Die Bar der Identitäten...

Gedicht zum Thema Identität

von  Fuchsiberlin

In der Bar der Identitäten gehen
"Sie" ein und aus.

Manche verweilen dort länger,
andere etwas kürzer.

Cocktail "A" schmeckt bitter,
manch anderer in "B" - Form lieblich,
und ein anderer Drink
hinterläßt einen neutralen Geschmack.

Der Kreislauf der Gedanken pulsiert,
und manch ein Vulkan wird zum Leben erweckt.

"Ein Wolf im Schafspelz bitte",
und ein schaler Drink
wird vom mimikversteinerten Barkeeper gereicht.

Was ist mit den lammfrommen Schafen
in der Herde?
Thekenfesselung,
ein lautes "Jaaa" aus vielen Mündern,
und die Karawane der in Wollgewänder Gehüllten
singt die gleichen Lieder,
und weiße Fähnchen winken nur in eine Richtung.

Rechts im braunen Toilettensumpf,
Auferstehung und Ausbrütung der Radikalität,
die WC-Spülung
kann den Gestank der Braunen nicht vertreiben.
An den Fliesen klebt das Blut der Opfer.
Stumme Zeichen als Mahnmale.

"Einen *Smarti* bitte."
Der Schleim(er) beginnt zu sprechen.
Die Identität bleibt in der roten Grütze verborgen.

Die Macht will den besten Platz besetzen,
Stühle mit wackligen Beinen fallen reihenweise um,
der Egoismus und der Narzissmus ergeben
für Unbedarfte einen Cocktail voller Glassplitter.

"A Star is born."
Die großte Flasche wird verlangt.
Viele wollen ein Star sein,
doch der Alltag benötigt stille Helden
und keine Stars.

Die Glamourwelt
mit ihrem ewigen Heiligenscheinwurf
wirkt auf manchen Barbesucher magnetisierend,
doch hinter dem Glitzer verbirgt sich manchmal
das Elend
des 24-Stunden-schön-sein-müssen-Zustands,
als auch der Kampf um die ewige Jugend.

Das Schönheitsideal erbricht Werte,
und die Äußerlichkeiten kriechen
an der Oberfläche der Theke entlang.
Der Absturz der Wahrheit scheint vorprogrammiert.

Die Putzfee schüttelt
über den Selbstverleugnungs-Abfall
den Kopf.

Irgendwo in einer Ecke dieser Location,
befindet sich ein Engel:

"Bitte ein Wunderwasser für die Gefallenen"
Doch auch sanfte Engel erleben
den Vulkanausbruch
der gewaltbereiten Teufelsspringer.
Gebrochene Flügel, wer heilt sie?

Am Rand gedrängt
versuchen die Verstoßenen
einen Schluck Wasser zu erhaschen.
Mancher erhält nur einige Tropfen.
Zum Leben zu wenig, zum Sterben zu viel.
Der Rand dieser Welt und der Abgrund
reichen sich die Hände.

Geopfert werden Seelen,
und die Täter ziehen sich neue Anzüge an,
und die Gesichtskosmetik tut ihr Übriges.

Gesichtslose treffen auf Seelen,
die ohne Töne reden.
doch die Sprache fern der Stimmbändermaschinerie
wird nicht von jedem verstanden.

Maskierte begegnen den Maskenlosen,
und das große Frage-Antwort-Spiel
"Wer-bist-du?"
beginnt.

Die Liebe strahlt
aus den Seelen-Fenstern
des Nächsten,
und das künstliche Neonlicht der fehlenden Empathie
flackert unruhig. 

Die Offenheit legt ihre Karten auf jeden Tisch,
und der Pokerspieler neben der Theke
wartet auf seine Chance.
Gewinn oder Verlust?
Gefühle als Spiel? 

Die Bar entwickelt sich immer mehr
zum Wartezimmer.
Das große Zeitschlagen beginnt.

Die Drinks werden im Sekundentakt gereicht,
und aus der Musikbox tönt
"Wir warten auf ein Wunder,
doch wundern tun wir uns nicht..."

Wer tritt als nächstes durch die Tür?
Was wird er für einen Drink bestellen?
An welchem Platz wird er sitzen/stehen?

Die Bar der Identitäten,
und die Frage:

Wer ist wer...?

Jörg S.


Anmerkung von Fuchsiberlin:

Ein kurzer und unvollkommener Streifzug.
Weitere Identitätsbeschreibungen seitens des Lesers sind durchaus erwünscht.

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Kommentare zu diesem Text

Klopfstock (60)
(11.05.10)
Dieser Kommentar ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 Fuchsiberlin meinte dazu am 12.05.10:
Ich danke Dir sehr.

Ganz liebe Grüße
Jörg

 Lala (11.05.10)
Hallo Fuchsiberlin,

ein lautes "Jaaa" aus vielen Mündern.

Ist bei diesem Gedicht sowas wie: leicht verdientes Geld (s.o.). Denn hier, so befürchte ich, kann jeder klatschen und sein Nicken - ja, ja, so ist's - gilt immer nur dem Anderen.

Deswegen bestelle ich mir noch einen an der Bar. Einen Doppelten.

Prost

Lala

 Fuchsiberlin antwortete darauf am 12.05.10:
Klatschen und Nicks Nicken ist erlaubt, ein Doppelter dagegen *grübel* könnte dem Nicker-Klatschen zur Flucht verhelfen.

Jeder Mensch ist wie er ist, nobody is perfect.
Kein Mensch wird immer nur gut sein (können).

Prost.

Ich danke Dir sehr.

Ganz liebe Grüße
Jörg

 waldmädchen (13.05.10)
himmel und hölle - alles da -
nichts was man für später aufheben muss -
jeder entscheidet - und
die anderen brauchen auf die hölle nicht zu hoffen
silvia

 Fuchsiberlin schrieb daraufhin am 14.05.10:
Ich danke Dir sehr für Deine wahren Worte und für Deine Empfehlung!

Ganz lieben Gruß
Jörg

 ZornDerFinsternis (15.05.10)
So gefühlvoll und mitreißend...herzzerreißend und einfach grandios. Ich liebe deine Art des Schreibens und deine Gedankengänge.

 Fuchsiberlin äußerte darauf am 16.05.10:
Hey liebe Anni,

ich danke Dir ganz lieb für Deine lieben lobenden Worte, machst mich etwas sprachlos-verlegen...Ganz liebes Danke für Deine Empfehlung.

Ganz liebe Grüße
Jörg
(Antwort korrigiert am 16.05.2010)
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