Küchenduell

Kurzgeschichte zum Thema Frauen/ Männer

von  millefiori

Hast du Schmalz zum Anbraten genommen, Liebling?, vorsichtig stellte mein Mann die Frage an mich.
Tief durchatmen, dachte ich nur, nicht aufregen. Seit 20 Jahren war ich die ungeschlagene Herrscherin in meinem Küchenreich, doch seit einiger Zeit mischte sich mein Mann ständig ein.
Als begeisterter Fan diverser Kochsendungen, hatte er natürlich alles an Wissen aufgesaugt, was Mälzers, Hensslers und Hermanns zu bieten haben.
Zu meinem Leidwesen - denn er meinte natürlich dann, dieses Wissen an mich weitergeben zu müssen.
Es ist ja nicht so, dass ich mich generell dagegen wehre, etwas Neues auszuprobieren. Bei Gerichten, die ich seit Jahrzehnten koche, und deren Rezepte aus dem Vermächtnis meiner Mutter und Großmutter stammen, wehre ich mich allerdings vehement. Sie bedürfen keiner Änderung, weil sie einfach köstlich sind.
Da lasse ich mir ungern reinreden, So auch dieses Mal und mein Mann erntete nur ein vorwurfsvolles:
"Schatz, bitte!"
Ich befand mich gerade mitten in der brandheißen Multitaskingphase, wenn der Fond zur Soße verfeinert, die Klöße aus dem Topf genommen und der Salat abgeschmeckt werden muss.
Da wuselte mein Göttergatte mir im Weg herum und bedachte mich zu allem Überfluss noch mit seinen frisch erworbenen Küchentipps.
"Muss da nicht noch ein bisschen Salz in den Salat?" ,fragte er mich, nachdem er mit den Fingern aus der Schüssel ein Salatblatt geangelt und sich in den Mund gestopft hatte.
"Warum?",fragte ich gereizt zurück.
"Weil er nicht scharf genug schmeckt, finde ich." antwortete er mir mit Unschuldsmiene.
"Schatz, wenn er nicht scharf genug ist, dann müsste höchstens Pfeffer hinein - nicht Salz! Wann lernst Du endlich den Unterschied, zwischen salzig und scharf?" ich schüttelte den Kopf.
In Gedanken wünschte ich mir gerade, mich in einen achtarmigen Tintenfisch verwandeln zu können, um der Aufgabe gerecht zu werden.
Mit einer Gabel balancierte ich ein Salatblatt in meinen Mund, um dann festzustellen: " Schmeckt doch prima! Du bist es nur gewöhnt alles zu überwürzen, man muss auch den natürlichen Geschmack noch wahrnehmen können."
"Ich finde trotzdem, dass er etwas schärfer sein könnte", hörte ich hinter meinem Rücken die nölende Stimme meines Mannes und außerdem das "Ritsch-ritsch" der Pfeffermühle.
"Wirst Du wohl?" ich riss ihm energisch die Pfeffermühle aus der Hand
und verwies ihn streng der Küche.
"Heute koche ich, verstanden?" Widerwillig verließ er die Küche.
Endlich konnte ich mich aufs Kochen konzentrieren.
Ich hob vorsichtig das Fleisch aus dem Bräter und legte es auf das große Holzschneidebrett.
Würde man dieses große Holzschneidebrett hochheben, würde man drei eiförmige Brandmale in der Oberfläche der Arbeitsplatte entdecken.
Sie stammen von drei siedend heißen Kartoffeln, die ich einmal aus dem Kochtopf direkt auf die Arbeitsplatte kullern ließ.
Ich kam damals gerade noch rechtzeitig in die Küche, das Kartoffelwasser war schon vollends verkocht und die Kartoffeln fingen gerade an zu verkohlen. Ja, ich geb`s ja zu, ich war für einen Moment abgelenkt gewesen. Shit happens! Auch bei Profis.
Die gelöcherte Arbeitsfläche erinnerte mich leider täglich an mein Missgeschick.
Zurück zum Braten, vorsichtig goß ich den Fond mit dem Suppengemüse in ein feines Sieb und drückte mit der Gabel das weichgekochte Suppengrün durch die Sieblöcher.
Ein köstlicher, gehaltvoller Fond für die Bratensoße sickerte in den Behälter darunter.
Zufrieden ließ ich das Ganze stehen, um erst einmal die Klöße aus ihrem Wellnesswhirlpool zu holen, bevor sie zu Matsch werden konnten.
Just in diesem Moment öffnete sich die Küchentür und der blonde Wuschelkopf meines Mannes lugte herein:
"Ist das Essen schon fertig? Soll ich Dir noch was helfen?"
"Nein, danke, ich muss nur noch die Soße anbschmecken und binden."
wehrte ich ab.
Er kam trotzdem herein und stand erst unschlüssig herum, als er schließlich fragte:"Kann ich das schon mal wegwerfen?"
"Das Suppengrün? Ja, das kannst Du in den Biomüll werfen.", doch ehe ich mich versah, hatte mein Mann den Fond aus dem Behälter ins Spülbecken geleert.
Ich stand da, wie vom Donner gerührt. Mein Mund weit geöffnet, wußte ich nicht, ob ich jetzt einen Tobsuchtsanfall kriegen, oder losheulen sollte.
Mein Mann sah mich an, dann das Spülbecken - dann wieder mich.
"Das hattest du doch gemeint oder?" fragte er mich arglos.
"Neeeiiin!", ich brüllte es unbeherrscht heraus.
"Du hast meinen Fond weggeschüttet! Wovon soll ich jetzt die Soße machen?"fuhr ich ihn an.
Er zuckte die Schultern und verließ die Küche.
"Ich decke schon mal den Tisch", hörte ich ihn noch sagen, dann stand ich alleine in meiner Küche.
Ups, hatte ich da eben nicht ein bisschen übertrieben? Aber ich konnte nicht anders, das war doch unglaublich, schüttet der die Soße weg!
Es war 12 Uhr Mittag.
Meine Schwiegermutter war schon auf dem Weg zu uns, in Erwartung eines köstlichen Sauerbratens.
Breitbeinig stellte ich mich in die Mitte der Küche ich zog den Kochlöffel wie eine Pistole, zielte auf die Küchentür schoss und blies den imaginären Schmauch vom Kochlöffelstiel.
"Ok, Django, ich nehme die Herausforderung zum Küchenduell an!"
In den Tiefen des Küchenschrankes fand ich einen löslichen Bratenfond ohne Geschmacksverstärker. Ich gab Butter in den Bräter und röstete Zwiebeln braun an, ein bisschen Zucker karamellisieren lassen, Gemüsebrühe dazu. Den Fond gut aufkochen und mit Essig, Salz und Pfeffer abschmecken.
Ich probierte - naja - ich hatte schon bessere Soßen gemacht, aber dafür, dass es eine Notlösung war, schmeckte sie gut.
Später, als wir gemeinsam am Tisch saßen, ließ meine Schwiegermutter
sich sogar eine zweite Portion auf den Teller füllen.
"Also, dass Du gut kochen kannst, meine Liebe, wusste ich ja schon lange,
aber heute ist Dir die Bratensoße vorzüglich gelungen!" lobte sie mich.
"Ja, heute habe ich ja auch mitgeholfen, liebe Mama!", warf prompt mein Meisterkoch mit schelmischem Lächeln ein.
Weil ich mich für meinen Tobsuchtsanfall schämte, beschloss ich es mit einem Augenzwinkern zu quittieren und erwiderte:
"Ja, liebe Schwiegermama, ohne Deinen Sohn hätte es bestimmt nicht so gut geschmeckt."

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