Einsam und Allein
Liebesbrief zum Thema Existenz
von Terminator
Kommentare zu diesem Text
Taina (39)
(17.07.23, 05:56)
(17.07.23, 05:56)
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Beim Denken ist Widerspruchsfreiheit Trumpf. Aber Gefühle sind widersprüchlich. So wie dieser Liebesbrief an die Einsamkeit.
Taina (39) antwortete darauf am 17.07.23 um 07:25:
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Bei 8 Milliarden Menschen und ständiger Berieselung von außen ist jemand sehr selten einsam. Selbst dann kann man sich die Frage noch stellen, ob jemand wirklich einsam ist, wenn ein Gedanke im Kopf gefragt oder ungefragt, das Selbst der Einsamkeit entzieht.
Gerade in der Menge sind die meisten einsam. Es gibt eine Einsamkeitspandemie. Einsamkeit ist gesundheitsschädlicher als Rauchen. Das ist die bedürftige Einsamkeit. Die erhabene Einsamkeit ist anders. Voraussetzungsreich. Kein bitteres, verschlossenes Sich-selbst-nicht-Genügen, sondern ein offenes für neue Gedanken, Gefühle und Begegnungen.
Taina (39) äußerte darauf am 17.07.23 um 23:34:
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Ja, die ENFJs und ENFPs. Kannst du sie identifizieren, einfach weiträumig umfahren. Offen in der Einsamkeit für Begenungen mit introverted intuitives meinte ich, nicht mit solchen, die einen, wie junge spielfreudige Hunde, anspringen.
Taina (39) meinte dazu am 18.07.23 um 06:21:
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Finnland, ländliche Gegenden. Dort gilt es als unhöflich, den zufällig in Sichtweite geratenen Nachbarn oder Fremden gar noch zu grüßen. Man würde sich eher lieber dafür entschuldigen, überhaupt Sichtweite hergestellt zu haben, aber ... das würde ja Kontakt bedeuten, den man gerade vermeiden will. Die Finnen verstehen sich auf "einsam" und "allein". Ich kann vieles im Text oben nachvollziehen. Wir Menschen sind soziale Tiere, leider. Darum leiden wir wohl irgendwann mit Notwendigkeit, wenn wir allein sind, so sehr wir auch nichtleidend wenigstens daran sein wollen.
Finnland ist wohl eine intronormative Kultur. Ich habe aber auch die Vermutung, dass den Deutschen die Extranormativität gewaltsam oktroyiert wurde (Amerikanisierung).
Soziale Tiere sind wir nicht nur leider, auch zum Glück: zu unserem und dem anderer. Es ist wie bei Empedokles: sind wir zu dicht zusammen, führt das zu Hass. Sind wir weit genug auseinander, entsteht die Bereitschaft zur Liebe, in jeder Form.
Soziale Tiere sind wir nicht nur leider, auch zum Glück: zu unserem und dem anderer. Es ist wie bei Empedokles: sind wir zu dicht zusammen, führt das zu Hass. Sind wir weit genug auseinander, entsteht die Bereitschaft zur Liebe, in jeder Form.
Der kleine Kreis absolut sympathischer Mitglieder, die miteinander über Philosophie diskutierten, war, außer unserer Tochter, das Beste in diesen zehn Berliner Jahren. Danke, es ist unbezahlbar wertvoll, Euch alle wirklich kennenzulernen.
Sehr schöne Meditation über Einsamkeit und Sinn im Leben.
Sehr schöne Meditation über Einsamkeit und Sinn im Leben.
Kommentar geändert am 17.07.2023 um 20:48 Uhr
Stimmt, unser Berliner Halbkreis war Teil des lose zusammenhängenden Kreises. Seit zwei Jahren suche ich mir Freunde nach der Jungianischen Typologie aus, bevorzugt INFPs; INFJs habe ich bis vor einer Woche gemieden, seitdem hat sich die Einstellung zu euch um 180 Grad gedreht. Ihr seid der seltenste und zugleich für die Menschheit wohl wichtigste Typ (Beispiele: Jesus, David Lynch, Novak Djokovic).
Ich strebe eine Welt an, die mich nicht braucht, in der sich der gute Wille endlich verwirklicht hat. Keineswegs will ich die Welt verändern, nur verbessern. Sie soll gut genug werden vor allem für Kinder, egal wo sie aufwachsen. Dann gäbe es keine Themen, bei denen sich lose Individuen einig sein könnten. Keine Freundschaft würde von Leidensgenossen geschlossen werden; nein, nur die sollen Freunde werden, die sich gegenseitig mögen. Und ich will einsam sein, ohne dass meine Einsamkeit als das Bedürfnis, mit jemandem zusammen zu sein, oder irgendwo dazuzugehören, missdeutet wird. Einsam und traurig, und allein gelassen. Und all das ist weder prätentiös noch pathetisch, sondern ein einfaches, fast schon sinnliches Gefühl, mehr auf der Haut als im Herzen. Genug zu sein, sich selbst zu genügen: das sind Selbstschutzbehauptungen, die nicht stimmen. Ich will die Einsamkeit fühlen. Einsam sein, und mich überraschen lassen, ob nicht vielleicht doch – als offene Frage verstanden, so redlich wie nur geht, nicht als ein manipulatives Verlangen nach einem kitschigen "Happy End".
Wer alleine ist, wird nicht so leicht verletzt, aber Einsamkeit schmerzt.
Du hast deine Gedanken und Wünsche auf nachvollziehbare Weise ausgedrückt.
Liebe Grüße
Sigrun
"Wer die Luft meiner Schriften zu atmen weiß, weiß, daß es eine Luft der Höhe ist, eine starke Luft. Man muß für sie geschaffen sein, sonst ist die Gefahr keine kleine, sich in ihr zu erkälten. Das Eis ist nahe, die Einsamkeit ist ungeheuer – aber wie ruhig alle Dinge im Lichte liegen! wie frei man atmet! wieviel man unter sich fühlt! – Philosophie, wie ich sie bisher verstanden und gelebt habe, ist das freiwillige Leben in Eis und Hochgebirge – das Aufsuchen alles Fremden und Fragwürdigen im Dasein, alles dessen, was durch die Moral bisher in Bann getan war. Aus einer langen Erfahrung, welche eine solche Wanderung im Verbotenen gab, lernte ich die Ursachen, aus denen bisher moralisiert und idealisiert wurde, sehr anders ansehn, als es erwünscht sein mag: die verborgene Geschichte der Philosophen, die Psychologie ihrer großen Namen kam für mich ans Licht. – Wieviel Wahrheit erträgt, wieviel Wahrheit wagt ein Geist? das wurde für mich immer mehr der eigentliche Wertmesser." (Nietzsche, Ecce Homo - Vorwort - Warum ich so weise bin)