Ein trauriger Musterknabe

Erzählung zum Thema Glaube

von  Bluebird


Vielleicht hätte ich die Vertreibung aus dem Paradies noch ganz gut verkraftet, wenn es nach diesen Ferien auf dem Lande zurück nach Lintorf in die geliebte Wohnung meiner Großeltern gegangen wäre.
    Aber ich landete stattdessen in einer fremden Wohnung in Heiligenhaus, wo ich die nächsten neun Jahre zusammen mit meiner Mutter und ihrem frisch angetrauten neuen Ehemann zubrachte.

Diese Umzug geschah ohne irgendeine Vorankündigung. Ich wurde tatsächlich direkt vom paradiesischen Bauernhof weg im Gogomobils meines Stiefvaters in die neue Heimat transportiert. Entsprechend schockiert war ich, zumal ich auch erst jetzt von der Heirat erfuhr.
   Ich will hier nicht allzu hart urteilen. Damals war das durchaus so, dass man die Kinder liebte, aber man mit ihnen nicht unbedingt über Erwachsenendinge sprach. Kinder hatten sich zu fügen!
   Und genau dies tat ich auch. Ich fügte mich in die neuen Rahmenbedingungen und stellte recht bald fest, dass es auch in meiner Nachbarschaft nette Spielkameraden und gute Spielmöglichkeiten gab.
   In die neue Schule ging ich richtig gerne. Zumal ich da wegen meiner guten Noten auch schnell im Ansehen der Mitschüler, Jungen und Mädchen, stieg. Eigentlich hätte ich mich also freuen können. Aber innerlich trauerte ich etwas. Ich vermisste die Großeltern und die dort erlebte Geborgenheit.

Der Stiefvater hatte da aber andere Prioritäten. Er wollte, ähnlich wie meine Mutter, dass aus mir einmal was beruflich Gescheites wird, und da waren aus seiner Sicht Gehorsam und Disziplin unverzichtbare Voraussetzungen. Vermutlich hatte er sogar Recht damit, aber nach der genossenen Freiheit in den Jahren zuvor kam ich damit innerlich nicht gut klar. Auch wenn ich mich äußerlich seinen Vorstellungen anpasste und tatsächlich eine vielversprechende Entwicklung nahm.

Ich wurde allseits gelobt, was für ein wohlerzogener, lieber und gescheiter Junge ich sei. Halt ein Musterknabe! Und wenn ich ehrlich bin, gefiel mir dies durchaus. Aber innerlich blieb da eine Traurigkeit, die auch nicht nach gelegentlichen Besuchen bei den Großeltern verschwand.





Anmerkung von Bluebird:

Ich habe ja schon anderer Stelle berichtet, wie ich seinerzeit konkret (1985) zum christlichen Glauben gefunden habe:  hier. Nun soll es darum gehen, das Ganze in eine etwas komplexerem Rahmen darzustellen.

Einen Vorgeschmack kann man hier bekommen:  Mein Weg zum Glauben

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Kommentare zu diesem Text


 Dieter Wal (13.07.23, 15:32)
Auch wenn ich mich äußerlich seinen Vorstellungen anpasste und tatsächlich eine vielversprechende Entwicklung.
Wie meinen?

 Bluebird meinte dazu am 13.07.23 um 15:54:
ja, ja :)

 remmaker (17.07.23, 12:39)
Aufgefallen ist mir:
'... dass aus mir mal was beruflich Gescheites wird.'
Ich weiß, dass es in Deutschland häufig üblich ist 'einmal' einfach mit 'mal' kürzer zu schreiben. Doch korrekt sollte es einmal heissen.
In der letzten Zeile hat bei 'Besuche' die Tastatur das N nicht geschrieben.
Nach wie vor ein positiver Werdegang, den nicht jeder hat.

 Bluebird antwortete darauf am 17.07.23 um 12:42:
Thanks!
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