I-III – alleine - I’m never alone – I’m alone all the time

Roman zum Thema Untergang

von  Ricardo

Ich werde zunehmend sentimental. Je schwächer der Kater wird, desto schlechter wird meine Stimmung. Aber jetzt schon wieder zu saufen ist eine Vorstellung, mit der ich mich nicht unbedingt anfreunden kann. Es ist irgendwas mit sechzehn Uhr, aber auch wenn in Köln ausnahmsloser jeder Mensch, der älter als zehn ist, rund um die Uhr Bier trinkt, gibt es immer noch irgendwo eine Grenze. Zumindest für mich. Und vor allem wenn ich in der Nacht drei Mal gekotzt habe. Außerdem geht der Kater von noch mehr Alkohol erst einmal wieder weg, das ist also ohnehin keine tolle Idee. Aber irgendetwas muss ich tun. Zigaretten habe ich nämlich auch keine mehr. Ich weiß nicht wieso, aber jedes Mal wenn ich im Halb-Delirium aufwache, noch nicht einmal einen Hauch von einem Ansatz habe, wie ich nach Hause gekommen bin und alles was ich will, ist scheißen zu gehen, eine zu rauchen und dann sieben oder acht starke Kaffee zu trinken, habe ich keine Kippen mehr. Ich wüsste gerne was ich damit anstelle, wenn ich besoffen bin. Vielleicht sollte ich sie essen. Nach ca. 2 Packungen stirbt man. Man kann sich prinzipiell mit allem töten, sogar mit Luft. Einen guten halben Liter Luft in die Nähe des Herzen injiziert und das Herz hört nach zehn Minuten auf zu schlagen. Das Problem ist nur, dass man die ersten fünf Minuten bei vollem Bewusstsein ist und sich der Spaß anfühlen muss, wie dreißig Herzinfarkte hintereinander. Für einen Genickbruch mit Seilhilfe sollte man bei achtzig Kilo Körpergewicht eine Höhe von 2,59m wählen. Auf jeden Fall brauche ich dringend neue Zigaretten, also ziehe ich mir irgendwelche dreckigen Klamotten an und gehe raus.

Draußen wird mir sehr schnell schlecht, von dem ganzen Sauerstoff, aber ich gehe immer weiter. Und weiter. Und weiter. Und so weiter.
Bis ich irgendwann zu der Videothek komme, in der Gloria und ich früher immer Filme ausgeliehen haben. Damals. Als ich noch derjenige war, der mit ihr geschlafen hat und Robert noch nicht derjenige war, der sie gefickt hat. Vielleicht zumindest.
Wie sie ihre Beine bewegen konnte. Wie ein Zirkuskind… Naja, das muss sich unweigerlich pädophil anhören, aber so ist es nicht gemeint. Es ist nur so, dass eine Frau, die die Beine hinter den Kopf biegen kann, einem eine völlig neue Weltsicht offenbart.
Worauf ich aber eigentlich hinaus will ist, dass es in der Videothek auch Kippen gibt. Natürlich auch Filme, aber die sind allesamt Dreck. Ein Paradebeispiel dafür, was das verkorkste Hollywood-Idyll für eine Scheiße fabriziert, in der es immer und ausschließlich nur um irgendwelche schäbigen Schabracken geht, die sich, nachdem irgendeine anabolikafressende, gehirnamputierte Scheiße schwafelnde Schul-Football-Schwuchtel, weil er dafür bekannt ist einen dicken Schwanz zu haben und alle Cheerleader entjungfert zu haben, was natürlich erstens bei dem Steroidverbrauch unmöglich ist und zweitens sowieso nicht dargestellt wird, ebenso wie das Anabolika übrigens, weil ja auch Kinder Opfer dieser Heilen-Welt-Propaganda werden sollen, auf Grund einer verlorenen Wette oder sonstigen abstrusen Verschwörungen, ordentlich von allen Seiten geknallt hat und es dabei wahrscheinlich in alter Toni-Manier klatschte, was natürlich ebenfalls nicht auf der Leinwand zu sehen ist, weil die Zuschauer in dem Glauben gelassen werden sollen, sie seien die Einzigen, die wie in den Pornos ficken, was aber natürlich, für jeden nicht hirnverbrannten Menschen trotzdem total offensichtlich ist, in eine wunderschöne Prinzessin mit allen Spiränzchen verwandelt, was durch einfache Frisurveränderung symbolisiert wird, und dem metrosexuellen, pubertären Wichser die Meinung geigt und ihm, Achtung Gewalt; ein Glas Wasser überkippt, und sich anschließend in ihren fetten, unbeliebten besten Freund, den sie schon seit Jahren kennt und der sie wahrscheinlich als zweite Mutter betrachtet, da sie ihn täglich davor retten muss mit Papierkügelchen beworfen zu werden, wobei echte Loser im echten Leben schlicht und ergreifend einfach zusammengeschlagen werden, verliebt und Ende. Happy End. Es gibt Kippen.
Und als ich da so stehe und den Tabakkonzernen, dem deutschen Staat, aber nicht den Feldarbeitern Geld schenke, höre ich meinen Namen. Dann sehe ich zwei alte Bekannte aus meiner alten Stufe, die seltsames Zeug von „wieder mal was zusammen machen“ und „’ne richtig dicke Party“ faseln. Ich hatte nie was mit den Typen zu tun, außer, dass wir uns vielleicht mal auf irgendwelchen Ghetto-Partys, bei denen ich mich immer fragte, ob der Dreck sich nicht durch meine Schuhsohlen und der Alkohol sich nicht durch meinen Becher fressen würde, ein Klo zum Kotzen geteilt haben. Aber selbst da bin ich mir nicht so sicher.
Viel Lust habe ich nicht, aber ich weiß, dass die beiden stets genug kranke Scheiße dabei haben um die gesamte Frankfurter Drogenszene wochenlang auf Trab zu halten, also sage ich:
„Wo?“
„Im Underground, um 10, Mann.“
Mann.
Underground. Da fing damals wirklich alles an unterzugehen, glaube ich. Nach nicht einmal 24 Stunden.

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Kommentare zu diesem Text


 Dieter_Rotmund (17.01.19)
Ist hier und da sehr etwas verplappert, hat aber auch gute Stellen, vor allem die mit Lokalbezug.
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