein großer Trost. Die Angst vor dem Tod können wir uns immerhin meist auch nehmen, wir denken ja nicht immer an unseren Tod, und wir haben, wenn wir an ihn denken, auch nicht immer Angst. Dieses Leiden ist ein kleines Leiden. Da muss jeder durch. Darum ist die epikuräische Haltung wichtig - wir können sie als gute Abendländer mit einer aufgeklärten stoischen Haltung verbinden.

Hinweis: Du kannst diesen Text leider nicht kommentieren, da der Verfasser keine Kommentare von nicht angemeldeten Nutzern erlaubt.

Kommentare zu diesem Kolumnenbeitrag


 Graeculus (04.11.22, 18:27)
1. "Die apokalyptische Erzählung im Johannes-Evangelium" - meinst Du damit die sog. Apokalypse des Johannes? Die ist ja nun nicht mit dem Johannes-Evangelium identisch und stammt auch nicht vom selben Verfasser.
2. Thomas JOSEPH-Roman --> Thomas Manns JOSEPH-Roman (genauer: Roman-Trilogie)

 Graeculus meinte dazu am 04.11.22 um 23:05:
P.S.:

Jesus, wenn er existierte, war gewiss ein guter und großartiger Mensch, Lehrer, Prediger, Heiler.

Der Jesus der Bergpredigt ist mir tief suspekt. Ein moralischer Rigorist. ("Wer eine Frau lüstern anschaut, der hat mit ihr die Ehe gebrochen.") Er suggeriert uns, daß wir alle sündig seien.

 Bergmann antwortete darauf am 05.11.22 um 21:01:
Natürlich muss es heißen: Offenbarung des Johannes
Und besser ist: Thomas Manns Joseph-Romantetralogie

Dank für deine Aufmerksamkeit. 
Leider lässt sich keine Kolumne nachträglich ändern (der Webmaster meinte einmal zu Recht: in den Zeitungen ließen sich Fehler auch nicht korrigieren, außer in der nächsten Kolumne bzw. Ausgabe der Zeitung).

 Graeculus schrieb daraufhin am 05.11.22 um 22:13:
Sogar eine Tetralogie, das wußte ich nicht mehr.

 AngelWings (05.11.22, 23:05)
Komm mit welch Satan Geschäft er gemacht.
Zur Zeit online:
keinVerlag.de auf Facebook keinVerlag.de auf Twitter keinVerlag.de auf Instagram