das ist wie mit streichhölzern

Text zum Thema Tod

von  kalira

Tod. Das ist wie mit Streichhölzern. Das ist nichts für Kinder. Da dürfen Kinder nicht ran und andersrum, der Tod darf nicht an Kinder heran. Hält sich aber keiner dran. Scheisse. Spricht ja auch keiner drüber. Der Tod ist so etwas Unausgesprochenes. Bei uns jedenfalls. Wir sagen dann: der ist nicht mehr. Was ja auch stimmt. Der ist ja nicht mehr. Nicht mehr existent, nicht mehr unter uns, nicht mehr am Leben, nicht mehr zu sehen, zu hören, zu riechen. Einfach überhaupt nicht mehr. Nirgends. Und deswegen lässt sich da auch gar nicht sagen. Wie willst du etwas sagen, was nicht ist. Scheisse.

Ich weiß nicht, ob der Tod ein anderer ist, wenn man ihn erwartet. Gäste, die ich erwarte, von denen ich weiß, dass sie kommen werden, sind willkommen. Ich kann mich auf sie einstellen. Wenn jemand unerwartet an der Tür klingelt, dann mache ich nicht auf, oder mit einem Unbehagen, mit der unerbittlichen Frage, wer das denn jetzt sei und was der denn jetzt von mir wolle. Aber der Tod lässt sich doch von einer abgeschlossenen Tür nicht aufhalten. Da wäre ich ganz schön überrascht. Mist. Unvorbereitet will ich nicht sein. Aber ich will auch keine 100 werden. 100 Jahre, mein Gott! Wer will das schon? Ja, wenn man fit bleibt. Sagen die, aber wer ist denn mit 100 Jahren noch fit? Ich bin schon froh, wenn ich 50 werde. So alt werden manche gar nicht.

Tod. Der Körper wird ganz schnell blau. Das sieht man, wenn man bei einer Trauerfeier mal richtig hin sieht, also wenn man es aushält hinzusehen, denn das Bild nimmt man mit, bis man selbst nicht mehr ist. Da sieht man es an den Händen und Fingern und Fingernagelrändern. Ganz dunkelblau. Das Gesicht haben sie schön geschminkt, damit man nicht auch noch das Bild mitnehmen muss, bis man selbst nicht mehr ist. Das Gesicht sieht nicht echt aus, aber es ist nicht so blau und dunkel wie die Fingerspitzen. So ein lebloser Körper sieht eben nicht aus, wie er aussah, als er noch war. Scheisse.

Jedenfalls spreche ich nicht drüber und ich heule auch nicht. Irgendwie lässt sich das aushalten. Dort, wo die, die nicht mehr sind, waren, dort sind jetzt einfach Lücken. Die fülle ich nicht auf. Das wäre nicht richtig, denke ich. So Lücken gehören zum Leben. Und Kinder. Kinder gehören auch zum Leben und gehören ins Leben. Jemand, der nicht ein bisschen alt werden kann, der hat doch nichts vom Leben, was weiß der denn. Da frage ich mich, weshalb dann überhaupt, weshalb ist denn da ein Kind geboren worden, wenn der Tod es gleich wieder mitnimmt.

Ich habe gehört, in Amerika hat ein Zweijähriges die Mutter mit deren Pistole erschossen. Das ist doch Wahnsinn! Ich sage ja, das mit dem Tod, das ist wie mit Streichhölzern, das ist nichts für Kinder. Scheisse! Die eigene Mutter erschossen, die ist jetzt nicht mehr und das Kind muss damit leben, muss damit vielleicht 100 Jahre lang am Leben bleiben.

Und andersrum genauso. Ich will gar nicht wissen, wie viele Kinder nicht mehr sind. Halt ich lieber die Klappe, denke ich besser nicht drüber nach.

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