Vom Recht der rechten Niere – aus Ätznikowskyjs Nachlaß

Eigentlich wollte ich diesen Winter überhaupt nicht heizen, aus Mitleid mit den armen Menschen in der Ukraine. Aber schon beim ersten Minusgrad mußte ich einräumen, daß ich, wie so oft im Leben, die Rechnung ohne den Wirt gemacht hatte, wie man so sagt, - der Schwarzschimmel vermehrte sich rasant an den wässrigen, undichten Stellen und die rechte Niere begann zeitgleich zu schmerzen, strahlte durch den ganzen Unterleib. Nieren und Blase hängen zusammen und so verwunderte die Folge nicht: ich musste in immer kürzeren Abständen aufs Klo.

Na gut, sagte ich mir, dann vernünftige 13° und drehte den Thermostat entsprechend. Als Nierenschutz diente beim Sitzen eine Decke, zusätzlich zur dicken Kleidung um die schmale Hüfte und ich überstand so tatsächlich die Pein.

Aber irgendwie empfand ich eine Schuld – Schlamm, Kälte, Schneematsch, Nässe, Hunger, zerstörte Infrastruktur, hinzu das andauernde Einschlagen von Granaten, - 13° plus, das ist ein Luxus für die Frierenden dort in dem unsäglichen Krieg. Ich konnte sogar den Heizungsknopf höher drehen, wenn weitere Organe schwächeln sollten, aber die Menschen dort können sich lediglich in engen Wärmestuben aneinander reiben.

Ein Zwiespalt – und wie immer in Krisenzeiten, entschied ich mich für die Vernunft – ich durfte die Organe nicht aus moralisch-sentimentalen Gründen den Widrigkeiten aussetzen, die sie instabil werden läßt, was weitere Folgen hat, sondern es gibt auch die Verantwortung für die eigene Physis und so drehte ich die Heizung auf 14°, in der Hoffnung, das könnte ausreichen. Und bisher geht die Rechnung auf. Bisher … Was mir nicht gefällt, ich sollte hinaus, größere Wanderungen machen, auch Yoga … aber die Trägheit des Schreibers …

Die beiden Nieren sind bekannt als der Ort oder Grund für die Libido, also für das sexuelle Verlangen, so heißt es, wobei die linke Niere, ähnlich unterschiedlich wie bei den Gehirnhälften, das Verlangen steuert, ihr Pendant auf der rechten dagegen die Erotik ermöglicht. Das ist zusammengefasst im Bilde die Waage-Venus (Also der Gebildete hat sich daran gebildet, die Waage ausgewogen zu halten. Venus und Mars, Widder und Waage, wer kennt sie nicht)

Mein Verlangen war längst einem Klärenwollen im Geiste gewichen und da hatte es sich mit dem Sexus als primär-primatig ohnehin erledigt, aber der vorübergegangene Schmerz zeigte doch deutlich eine Schwächung im Lebensleib an, ein Leiden an der Tatsache, keine Beziehung mehr zu den am Wahren schöngewordenen Freuden zu haben, jener Güte, wie sie Dido Aeneas schenkte und das, zusammen mit den jahreszeitlichen und häuslichen Unbilden, ging und geht mir auf die rechte Niere.

Für die Menschen in der Ukraine und wo immer auch bittere Not herrscht, werde ich Manimantras rezitieren und mit meinem Mitgefühl möge des Allbarmherzigen Segen baldmöglichst Frieden bringen.

Mögt ihr Ärmsten diese Art des Luxusfrierens einem armen alten Verrückten verzeihen.