would you let it slip

Kurzprosa

von  Unbegabt

Der Riss im grauen Beton über mir hat die Form eines unförmigen S's, es sieht aus, als habe es ein Kind an die Decke geschrieben. Ich lasse meinen Blick wandern, überall blickt der stahlgraue Beton durch weißen Verputz. Abgebröckelt liegt dieser neben und unter meinem Körper auf dem blassgelben Linoleum. Auf der ganzen Decke sehe ich nun ich weitere Risse, die sich um den s-förmigen herumranken, allerdings kleinere. Man könnte sie für feine Fäden halten, die direkt unter der Decke gespannt wurden. Unwillkürlich erinnert mich dieser Anblick an Adern. Diese Risse, Kratzer und Linien bilden ebenfalls, wie die Adern in unserem Körper, ein Netzwerk. Sie halten dieses Haus zusammen. Ich schweife ab, indem ich in diesem Netzwerk einen Anfang, oder ein Ende suche, es gelingt mir nicht. Natürlich nicht.
Meine Augenlider werden schwer, so schwer. Wie sehr mir regelmäßiger Schlaf fehlt, wird mir erst jetzt in vollem Ausmaße bewusst. Und jetzt liege ich hier, in einem baufälligen Gebäude, und fühle mich so geborgen wie schon lange nicht mehr. Linien an den Wänden mit meinem Blick folgen wirkt besser als jedes Schlaf- und Beruhigungsmittel der letzten sechs Monate. Seltsame Welt, denke ich melancholisch. Es fühlt sich gut an hier zu liegen. Durch das Fenster zu meinen Füßen fällt Mondlicht auf meinen Körper. Früher habe ich die Nächte immer als grau wahr genommen. Dunkelgrau, grau. blassgrau, silbergrau, aber eben immer nur grau. Hier fällt mir auf, dass das nicht stimmt. Ich strecke meine rechte Hand vor mir in die Luft, recke die Finger Richtung Decke, als wolle ich die Konturen des s-förmigen Risses untersuchen. Meine Fingernägel sind bloß schwarze Flächen an den Enden meiner Finger, aber ansonsten schimmert mein Arm eindeutig in tiefblauen Farben. Gespenstisch, fast als gehöre er gar nicht zu meinem Körper, bleibt mein Arm ausgetreckt vor mir in der Luft schweben, es ist ein komisches Gefühl. Meine linke Hand ruht auf meinem nackten Hüftknochen. Ich versuche nicht daran zu denken, wie es wäre, wenn er nun hier wäre. Würde er auch die Tiefe dieses Raumes, dieses Hauses spüren? Oder wäre es für ihn bloß ein dreckiges, staubiges und sehr, sehr altes Haus? Ich weißt es nicht, und das macht mir Angst. Früher war ich mir sicherer. Vielleicht wurde es wirklich langsam Zeit, vollkommen loszulassen. Die Decke vor meinen Augen verschwimmt, meine Augen füllen sich ein weiteres mal mit unerwünschten Tränen, die immernoch kaum aufzuhalten sind, wenn ich länger als einen Augenblick an ihn denke. Ich bin meines Herzens müde, das jedesmal wieder einen unangenehmen Satz macht, und dann bricht. Ich bewege meine Finger, sehe zu, wie sie Mondlicht durchschneiden, und wie sie lange, dürre Schatten auf den mondbeschienenen Boden neben mir werfen. Nach einer Weile lasse ich meinen Arm schlaff neben mich sinken. Er fängt an zu kribbeln, als das Blut zurück in meine Fingerspitzen schießt. Ich schließe die Augen.

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Kommentare zu diesem Text


 SunnySchwanbeck (22.05.10)
"Ich bin meines Herzens müde, das jedesmal wieder einen unangenehmen Satz macht, und dann bricht."
Mega stark, hinterlässt einen melancholischen Nachgeschmack, Beste. Will mehr lesen, du kannst es einfach, Kuss.
eisenvater (21)
(22.05.10)
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 Unbegabt meinte dazu am 22.05.10:
Hä? Woher ist das? Und was soll es mir sagen? Ein bisschen Aufklärung wäre lieb.

 mondenkind (22.05.10)
abgesehen davon, dass ich sehr auf bruchbuden-romantik stehe, ist dies ein sehr schöner und, trotz der grossen melancholie, in sich ruhender text. das mag ich sehr.
Leyla (29)
(28.05.10)
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eisenvater (21)
(28.05.10)
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 Unbegabt antwortete darauf am 28.05.10:
der mehrteiler ist noch nicht zu ende. am ende sollte das alles irgendwie sinn machen. ;) deswegen von vorne lesen.

ich frage mich, ganz ehrlich, was dieser text mit den twilight-streifen zu tun haben soll :-D oder kommt es dir nur so vor, weil ich nunmal 16 bin? ;)
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