Lieber AfD-Wähler

Lieber Wähler der AfD,

ich bedaure ja mit dir das übliche Schicksal der Parteien am rechten Rand des politischen Spektrums der BRD: erst lacht man über sie, dann sammeln sie Protestpotential und dienen als Paria-Macher für den Mainstream, dann feiern sie einen einzigen spektakulären Wahlsieg, und dann verschwinden sie auf dem Müllhaufen der Zeitgeschichte. Du denkst vielleicht, deiner AfD würde es aufgrund vieler semispektakulärer Wahlsiege in einigen Bundesländern und wegen ein paar vollspektakulärer Wahlsiege in den Landkreisen anders ergehen. Doch die politische Wirklichkeit wird dich enttäuschen. Also enttäusche du diesmal lieber sie!

Du findest, es gibt zu viele Ausländer? Schon möglich. In der Schweiz sind mehr. Ich werfe weder dir noch deiner AfD vor, sie zu hassen. Was ich dir vorwerfe ist, dass du dich mit der Frage, ob du Ausländer hasst oder nicht, überhaupt beschäftigst, anstatt einfach rausgehen und Deutsche zu lieben. Warum sprecht ihr immer, wenn auch im Ton der Distanzierung und Verneinung, von Ausländerhass, und nie von Inländerliebe? Heute findet die Nachfolgeparade der Love Parade statt, geh doch raus und nimm daran teil. Es gibt so viele deiner Landsleute, dass die Ausländer gar nicht merken würden, dass du sie nicht mitliebst.

Du findest, es wird zu viel gegendert? Aber weißt du was, beim Gendern kannst du Leute kennenlernen! Wenn du irgendwo mal falsch genderst, dann korrigiert dich zum Beispiel diese nette Frau oder dieser liebe Mann oder dieses schmucke Häschen oder dieser schicke Jüngling, und schon kannst du anfangen zu flirten. Viel einfacher, als diese teuren Kurse der Pick-Up-Gurus zu besuchen, die dir für Geld erzählen, was du in jedem Bordell umsonst erfährst: dass Frauen Huren sind. Genauer: dass es einige Frauen gibt, die Huren sind. Aber wie nennst du die einigen Männer, die auch Huren sind? Siehst du, da fängst du schon an, unfreiwillig zu gendern, um den richtigen Ausdruck zu finden. Und es kann Spaß machen! Keine Sorge, keiner will dich aus der rechten Ecke herausgendern, du kannst locker und bequem dort sitzen bleiben. Aber lass sie um deiner selbst willen nicht zu einer Schmollecke verkommen!

Fürchtest du dich vor LGBTQ? Dann komm heute Abend mit, ich bin nicht schwul, aber schwul genug, dich durch den Nollendorfkiez zu führen. Ich fürchte, du fürchtest, du wirst diese Narzissten, Selbstdarsteller und Geisteskranken nicht finden, von denen die Anti-LGBTQ-Propaganda spricht. Du hast eher Angst davor, Menschen, die viel netter sind als du, mehr zu mögen, als dir lieb ist, stimmt? Ich verstehe das, es ging mir auch so. Mit Frauen. Als ich ein kleiner Junge war, allerdings ein sehr kleiner Junge, ungefähr 4, konnte ich mit Mädchen nichts anfangen. Ich mochte ihr Gekicher nicht. Heute bin ich süchtig danach, für mich ist das wie klassische Musik. Hast du Angst, schwul zu werden? Nun, dann bist du es bereits, und kannst nur gewinnen, wenn du das zugibst. Du willst dich geschlechtlich zum Geschlecht 1 oder Geschlecht 2 zuordnen und hast dabei einen Stock im Arsch, so hart wie dein Steifen, wenn du Frauenkleider anziehst, falls du ein Mann bist? Kann es sein, dass du deinen Selbstzwang an andere weitergeben willst, weil du es unfair findest, dass sie sich die Wahl erlauben, die du dir verbietest? Folgendes ist aber kein Staatsgeheimnis: Du darfst! Sei du selbst.

Du suchst eine Wahlalternative? Ja, die Partei, die man Alternative für die Alternative für Deutschland nennen könnte, muss erst gegründet werden. Den Block der Alternativlosigkeit willst du nicht wählen. Dann wähl doch die Kleinparteien! Tierschutz, Dirschutz, Mirschutz, und schon hast du deine drei Kreuze. Jedenfalls sieht der Beobachtende Betrachter die Reaktion der Bundesparteispitzen der AfD auf, gelinde gesagt, sehr lokale Wahlerfolge wie neulich in Büttelbostel und Rowthenerieth mit brennender Sorge. Wenn sie jetzt schon jubeln, dann haben die Parteifunktionäre doch längst erreicht, was sie wollten: Selbstbereicherung durch Politik. Um dich, lieber netter und umsichtiger, kluger, attraktiver und charmanter, tierlieber, kinderfreundlicher und bewundernswert empathischer rechter Wähler, geht es doch gar nicht mehr. Also enttäusche endlich diese Jubelperser, Feiertürken und Fetenaraber, diese Tanzjuden, Indieluftspringzigeuner und Lächelneger, und lass sie das nächste Mal ohne deine Stimme auf den Höcken weideln. Da werden sie sich aber chrupallen. So, mein MDMA-Vorrat für heute Nacht geht zu Ende, und bevor ich wieder einer von euch werde, beende ich diesen Brief.